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Dossier

Einkommen in der Landwirtschaft

Eva-Charlotte Weber, Raphaela Ellßel, Heiko Hansen | 27.03.2024


BW Institut für Betriebswirtschaft

Landwirtschaftliche Einkommen sind starken Schwankungen unterworfen: Die Preise, die ein Betrieb für einen Liter Milch oder ein Kilo Fleisch erzielen kann, verändern sich von Jahr zu Jahr – genauso wie die Preise für Saatgut, Düngemittel, Futter und Energie. Wir analysieren die Einkommensentwicklung im Zeitablauf.

Auf Grundlage der Buchführungsabschlüsse des Testbetriebsnetzes Landwirtschaft können wir die wirtschaftliche Lage und Entwicklung landwirtschaftlicher Betriebe in Deutschland beurteilen. Diese Datenbasis verwenden wir unter anderem für Politikfolgenabschätzungen – etwa zur Frage, wie sich eine neue Ausgestaltung der Direktzahlungen auswirken würde.
 

Datengrundlage

Die Anfänge des Testbetriebsnetzes gehen auf das Landwirtschaftsgesetz aus dem Jahr 1955 zurück. Das Testbetriebsnetz hat große Bedeutung für die Politikfolgenabschätzung und -evaluierung, denn es ist die einzige repräsentative Datengrundlage, die neben betriebsstrukturellen und produktionstechnischen Merkmalen landwirtschaftlicher Betriebe auch wirtschaftliche Kennzahlen wie das Einkommen umfasst. Aktuell stellen etwa 7.500 landwirtschaftliche Betriebe ihre Buchführungsabschlüsse zur Verfügung.

Die Daten des Testbetriebsnetzes sind auch ein zentraler Bestandteil des betrieblichen Programmierungsmodells FARMIS, mit dem wir landwirtschaftliche Aktivitäten auf Betriebsebene detailliert abbilden und Projektionen vornehmen können. Über einzelbetriebliche Hochrechnungsfaktoren können wir unsere Ergebnisse auch auf die jeweils repräsentierte Grundgesamtheit beziehen.

Die Daten aus dem Testbetriebsnetz stehen externen Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen für Forschungsfragen unter bestimmten Bedingungen und der Beachtung der strengen Anforderungen des Datenschutzes am Thünen-Institut zur Verfügung.

Einkommensentwicklung in den vergangenen 15 Jahren

Im Durchschnitt über alle Betriebe hat das landwirtschaftliche Einkommen je nicht entlohnter (Familien-)Arbeitskraft in den vergangenen 15 Jahren zugenommen. Allerdings gab es erhebliche Schwankungen: zwischen etwa 27.000 Euro im Wirtschaftsjahr 2009/10 und zuletzt 79.500 Euro im Wirtschaftsjahr 2022/23.

In den vergangenen 15 Jahren sind die nominalen Einkommen bei deutlichen jährlichen Schwankungen im Durchschnitt um 4,5 Prozent pro Jahr angestiegen, die realen Einkommen um 3 Prozent pro Jahr. Dieser Unterschied ergibt sich, weil die Inflationsrate und damit die tatsächliche Kaufkraft in der nominalen Einkommensentwicklung nicht berücksichtigt wird, in der realen Einkommensentwicklung dagegen schon.

Sowohl nominal als auch real betrachtet erreichten die Einkommen je nicht entlohnter (Familien-)Arbeitskraft in den jüngsten beiden Wirtschaftsjahren 2021/22 und 2022/23 jeweils Spitzenwerte.

In dieser Durchschnittsbetrachtung über alle Betriebe hinweg bleiben die großen Unterschiede in der Landwirtschaft, z.B. durch spezifische Produktionsrichtungen, Betriebsgrößen und regionale Standortfaktoren, unberücksichtigt.

Die mittleren Einkommen zwischen den Betriebsformen unterscheiden sich in den betrachteten 15 Wirtschaftsjahren teils deutlich. So hatten Ackerbaubetriebe im Durchschnitt ein höheres Einkommen je nicht entlohnter (Familien-)Arbeitskraft als die übrigen Betriebsformen. Das mit Abstand niedrigste Einkommen weisen die sonstigen Futterbaubetriebe auf. Das Einkommen der Gartenbaubetriebe ist in den jüngsten Wirtschaftsjahren stark angestiegen und im Vergleich der Betriebsformen seit nun drei Wirtschaftsjahren am höchsten.

