

Institut für
WI Innovation und Wertschöpfung in ländlichen Räumen
Projekt
Innovationen und Wissenstransfer in der Land- und Lebensmittelwirtschaft

Konkurrierende Zielvorstellungen zu Nachhaltigkeit in der Land- und Lebensmittelwirtschaft bestimmen den gesellschaftlichen Diskurs. Verschiedene Zielvorstellungen führen zu einer Vielzahl an als nachhaltig gelabelten Praktiken. Aus wissenschaftlicher Sicht sind Lösungsansätze, die ökonomische und ökologische Ziele miteinander in Einklang bringen, vorhanden. Dabei handelt es sich um Innovationen, die eine nachhaltige Transformation der Land- und Lebensmittelwirtschaft ermöglichen. In diesem Projekt untersuchen wir, welche Art von Innovationen die Land- und Lebensmittelwirtschaft prägen und was die Annahme von Nachhaltigkeitsinnovationen fördert bzw. hindert und eine regional unterschiedliche Verbreitung erklärt.
Hintergrund und Zielsetzung
Global stehen Land- und Lebensmittelwirtschaft vor großen Herausforderungen: Verknappung der Agrarflächen durch konkurrierende Nutzung einerseits und Degradierung von Flächen bzw. Ertragsschwankungen durch Klimaveränderung andererseits. Zwar ist die Notwendigkeit einer Transformation der Landwirtschaft unumstritten, die Antworten auf diese Herausforderung sehen jedoch unterschiedlich aus. Während im globalen Süden, insbesondere in Asien und Südamerika, aber auch in Afrika Produktivitätszuwächse im Vordergrund stehen, wird in Europa deutlich stärker auf Ressourcenschutz fokussiert. Als Ausdruck dieser Orientierung an Aspekten der Nachhaltigkeit und des Klima- und Ressourcenschutzes kann neben der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) der Europäischen Union auch die Strategie des BMEL gesehen werden, den Flächenanteil des Öko-Landbaus auf 30% der Flächen zu steigern.
Aus wissenschaftlicher Sicht sind Lösungsansätze, die ökonomische und ökologische Ziele miteinander in Einklang bringen, vorhanden. Dabei handelt es sich um Innovationen, die eine nachhaltige Transformation der Land- und Lebensmittelwirtschaft ermöglichen, die also ökonomische, ökologische und soziale Ziele miteinander in Einklang bringen und dabei auch die Herausforderungen des Klimawandels (Dürren etc.) adressieren. Dazu zählen insbesondere Ansätze der Agrarökologie. Zwar versprechen solche Ansätze, dass Ertragssteigerungen bei gleichzeitiger Reduktion der Ressourcen möglich sind, damit also auch die Emissionen sinken, aber die Annahme und Verbreitung dieser Technologien bleiben weit hinter den Erwartungen zurück und zeigen sich regional sehr unterschiedlich.
Ziel des Projektes ist es, vor dem Hintergrund aktueller Herausforderungen neue Erkenntnisse über die Bedeutung von Innovationen und Wissenstransfer für die nachhaltige Transformation der Land- und Lebensmittelwirtschaft in ländlichen Räumen zu gewinnen.
Vorgehensweise
Wir gehen der Frage nach, welche Zielvorstellungen mögliche Innovationsprozesse in der Landwirtschaft und Lebensmittelindustrie anleiten. Während auf globaler Ebene Prinzipien der Agrarökologie im Vordergrund stehen, die Ertragssteigerung durch ökologisch nachhaltige Praktiken erreichen wollen, wird in den ländlichen Räumen Deutschlands insbesondere der ‚Öko-Landbau‘ gefördert. Innerhalb des ‚Öko-Landbau‘-Spektrums konkurrieren verschiedene Zielvorstellungen. Dies geht mit einem breiten und uneinheitlichen Repertoire an Praktiken einher. Einige dieser Praktiken können produktivitätsorientiert sein, und haben zum Ziel, ökologisch-ökonomisch nachhaltig zu wirtschaften. Andere Praktiken hingegen berufen sich auf Zielvorstellungen, in denen Effizienz- oder Ertragssteigerungen eine untergeordnete Rolle gegenüber Sortenerhalt, Saatgutvielfalt oder hofinternen Kreislaufprozessen etc. spielen (beispielsweise biodynamische Landwirtschaft). Diese Zielvorstellungen werden über Siegel wie etwa das EU-Biosiegel zertifiziert und/oder über die Mitgliedschaft in Anbauverbänden wie etwa Demeter kenntlich gemacht.
