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Expertise

Steigerung der Biodiversität: Was kostet das?

Elke Plaas, Anika Bosse, Karsten Beutnagel | 27.04.2023


BW Institut für Betriebswirtschaft

Die Artenvielfalt in Agrarlandschaften ist seit Jahren rückläufig. Der Landwirtschaft kommt dabei eine besondere Verantwortung zu: Zum einen gilt sie als Mitverursacher, zum anderen hat sie als Flächennutzer auch das Potenzial, zum Erhalt und zur Förderung der Biodiversität beitragen zu können.

Die neue EU-Agrarreform ab 2023 rückt die Umsetzung von Biodiversitätsmaßnahmen stärker in den Fokus. Neben verpflichtenden Auflagen, wie zum Beispiel Mindestabständen zu Saumbiotopen und Gewässern, werden die EU-Direktzahlungen an die Einhaltung von ökologischen Mindestkriterien geknüpft. Dazu zählt beispielsweise die Stilllegung von 4 % der Ackerfläche. Darüber hinaus können sich Landwirte an freiwilligen Programmen aus dem Vertragsnaturschutz oder Agrarumwelt- und Klimamaßnahmen beteiligen.

Für die Teilnahme an diesen Programmen werden entsprechende Fördersätze gezahlt. Diese sollen den Einkommensverlust der Landwirte und deren zusätzliche Kosten für die Biodiversitätsmaßnahmen kompensieren. Allerdings zeigten Untersuchungen des Thünen-Instituts: Viele Landwirte haben Bedenken hinsichtlich einer unzureichenden Wirtschaftlichkeit und Flexibilität bei der Maßnahmenumsetzung und fürchten mögliche Sanktionen, etwa beim Unterschreiten geforderter Flächengrößen. Das beeinflusst die Akzeptanz dieser Maßnahmen negativ (Joormann und Schmidt 2017).

In den Projekten FInAl und F.R.A.N.Z. arbeitet das Thünen-Institut gemeinsam mit Projektpartnern aus Wissenschaft und landwirtschaftlicher Praxis an Lösungsansätzen. Dabei werden Maßnahmen für den Erhalt und die Förderung der Artenvielfalt gemeinsam entwickelt und umgesetzt. Für die Umsetzung der Biodiversitätsmaßnahmen erhalten die Landwirte eine Vergütung. Diese setzt sich aus den so genannten Opportunitätskosten und den Produktionskosten zusammen. Die Opportunitätskosten beziehen sich auf den entgangenen Deckungsbeitrag (Leistungen abzüglich variabler Kosten) der sonst üblichen Fruchtfolge. Die Produktionskosten umfassen die maßnahmenspezifischen Kosten für zum Beispiel Saatgut und durchgeführte Arbeitsgänge. Zudem werden Transaktionskosten für einen erhöhten Abstimmungs- und Zeitbedarf bei der Antragstellung und Dokumentation der Maßnahmen berücksichtigt.


Opportunitätskosten sind die entscheidende Größe

Die Berechnungen zeigen, dass die Kosten bzw. Entgelte von Biodiversitätsmaßnahmen wesentlich davon abhängen, ob es sich um eine „produktive“ Maßnahme handelt, deren Aufwuchs erlösbringend vermarktet werden kann, oder um „unproduktive“ Maßnahmen wie z. B. Brachen und Blühflächen (Bosse et al., 2022). Dort wird zwar ein ökologischer Nutzen produziert, jedoch steht den Kosten kein monetärer Erlös gegenüber, sodass die Kompensationszahlung für den Landwirt entsprechend höher ausfallen muss. Die Art der Maßnahme beeinflusst die Kostenstruktur vor allem durch unterschiedliche Aufwendungen für Saatgut und Arbeitserledigung. Entscheidend sind jedoch die Opportunitätskosten, deren Anteil bis zu 90 % an den gesamtem Maßnahmenkosten beträgt (siehe Diagramm).

Aufgrund unterschiedlicher Standortbedingungen, Ertragsfähigkeit der Böden und der angebauten Kulturen variieren die Opportunitätskosten stark zwischen den Regionen. Insbesondere auf Gunststandorten mit hohen Opportunitätskosten reichen die Förderhöhen in den bisherigen Programmen daher häufig nicht aus, um die durch die Teilnahme entstehenden Kosten auszugleichen.
 

Die eine optimale Maßnahme gibt es nicht

Um öffentliche Gelder zur Förderung der Biodiversität möglichst effizient einzusetzen, stellt sich die Frage nach der Kostenwirksamkeit und den effizientesten Maßnahmen. Hier ist festzustellen, dass bestimmte Maßnahmen, zum Beispiel mehrjährige Blühflächen oder Säume, besonders positive Wirkungen auf die untersuchten Zielarten zeigen. Allerdings gibt es nicht die eine Maßnahme, die uneingeschränkt für jeden Standort zu empfehlen ist. Vielmehr ist zur optimalen Förderung ein Maßnahmenmix notwendig, der je nach Region und Zielart deutlich variieren kann. Weiterhin hat neben dem Maßnahmenumfang vor allem auch der Landschaftskontext, bzw. die Verortung in der Landschaft einen maßgeblichen Effekt auf eine kosteneffiziente und ökologisch wirksame Förderung der Artenvielfalt. So können durch die gemeinsame Planung und Umsetzung von Maßnahmen eine Biotopvernetzung hergestellt und die Ansprüche individueller Zielarten berücksichtigt werden.  

Es konnte keine direkte Kausalität zwischen besonders teuren Maßnahmen und einer höheren ökologischen Wirkung abgeleitet werden. Jedoch machen auch bei teuren Maßnahmen die hohen Opportunitätskosten den größten Anteil der gesamten Kosten aus. Hohe Opportunitätskosten deuten eher auf eine intensive Wirtschaftsweise hin. Diese könnte wiederum ein geringeres ökologisches Ausgangsniveau bedingen, bei dem durch biodiversitätsfördernde Maßnahmen schneller eine ökologische Aufwertung erzielt werden kann.

Insgesamt kann durch einen fortwährenden gemeinsamen Austausch und Lernprozess, der genügend Raum für die regionalen Bedarfe bietet, die Akzeptanz biodiversitätsfördernder Maßnahmen gesteigert werden. Grundvoraussetzung für die Umsetzung der Maßnahmen ist jedoch – neben diesen Aspekten – eine kostendeckende Kompensation.

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