Auffallend ist der starke Einkommenszuwachs bei den Veredlungsbetrieben im Wirtschaftsjahr 2019/20 und der starken Einkommensrrückgang im Folgejahr. Sie weisen im Wirtschaftsjahr 2007/08 das niedrigste und im Wirtschaftsjahr 2019/20 das höchste Einkommen von allen Betriebsformen aus. Ein Grund für das außergewöhnlich gute Wirtschaftsjahr 2019/20 war die starke Schweinefleischnachfrage aus China als Folge der dort ausgebrochenen Afrikanischen Schweinepest (ASP). Im anschließenden Wirtschaftsjahr brach die Nachfrage nach Schweinefleisch aus Deutschland wieder stark ein, da auch hierzulande die ersten ASP-Fälle nachgewiesen wurden. Das Einkommen der Veredlungsbetriebe sank daher wieder, hat sich aber im Wirtschaftsjahr 2021/22 leicht erholt und befand sich im Wirtschaftsjahr 2022/23 wieder auf ähnlich hohem Niveau wie im Spitzenjahr 2019/20.

Alle Betriebsformen zeigen eine große Streuung in den Einkommen. Besonders ausgeprägt ist die Streuung bei den Gartenbaubetrieben, aber auch bei den Ackerbau- und Veredlungsbetrieben ist sie vergleichsweise hoch. Im Durchschnitt der drei Wirtschaftsjahre 2020/21 bis 2022/23 wurde über die Betriebe ein durchschnittliches Einkommen von annähernd 58.000 Euro je nicht entlohnter (Familien-)Arbeitskraft erzielt.

Die dargestellten Quantile machen deutlich, wie sich das Einkommen verteilt. Die Hälfte aller Betriebe erwirtschaftete ein Einkommen von weniger als  41.000 Euro (Median) und ein Viertel der Betriebe erwirtschaftete weniger als 17.500 Euro (25%-Quantil). Dagegen erwirtschaftete das erfolgreichste Viertel der Betriebe (75%-Quantil) ein Einkommen von mehr als 78.500 Euro. 10 Prozent der Betriebe machten Einkommensverluste von mehr als 1.500 Euro je nicht entlohnter (Familien-)Arbeitskraft (10%-Quantil), während das Einkommen der erfolgreichsten 10 Prozent aller Betriebe mehr als 140.000 Euro je nicht entlohnter (Familien-)Arbeitskraft betrug (90%-Quantil).

Es zeigt sich zudem, dass der arithmetische Mittelwert in allen gezeigten Betriebsformen über dem Median liegt, was darauf hinweist, dass einige Betriebe sehr hohe Einkommen erzielen und damit das mittlere (arithmetische) Einkommen nach oben „verzerren“. Besonders ausgeprägt ist dies bei den Gartenbaubetrieben, die zuletzt auch die Betriebsform mit den höchsten mittleren Einkommen je nicht entlohnter (Familien-)Arbeitskraft waren  (vgl. Grafik „Einkommensentwicklung je nicht entlohnter (Familien-)Arbeitskraft nach Betriebsform“).

Die Bedeutung von Direktzahlungen

Die Direktzahlungen sind ein zentraler Diskussionspunkt, wenn es um die zukünftige Ausrichtung der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) geht. Die Auswertungen der Buchführungsabschlüsse aus dem Testbetriebsnetz Landwirtschaft zeigen, dass die Direktzahlungen ein wesentlicher Bestandteil des Einkommens landwirtschaftlicher Betriebe sind.

Im Durchschnitt der jüngsten drei Wirtschaftsjahre (2020/21 bis 2022/23) machten sie über alle Betriebe etwa 30 Prozent aus – also fast ein Drittel des Einkommens. In Futterbau- und Ackerbaubetrieben ist der Anteil der Direktzahlungen am Einkommen je (Familien-)Arbeitskraft am höchsten. In Betrieben mit hoher Wertschöpfung je Hektar – Weinbau, Obstbau und sonstige Dauerkulturen, Gartenbau – ist ihr Anteil am niedrigsten.

Generell ist zum Anteil der Direktzahlungen am Gewinn anzumerken, dass dieser von Jahr zu Jahr schwankt. Dies liegt vor allem am jährlichen Auf und Ab des Gewinns, während die von der Produktion entkoppelten und flächenbezogenen Direktzahlungen im Zeitverlauf relativ konstant sind.

