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Expertise

Rinder in Anbindehaltung

Hauke Tergast, Sebastian Neuenfeldt, Angela Bergschmidt | 27.07.2023


BW Institut für Betriebswirtschaft

Die Anbindehaltung von Milchkühen und anderen Rindern steht in der Kritik, weil Tiere in der Anbindehaltung ihr natürliches Verhalten nicht ausleben können. Im Jahr 2020 praktizierten in Deutschland nach Auswertungen des Thünen-Instituts rund 28.300 rinderhaltende Betriebe diese Haltungsform. Dies entspricht 28 % aller rinderhaltenden Betriebe bzw. 10 % aller Rinder.

Die Bundesregierung hat 2021 in ihrem Koalitionsvertrag einen Ausstieg aus der Anbindehaltung vereinbart. Um die Folgen eines Verbotes abschätzen zu können, muss zunächst der Umfang der Anbindehaltung in Deutschland bestimmt werden. Hierfür hat das Thünen-Institut die Erhebungsdaten der Landwirtschaftszählung (LZ) 2020 des Statistischen Bundesamtes herangezogen.

Insgesamt wurden rund 1,1 Mio. Haltungsplätze in der Anbindehaltung und 10,3 Mio. Haltungsplätze in Laufställen und weiteren Haltungsverfahren gezählt. Doch diese Angaben sind nur begrenzt aussagekräftig: Zum einen lässt sich aus der Zahl der Haltungsplätze nicht ohne weiteres schließen, wie viele Tiere tatsächlich in den verschiedenen Verfahren gehalten werden, zum anderen wurde nicht zwischen ganzjähriger Anbindehaltung und teilweiser Anbindehaltung unterschieden. In der aktuellen Debatte um ein Verbot der Anbindehaltung werden diese beiden Varianten unterschiedlich bewertet.

Als Grundlage für die Untersuchung wurde daher die Anzahl der gehaltenen Rinder mit der Zahl der Haltungsplätze in Beziehung gesetzt. Bei den anbindehaltenden Betrieben wurde zudem zwischen der ganzjährigen und teilweisen Anbindehaltung unterschieden. In Anlehnung an milch.bayern e.V. sind die Kriterien für die teilweise Anbindehaltung, dass 80 % der Tiere bei Milchkühen bzw. 65 % der „sonstigen Rinder“ für mindestens insgesamt 12 Wochen im Jahr Zugang zu einem Auslauf oder/und für diese Tage mindestens sechs Stunden Zugang zur Weide haben.
 

Anzahl der Anbindehaltungen in Deutschland

2020 hielten in Deutschland 17.300 Betriebe (35 % aller Milchviehhalter) ihre Kühe in Anbindehaltung. Die Betriebe sind im Schnitt deutlich kleiner als Betriebe mit Laufställen, denn der Anteil der Milchkühe in Anbindehaltung ist mit 11 % deutlich geringer. Die ganzjährige Anbindehaltung ist deutlich verbreiteter als die teilweise Anbindehaltung (siehe Tabelle 1).

Tabelle 1: Anzahl und Anteile der Milchkühe in den unterschiedlichen Haltungsverfahren im Jahr 2020
Quelle: Eigene Darstellung und Berechnung auf Basis von LZ 2020
 

Betriebe

Anteil Betriebe

Tiere

Anteil Tiere

Laufstallhaltung

31.959

65 %

3.348.232

89 %

Anbindehaltung

17.345

35 %

417.043

11 %

davon: teilweise Anbindehaltung

5.651

11 %

125.569

3 %

davon: ganzjährige Anbindehaltung

11.694

24 %

291.474

8 %

In der Diskussion um die Anbindehaltung wird häufig außer Acht gelassen, dass nicht nur Milchkühe, sondern z. B. auch Mastrinder in Anbindeställen gehalten werden. Die Auswertung der LZ-Daten zeigt, dass absolut betrachtet mehr „sonstige Rinder“ in Anbindeställen gehalten werden als Milchkühe. Auch die Anzahl der Betriebe mit Anbindehaltung ist bei „sonstigen Rindern“ höher als bei Milchkühen (Tabelle 2). Wie auch bei den Milchkühen ist die ganzjährige Anbindehaltung verbreiteter als die teilweise Anbindehaltung, und die Betriebe sind kleiner als der Durchschnitt der rinderhaltenden Betriebe (Tabelle 2).

Tabelle 2: Anzahl und Anteile der „sonstigen Rinder“ in den unterschiedlichen Haltungsverfahren im Jahr 2020
Quelle: Eigene Darstellung und Berechnung auf Basis von LZ 2020
 

Betriebe

Anteil Betriebe

Tiere

Anteil Tiere

Laufstallhaltung

80.563

79 %

6.459.248

91 %

Anbindehaltung

21.748

21 %

626.154

9 %

davon: teilweise Anbindehaltung

9.230

9 %

229.272

3 %

davon: ganzjährige Anbindehaltung

12.519

12 %

396.882

6 %

Der größte Anteil der „sonstigen Rinder“ in Anbindehaltung wird auf Milchviehbetrieben gehalten. In Summe halten jedoch auch 9.750 Betriebe 256.000 Rinder in einem Anbindungshaltesystem, ohne gleichzeitig Milchkühe zu halten. Dies entspricht 10 % der Betriebe, die „sonstige Rinder“ halten (4 % der Rinder).

Deutschlandweit halten insgesamt 28.300 Betriebe Milchkühe oder/und „sonstige Rinder“ in einem Anbindehaltungsverfahren und wären somit von einem Verbot der Anbindehaltung betroffen. Dies entspricht 28 % aller rinderhaltenden Betriebe bzw. 10 % aller Rinder. Bei einem Verbot der ganzjährigen Anbindehaltung wären 17 % der Betriebe und 6 % der Rinder in Deutschland betroffen.

Die Anbindehaltung ist vorwiegend in Süddeutschland und hier vor allem in Bayern verbreitet. Dort befinden sich 52 % der Betriebe mit Anbindehaltung und 67 % der ganzjährig anbindehaltenden Betriebe. In Bayern halten 43 % aller rinderhaltenden Betriebe ihre Tiere in Anbindehaltung. Andere Bundesländer sind zum Teil in deutlich geringerem Umfang betroffen (Abbildung 1).

Abbildung 1: Anteil der Betriebe mit Anbindehaltung in unterschiedlichen Bundesländern

Die Mehrzahl der Betriebe mit Anbindehaltungen in Deutschland wirtschaftet konventionell. Doch auch ökologisch wirtschaftende Betriebe wären von einem Verbot der Anbindehaltung betroffen, wenn auch in einem deutlich geringeren Umfang (Abbildung 2).

Bemerkenswert bei der Auswertung der Zeitreihen war, dass anbindehaltende Betriebe deutlich seltener im Rahmen der Hofnachfolge weitergeführt werden. Insgesamt führt dies dazu, dass der Anteil der anbindehaltenden Betriebe in Zukunft in einem stärkeren Umfang abnehmen wird, als dies für die rinderhaltenden Betriebe insgesamt der Fall ist.

Ausgehend von der Entwicklung der Betriebszahlen der Jahre 2010 und 2020 und unter der Annahme, dass sich der historisch beobachtete Strukturwandel mit unveränderter Geschwindigkeit fortsetzt, würde die Anzahl der Betriebe mit ganzjährigen und teilweisen Anbindehaltungen im Jahr 2032 bei ca. 9.300 Betrieben liegen (Abbildung 3).

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