Wir erfassen zunächst die Vielzahl an Zielvorstellungen und streben dann eine (vereinfachte) Kategorisierung dieser Zielvorstellungen an, etwa in „Scale“- (Ertragssteigerung durch ökologisch nachhaltige Maßnahmen und Spezialisierung) vs. „Scope“-Strategien (Kombination verschiedener Wertschöpfungszweige im Betrieb) oder Growth vs. Post-growth-Zielorientierungen. Wir analysieren die regionale Verbreitung dieser Zielvorstellungen über die Zugehörigkeit zu Anbauverbänden.
Patentdaten geben uns einen Einblick in die verschiedenen Bereiche, in denen sich Agrarinnovationen durchsetzen (etwa im Bereich Boden und Düngemittelmanagement oder precision agriculture). Damit können wir einordnen, inwiefern sich Innovationen in Richtung Nachhaltigkeit entwickeln.
Darauf aufbauend untersuchen wir, welche Faktoren eine Annahme und Verbreitung von Agrarinnovationen begünstigen oder behindern und welche Rolle lokale Kontextfaktoren spielen. Besonderes Augenmerk liegt auf regionalen Unterschieden.
Daten und Methoden
Wir organisieren unsere Arbeit in zwei Schritten: zunächst analysieren wir die existierende Literatur, um eine Übersicht über den verfügbaren Wissensstand zu erhalten:
- Wir prüfen klassische Theorien zur Diffusion von Innovation und hinterfragen kritisch, ob diese für die Prozesse im Agrar- und Lebensmittelsektor passend sind. Damit tragen wir zu einem konzeptionellen Verständnis der Besonderheiten im Agrar- und Lebensmittelsektor bei.
- Mit einem systematischen Literaturüberblick untersuchen wir dann die vorhandene Literatur zur Verbreitung von agrarökologischen Innovationen. Insbesondere gehen wir auf Faktoren ein, die die Annahme und Verbreitung von Agrarinnovationen fördern bzw. behindern. Wichtig sind dabei auch die jeweiligen Kontextfaktoren. Dazu zählen neben den agrarökologischen Gegebenheiten, auch Marktbedingungen und institutionelle Faktoren sowie Verhaltensaspekte der Landwirte.
- Wir werten den vorhandenen Wissensstand zu verschiedenen als nachhaltig deklarierten Zielvorstellungen in der Agrarproduktion aus. Wir untersuchen hauptsächlich die regionale Verbreitung verschiedener Zielvorstellungen.
Überdies nutzen wir Patentdaten und erheben eigene qualitative Daten, um die regionale Verbreitung von Innovationsaktivitäten in der Landwirtschaft zu untersuchen:
4. Auf Grundlage von Patentdaten analysieren wir, welche Art von Innovationen im Bereich der Agrarproduktion patentiert wird. So können wir zeigen, in welchen Bereichen der Agrarproduktion Patente angemeldet werden und einordnen, welche Rolle Nachhaltigkeit spielt.
5. Eigene Daten werden in Form von Expert:inneninterviews mit Landwirt:innen erhoben. Dabei möchten wir prüfen, welche Art von Innovationen für Landwirt:innen aktuell von Bedeutung sind. Wir wählen verschiedene regionale und betriebliche Kontexte als Fallstudienregionen aus. In der Folge führen wir Interviews mit Landwirt:innen. Dies ermöglicht zum einen eine Einschätzung der tatsächlichen Verbreitung von Agrarinnovationen sowie einen Überblick über regionale Unterschiede. Ferner ermöglichen qualitative Ansätze eine fundierte Einschätzung der Barrieren und förderlichen Faktoren sowie der Bedeutung von (lokalen) Kontextfaktoren.
Unsere Forschungsfragen
- Welche unterschiedlichen Zielvorstellungen zu „nachhaltigen“ Transformation der Land- und Lebensmittelwirtschaft in ländlichen Räumen gibt es, wie ist die regionale Verbreitung?
- In welchen Bereichen werden Agrarinnovationen patentiert? Lässt sich ein Trend hin zu Nachhaltigkeit ausmachen?
- Was ist für die Annahme und Verbreitung von Agrarinnovationen in ländlichen Räumen förderlich bzw. hinderlich? Welche regionalen Unterschiede gibt es und welche Rolle spielen (lokale) Kontextfaktoren?
Thünen-Ansprechperson

Zeitraum
2.2025 - 1.2030
Weitere Projektdaten
Projektstatus:
läuft



