Sardellen spielen im kulinarischen Bewusstsein in den hiesigen Breiten bislang kaum eine Rolle. Den meisten Menschen in Deutschland sind sie bestenfalls als Pizzabelag („Anchovis“) oder Bestandteil würziger Pasten geläufig. Weniger bekannt ist hingegen die immense, wenn auch indirekte Bedeutung der Sardellen für unseren Fischkonsum: Ein Großteil des Futters für die Aquakultur von Lachs und Co besteht aus Fischmehl, welches den großen industriellen Fischereien auf kleine Schwarmfische wie der peruanischen Sardelle entstammt. Könnte auch die europäische Sardelle künftig ein lohnendes Ziel der Fischerei in Nord- und Ostsee werden, wenn sich der Bestand weiter vergrößert und ausdehnt?
Jule Berrit Baum hat im Rahmen ihrer Abschlussarbeit an der Universität Rostock, betreut durch Dr. Paul Kotterba und Dr. Stefanie Haase, untersucht, ob sich eine Zunahme an Sardellen in der westlichen Ostsee belegen lässt. Dafür hat sie die Datenserie eines wichtigen Hydroakustiksuryes, der jährlich in einer Kooperation zwischen den Thünen-Instituten für Ostseefischerei und Seefischerei durchgeführt wird, analysiert. Obwohl die Sardelle aufgrund der noch geringen Stückzahlen bisher nicht das Interesse der Fischerei geweckt hat, lassen die Ergebnisse der Studie vermuten, dass die Art künftig an Bedeutung gewinnen könnte. Die Daten zeigen, dass die Sardellen seit längerem ein etablierter Bestandteil der Fischgemeinschaft in der westlichen Ostsee sind und in den letzten beiden Jahrzehnten häufiger wurden. Außerdem haben sie ihr Verbreitungsgebiet deutlich vergrößert. Die hinzugezogenen Umweltdaten zeigen, dass ein wesentlicher Faktor für diese Entwicklung ein Anstieg der Wassertemperatur in diesem Zeitraum war. Es erscheint daher möglich, dass ein weiterer Anstieg der Temperaturen im Zuge des Klimawandels zu einem verstärkten Vorkommen von Sardellen in der Ostsee führen kann, auch wenn viele andere Einflussfaktoren (Konkurrenz zu anderen Arten, Fraßfeinde etc.) in der aktuellen Studie noch nicht berücksichtigt werden konnten.
Ein besonders wertvoller Aspekt bei der Masterarbeit von Frau Baum war zudem die erstmalige Entwicklung eines Häufigkeits-Indexes für Sardellen in der Ostsee, welcher an die Berechnung bestehender Indizes für kommerzielle Arten (Heringe und Sprotten) angelehnt und entsprechend angepasst wurde. Mit diesem neuen Werkzeug wird es nun möglich sein, die Entwicklung der Sardellen in der Ostsee weiter zu verfolgen und rechtzeitig Managementmaßnahmen zu ergreifen, wenn die Art für die Fischerei an Interesse gewinnen sollte. Mit der erfolgreichen Verteidigung ihrer Masterarbeit hat Frau Baum ihr Studium in Rostock als Jahrgangsbeste ihres Studiengangs (integrative Zoologie) abgeschlossen.