Eine weitere häufig verwendete Darstellungsform ist der Anteil der Direktzahlungen an den betrieblichen Erträgen. Danach machen sie im Durchschnitt über alle Betriebe einen Anteil von annähernd sechs Prozent aus. In Betrieben mit einer hohen Wertschöpfung je Hektar – wie den Gartenbau-, Weinbau-, Obstbau- und sonstige Dauerkulturbetrieben – ist der Anteil der Direktzahlungen an den betrieblichen Erträgen deutlich geringer als in den Ackerbau- und Sonstigen Futterbaubetrieben.

Vor dem Hintergrund dieser Zahlen wird häufig argumentiert, dass die Direktzahlungen durch ihren hohen Anteil am Gewinn und ihre einkommensstabilisierende Wirkung von existenzieller Bedeutung für die landwirtschaftlichen Betriebe seien. Allerdings wird im Fall von Pachtflächen ein Großteil der flächenbezogenen Direktzahlungen an die Bodeneigentümer und  -eigentümerinnen weitergegeben. Empirische Untersuchungen zeigen, dass diese sogenannten Überwälzungseffekte etwa 50 bis 60 Prozent der Direktzahlungen ausmachen dürften. Die Effekte sind umso größer, je höher der Pachtflächenanteil ist und je länger die abgeschlossenen Pachtverträge noch laufen. Deshalb sollte ein Abbau bzw. Umbau der Direktzahlungen über mehrere Jahre geplant werden und progressiv sowie verlässlich erfolgen, damit eine schrittweise „Rückumwälzung“ stattfinden kann.

Im Folgenden beziehen wir uns auf das Einkommen familiengeführter landwirtschaftlicher Betriebe in Deutschland mit den Rechtsformen Einzelunternehmen oder Personengesellschaften. Sie machen etwa 98 % der landwirtschaftlichen Betriebe aus (Statistisches Bundesamt 2021).

Das Einkommen der nicht entlohnten (Familien-)Arbeitskräfte wird dabei aus dem Gewinn ermittelt, der sich aus der Differenz von Erträgen und Aufwendungen eines landwirtschaftlichen Unternehmens berechnet. Diese Kennzahl ist ausschließlich für die Einkommenssituation der nicht entlohnten (Familien-)Arbeitskräfte aussagekräftig, nicht aber für angestellte Arbeitskräfte. Zudem fokussieren wir uns auf Haupterwerbsbetriebe und lassen Klein- und Nebenerwerbsbetriebe in unserer Betrachtung unberücksichtigt.
 

Die Einkommenssituation der landwirtschaftlichen Familien lässt sich allein mit der Auswertung landwirtschaftlicher Jahresabschlüsse nur unzureichend erfassen. Zu komplex sind die Strukturen und Verflechtungen der landwirtschaftlichen Unternehmen. Vor allem in Regionen mit intensiver Viehhaltung gibt es häufig mehrere, rechtlich selbständige Betriebe, die im Familienverbund bewirtschaftet werden. Aufteilungen oder Neugründungen finden hier oftmals statt, um die Gewerblichkeit des gesamten Unternehmens zu vermeiden und um Vorteile des Umsatzsteuerrechts (Pauschalierung) nutzen zu können.

Um die Einkommenssituation  sachgerecht beurteilen zu können, müssten folglich die Einkommen aus allen Betrieben herangezogen werden, die zur Betriebsleitungsfamilie gehören – auch die nichtlandwirtschaftlichen und/oder gewerblichen Einkommen. Viele Betriebe sind zudem diversifiziert und haben mehrere Betriebszweige (z. B. Biogas-, Photovoltaik-, Windenergieanlagen), die bei einer sachgerechten Analyse der Einkommenssituation mit betrachtet werden müssen.

Das bedeutet: Die tatsächliche Einkommenssituation der landwirtschaftlichen Haushalte wird durch das Testbetriebsnetz nur teilweise abgebildet und tendenziell unterschätzt. Die Unternehmensgewinne alleine sind nur eingeschränkt verwendbar für die Analyse und Beurteilung der Haushaltseinkommen. In diesem Zusammenhang ist ferner zu bedenken, dass die Vermögen in den landwirtschaftlichen Betrieben durch die sehr stark gestiegenen Bodenpreise in den vergangenen Jahren erheblich angewachsen sind.

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