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Expertise

Wie sich Tiergerechtheit messen lässt

Angela Bergschmidt | 11.07.2022


BW Institut für Betriebswirtschaft

Tiergerechtheit kann man messen – mithilfe verschiedener Indikatoren. Ein allgemein anerkanntes Indikatoren-Set gibt es aber bislang noch nicht.

In den 1980er-Jahren entwickelte der britische Farm Animal Welfare Council (FAWC) das Konzept der „Fünf Freiheiten“. Es bildet die Grundlage für verschiedene Mess- und Bewertungssysteme für Tiergerechtheit. Das Konzept bietet einen Ansatz zur Operationalisierung, also zur praktischen Messung der Tiergerechtheit in der Tierhaltung. Die fünf Freiheiten sind:

  • Freiheit von Hunger und Durst – die Tiere haben Zugang zu frischem Wasser und gesundem, gehaltvollem Futter.
  • Freiheit von haltungsbedingten Beschwerden – die Tiere sind geeignet untergebracht, zum Beispiel auf adäquaten Liegeflächen.
  • Freiheit von Schmerz, Verletzungen und Krankheiten – die Tiere werden durch schnelle Diagnose und Behandlung sowie den Verzicht auf Amputationen versorgt.
  • Freiheit von Angst und Stress – durch Verfahren und Management werden Angst und Stress vermieden, zum Beispiel durch Verzicht auf Treibhilfen.
  • Freiheit zum Ausleben normaler Verhaltensmuster – die Tiere können sich artgemäß verhalten, zum Beispiel durch ein ausreichendes Platzangebot.

Die Messung der verschiedenen Aspekte des Tierwohls (Animal Welfare) erfolgt auf Basis von Indikatoren. Zu unterscheiden sind:

  • Ressourcenbezogene Indikatoren. Sie stellen beispielsweise Informationen über Haltungsverfahren und Platzangebot bereit.
  • Managementbezogene Indikatoren. Sie erfassen Praktiken wie die Enthornung von Rindern oder die Kastration von Mastschweinen, aber auch die Fütterung und den Umgang mit den Tieren.
  • Tierbezogene Indikatoren. Sie werden direkt am Tier gemessen, zum Beispiel Fußballenentzündungen bei Mastgeflügel, Lahmheiten bei Milchkühen, aber auch Verhaltensstörungen wie das Stangenbeißen bei Sauen.

Ein allgemein anerkanntes Indikatoren-Set für die Messung und Bewertung der Tiergerechtheit steht bislang nicht zur Verfügung. Stattdessen existieren eine Reihe von Indikatorensystemen. Diese sind für verschiedene Anwendergruppen und Zwecke konzipiert: zur Politikgestaltung und wissenschaftlichen Politikberatung, zur Betriebsplanung bzw. zum Eigenmonitoring für Landwirte oder zur Produktkennzeichnung (Tierschutz-Label) von Handels- und Vermarktungsunternehmen.

Ein Beispiel für ein überwiegend tierbezogenes Indikatoren- und Bewertungssystem sind die WelfareQuality® Protokolle. Im Gegensatz dazu ist der Nationale Bewertungsrahmen Tierhaltungsverfahren des KTBL ressourcenbezogen. Er wurde überwiegend als Informations- und Entscheidungsgrundlage für Baubehörden und die Beratung konzipiert und umfasst neben Indikatoren zur Messung der Tiergerechtheit auch Umweltindikatoren.

In einem BÖLN-Projekt haben wir Indikatoren für eine ergebnisorientierte Honorierung von Tierschutzleistungen in der Milchviehhaltung entwickelt.

Projekte

Nationales Tierwohl-Monitoring

Im Rahmen des interdisziplinären Projektes „Nationales Tierwohl-Monitoring“ sollen die Grundlagen für eine Berichterstattung zum Status quo und zur Entwicklung des Tierwohls in der Nutztierhaltung entwickelt werden.

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Tiergerechte Milchviehhaltung – Das Ergebnis messen und honorieren

Die meisten Verbraucher wünschen sich Umfragen zufolge, dass Nutztiere „artgerecht“ gehalten werden. Aber lässt sich tiergerechte Haltung messen und über agrarpolitische Instrumente fördern? Dieser Frage geht unser Forschungsprojekt nach. Es wird von den Thünen-Instituten für Ökologischen Landbau und Betriebswirtschaft gemeinsam durchgeführt.

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Tiergerechte Milchviehhaltung – Das Ergebnis messen und honorieren

Praxistauglichkeit von Tierschutzindikatoren in der betrieblichen Eigenkontrolle

Gemäß Tierschutzgesetz müssen Nutztierhalter seit 2014 nachweisen können, dass sie ihre Herden tiergerecht halten. Wie aber können Tierhalter die Tierwohl-Situation ihrer Bestände objektiv erfassen und bewerten?

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Q Check: Tierwohl in der Milchviehhaltung mit System

Aussagekräftige und wissenschaftlich fundierte Indikatoren zur Beurteilung des Tierwohls in der Milchviehhaltung liegen inzwischen vor. Was fehlt, ist ein flächendeckendes Monitoring automatisch erfassbarer tierbezogener Indikatoren, das Tierwohl mess- und vergleichbar macht. Im Projekt Q-Check sollen dafür Indikatoren für Tiergesundheit bereits bestehender Analyse- und Datenerfassungssysteme genutzt werden.

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Welchen Einfluss hat der Weidegang auf Gesundheit und Wohlbefinden von Milchkühen?

Tiere zu halten, bedeutet in der ökologischen Landwirtschaft, es tiergerecht zu tun und ihnen arteigene Verhaltensweisen zu erlauben. Aber: Wie gesund ist etwa der Weidegang für Kühe?

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5-Länder-Evaluierung: Tierschutzwirkungen

In Zusammenarbeit mit dem Thünen-Institut für Ländliche Räume, dem Thünen-Institut für Waldwirtschaft und Forstökonomie und dem Ingenieurbüro entera evaluieren das Thünen-Institut für Betriebswirtschaft für die Förderperiode 2014-2020 die Entwicklungsprogramme für den ländlichen Raum (EPLR) der Länder Nordrhein-Westfalen, Hessen, Schleswig-Holstein und Niedersachsen/Bremen.

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Leistungen des Ökolandbaus für Umwelt und Gesellschaft

Ist der ökologische Landbau gut für die Umwelt und das Tierwohl? Diese Frage ist immer wieder Anlass für kontroverse Debatte. Grund genug sich Zeit für eine detaillierte Analyse zu nehmen und den aktuellen Wissensstand aufzubereiten.

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Netzwerk Pilotbetriebe II: Das Tier als Steuergröße für betriebliche Veränderung

Im Pilotbetriebe-Netzwerk erfassen wir in ökologischen und konventionellen Milchviehbetrieben Tierwohl und Tierarzneimitteleinsatz als wichtige Nachhaltigkeitsaspekte. Wir verknüpfen sie mit Umwelt‐ und Effizienzparametern.

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