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Dossier

Nutztierhaltung und Fleischproduktion in Deutschland

Claus Deblitz, Katrin Agethen, Josef Efken, Mandes Verhaagh, Hauke Tergast, Raphaela Ellßel, Heiko Hansen, Zazie von Davier, Petra Thobe, Craig Chibanda, Sebastian Koch | 23.11.2023


BW Institut für Betriebswirtschaft
MA Institut für Marktanalyse

Wie viel Tonnen Fleisch werden in Deutschland produziert? Wie viel davon wird exportiert? Diese und andere Fragen zur Tierhaltung und Fleischproduktion in Deutschland beantworten wir mit einer Zusammenschau aktueller Daten.

Der Fleischverbrauch hat in den vergangenen zehn Jahren relativ konstant bei etwas mehr als 7 Millionen Tonnen gelegen, ist im Jahr 2022 allerdings im vierten Jahr in Folge rückläufig. Die Fleischproduktion dagegen hat sich seit der BSE-Krise in Jahr 2001 – gemessen an der Schlachtmenge – zunächst fast jedes Jahr erhöht und lag im Jahr 2016 bei knapp 9 Millionen Tonnen. Seitdem ist ein Rückgang auf rund 7,6 Millionen Tonnen im Jahr 2022 zu verzeichnen.

Der deutliche Rückgang der Schweinebestände und der Schweinefleischproduktion ist der Hauptreiber für diesen Rückgang. Hauptursachen für diese Entwicklung sind veränderte Verbrauchsgewohnheiten sowie das Auftreten der Afrikanischen Schweinepest im Jahr 2020 und der damit verbundene Wegfall der Drittlandexporte, insbesondere nach China. Hinzu kam periodisch der „Schweinestau“ in den Ställen aufgrund der fehlenden Schlachtkapazitäten während der Covid-Pandemie.

Schließlich sind auch die höheren Auflagen bzw. die gesellschaftliche Diskussion in den Bereichen Tierwohl und Umwelt zu nennen sowie die fehlende Perspektive auf Seiten des Marktes und der Politik. In der Summe führen diese Entwicklungen zu großer Verunsicherung der Produzent*innen, zur Aufgabe von Betrieben und fehlenden Investitionen in tragfähige Stall -und Haltungskonzepte.

Schweinefleisch ist in Deutschland nach wie vor die wichtigste Fleischart. Von 1999 bis 2022 ist der Pro-Kopf-Verbrauch allerdings von knapp 55 auf nur noch 40,2 Kilogramm gesunken. Demgegenüber ist die Schlachtmenge in den letzten 20 Jahren von rund 4,1 Millionen auf rund 5,6 Millionen Tonnen im Jahr 2016 stetig angestiegen. Seitdem ist ein Produktionsrückgang auf 4,5 Millionen Tonnen im Jahr 2022 festzustellen. Trotz des Ausbruchs der Afrikanischen Schweinepest im September 2020 bleibt Deutschland aber Nettoexporteur, weil in der EU das Regionalkonzept gilt und weiter gehandelt werden darf.

Eine besonders rasante Entwicklung von Produktion und Verbrauch ist beim Geflügelfleisch zu beobachten. Im Gegensatz zum Schweinefleisch haben sich sowohl Produktion als auch Verbrauch nach oben entwickelt. Die Schlachtmenge bei Geflügel ist von 748.000 Tonnen im Jahr 1999 auf 1,6 Millionen Tonnen im Jahr 2022 gestiegen und hat damit in ihrer Bedeutung die Rindfleischproduktion überholt. 2022 haben die Deutschen knapp 1,8 Millionen Tonnen Geflügelfleisch verbraucht. Das ist geringfügig weniger als im Jahr 2021 und entspricht einem Pro-Kopf-Verbrauch von 21,4 kg je Person. Produktion und Verbrauch haben aber nach den Rekordwerten der letzten Jahre im Jahr 2022 im zweiten Jahr in Folge gegenüber dem Vorjahr leicht abgenommen.

Die Schlachtmenge von Rindfleisch ist von knapp 1,3 Millionen Tonnen im Jahr 2000 auf knapp 1,06 Millionen Tonnen im Jahr 2022 zurückgegangen. Dies entspricht 12,7 kg je Person, was einen Rückgang von fast 1 kg gegenüber 2021 bedeutet. Der Rindfleischverbrauch reduzierte sich – im Wesentlichen bedingt durch die Verbraucher:innenverunsicherung im Zusammenhang mit BSE und der Maul- und Klauenseuche – zunächst auf knapp eine Million Tonnen im Jahr 2009 und verzeichnete seitdem einen Wiederanstieg auf knapp 1,1 Millionen Tonnen in 2021, was einen leichten Rückgang gegenüber 2020 im zweiten Jahr in Folge bedeutet.

Die Produktion und der Verbrauch von Schaf- und Ziegenfleisch haben in Deutschland im Vergleich zu den anderen Fleischarten eine deutlich geringere Bedeutung. Einer Schlachtmenge von 29.600 Tonnen steht (nach offizieller Statistik) ein Verbrauch von knapp 71.000 Tonnen an Schaf- und Ziegenfleisch gegenüber. Der Pro-Kopf-Verbrauch liegt bei lediglich 0,84 kg je Jahr.

Insgesamt sind die Tierbestände mit Ausnahme von Geflügel rückläufig. Auch die Zahl der Schafe ist gegenüber dem letzten Erhebungszeitpunkt leicht gestiegen. Eine exakte stichtagbezogene Anzahl der Tiere anzugeben ist nicht möglich, da die Tierbestände nicht für alle Tierarten in jedem Jahr und zum gleichen Stichtag erhoben werden.

Das Geflügel hat zahlenmäßig den höchsten Anteil. 2020 wurden in Deutschland insgesamt 170 Millionen Tiere gehalten; davon waren 107 Millionen Mastgeflügel inklusive Truthühner, Enten und Gänse. Der Bestand der Legehennen wird jährlich aktualisiert und ist in 2022 auf gut 44 Millionen Tiere gestiegen.

Zahlenmäßig von hoher Bedeutung in Deutschland ist auch die Schweinehaltung. In der Maizählung 2023 lag die Zahl der Schweine bei 20,95 Millionen Tieren und zeigt damit weiter einen deutlichen Abwärtstrend. Davon sind knapp zwei Drittel Mast- und Jungschweine.

Auch der Rinderbestand hat sich weiter reduziert auf knapp 11 Millionen Rinder im Mai 2022. Mit 3,8 Millionen Milchkühen liegt auch hier der Bestand auf dem niedrigsten Niveau der letzten 20 Jahre.

Die Schafhaltung spielt mit weniger als 1,5 Millionen gehaltenen Tieren im November 2022 nur eine untergeordnete Rolle.

Über die Hälfte aller Rinderhaltungen in Deutschland zählt weniger als 50 Tiere. Demgegenüber stehen 52 Prozent aller Rinder in Deutschland in Beständen von mehr als 200 Tieren. Dies entspricht rund 11 Prozent der Betriebe. Bei der Betriebsstruktur in der Rinderhaltung ist zu berücksichtigen, dass hier alle Nutzungsrichtungen (Milchkühe, Mutterkühe, Mastrinder) einfließen.

Ähnlich wie bei den Rindern sind auch die Betriebsstrukturen für Schweine ausgeprägt: Fast die Hälfte aller in Deutschland gehaltenen Schweine steht in Beständen mit mehr als 2.000 Tieren. Wie bei den Rindern ist die Betriebsstruktur der Schweinehaltung nicht in allen Produktionsrichtungen gleich. So sind die Betriebe in der Schweinemast vergleichsweise größer als in der Sauenhaltung.

Noch deutlicher wird der Trend zu großen Beständen beim Geflügel: Einerseits halten die meisten Betriebe in Deutschland nicht mehr als 100 Jungmasthühner. Andererseits werden 81 Prozent der Jungmasthühner in Beständen mit mehr als 50.000 Tieren gehalten.

Die vorliegende Karte basiert auf der Agrarstrukturerhebung des Jahres 2020.

Gemessen an den Großvieheinheiten (GV) je ha Landwirtschaftlich genutzte Fläche (LF) liegt das Zentrum der Veredlungswirtschaft (Schweine- und Geflügelhaltung) im Nordwesten Deutschlands und im Voralpengebiet.

Die regionalen Schwerpunkte für die Rinderhaltung befinden sich vor allem in Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und in Bayern. Milchkühe und Mutterkühe stehen vor allem in Landkreisen mit hohem Grünlandanteil.

Service zum Download

Die jährlich aktualisierten „Steckbriefe zur Tierhaltung“ geben einen Überblick über die Produktion, den Verbrauch und den Außenhandel mit Fleisch. Außerdem enthalten sie Angaben zur Entwicklung der Tierbestände, zu Betriebsstrukturen und zur räumlichen Verteilung der Produktion in Deutschland.

Die Steckbriefe greifen bewusst nicht die vielfältigen und laufenden Diskussionen zum Thema Tierhaltung in Deutschland (und weltweit) auf, liefern aber einen fachlichen Beitrag, um eben diese gesellschaftliche und politische Diskussion über den Status quo und die Zukunft der Tierhaltung in Deutschland auf einer soliden Informationsbasis führen zu können.

Expertise

Exportchancen für deutsches Tierwohl-Fleisch

Inwieweit lässt sich Fleisch von Tieren, die in Deutschland unter höheren Tierwohlstandards gehalten wurden, auch im Ausland vermarkten? Das Thünen-Institut hat dies am Beispiel von Geflügel- und Schweinefleisch untersucht – mit eher ernüchternden Ergebnissen.

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Rinder in Anbindehaltung

Die Anbindehaltung von Milchkühen und anderen Rindern steht in der Kritik, weil Tiere in der Anbindehaltung ihr natürliches Verhalten nicht ausleben können. Im Jahr 2020 praktizierten in Deutschland nach Auswertungen des Thünen-Instituts rund 28.300 rinderhaltende Betriebe diese Haltungsform. Dies entspricht 28 % aller rinderhaltenden Betriebe bzw. 10 % aller Rinder.

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Podcast

Folge 3: Jedem Tierchen sein Pläsierchen?

Die deutsche Nutztierhaltung steht unter Druck: internationaler Wettbewerb hier, Forderungen nach höheren Tierschutz- und Umweltstandards da. Jede Form der Tierhaltung ist mit Umweltwirkungen verbunden. Gibt es Optionen, um Tierwohl, Umwelt- und Klimaschutz zum festen Bestandteil der Landwirtschaft zu machen?

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Thünen erklärt

Die Tierwohl-Prämie

Mehr Licht, mehr Luft, mehr Bewegungsfreiheit: In deutschen Ställen soll für mehr Tierwohl gesorgt werden. Das Kompetenznetzwerk Nutztierhaltung, die sogenannte Borchert-Kommission, hat dafür die Einführung einer Tierwohl-Prämie vorgeschlagen. Das Video erklärt, wie sie funktioniert und beschreibt einen Finanzierungsvorschlag.

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