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Expertise

Quecksilber in Fischen aus deutschen Meeresgebieten

Ulrike Kammann, Marc-Oliver Aust, Pedro Nogueira, Klaus Wysujack | 20.01.2023


FI Institut für Fischereiökologie

Quecksilber gehört zu den giftigsten Elementen auf unserem Planeten und ist weltweit verbreitet. Die Gehalte von Quecksilber in Fischen aus deutschen Meeresgebieten werden vom Thünen-Institut regelmäßig überwacht. Die Ergebnisse fließen in nationale und europäische Umweltbewertungen ein.

Wie viel Quecksilber (Hg) ist in Meeresfisch aus Nord- und Ostsee enthalten? Quecksilber ist ein besonderes Metall: Es ist nicht nur besonders giftig, sondern wird im Gegensatz zu vielen anderen Schadstoffen vorwiegend über die Luft verbreitet und erreicht das Meer mit dem Regen (atmosphärische Deposition). Im Meer angekommen kann Hg etwa über Mikroorganismen in Methyl-Hg umgewandelt werden – eine Substanz, die sich in der Umwelt nicht wie ein Metall, sondern wie ein organischer Schadstoff verhält und sich im Fettgewebe von Meeresfischen anreichert. Die überwiegende Menge des Hg in Meeresfischen liegt daher als Methyl-Hg vor und zeigt eine starke Tendenz zur Bioakkumulation. Das heißt, dass ältere Tiere derselben Art und Herkunft regelmäßig höher mit Quecksilber belastet sind als jüngere.

Im Thünen-Institut für Fischereiökologie untersuchen wir Fische aus der Ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) Deutschlands (bis zu 200 Seemeilen von der Küste entfernt) immer aus den gleichen Meeresregionen, deren Lage sich an der natürlichen Verbreitung der jeweiligen Fischart orientiert. Diese Aufgabe erfüllt das Thünen-Institut im Rahmen seiner hoheitlichen Verpflichtungen für die Europäische Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie in Zusammenarbeit mit dem Internationalen Rat für Meeresforschung (ICES), der Oslo-Paris- Konvention zum Schutz der Meeresumwelt des Nordostatlantiks (OSPAR) sowie der Helsinki-Konvention zum Schutz der Meeresumwelt der Ostsee (HELCOM).

Material und Methoden

Die Fischart Kliesche (Limanda limanda, Abb.1) wird auf unseren regelmäßigen Forschungsfahrten mit der Walther Herwig III in der AWZ von Nord- und Ostsee in den Monaten August und September gefangen. Ein kleiner Teil des Muskelgewebes wird im Labor gefriergetrocknet und zu einem feinen Pulver verrieben. Wenige Milligramm des trockenen Fischmuskelpulvers werden zur Messung in einem »Direct Mercury Analyzer« eingesetzt.
 

Basisdaten

Unter Basisdaten verstehen wir die typische Kontamination einer Fischart eines Seegebietes in einem Zeitraum z. B. mit Quecksilber. Sie dienen als Basis für die Bewertung des Zustands der Meeresumwelt, z. B. nach EU-MSRL. Das betrachtete Seegebiet ist die AWZ in Nord- und Ostsee. Der gewählte Zeitraum von 2010 bis 2020 ist lang genug, um mit hohen Probenzahlen repräsentative Mittelwerte zu berechnen. In Tabelle 1 sind die Basisdaten zur Hg-Kontamination unterschiedlicher Fischarten zusammengefasst: Die höchsten Werte finden wir im Mittel in Klieschen aus der AWZ in der Nordsee. Klieschen, Dorsche und Heringe aus der Ostsee sind alle geringer belastet.

Bewertung der Basisdaten

Sind die gemessenen Gehalte an Quecksilber in Meeresfischen bedenklich? Die MSRL betrachtet die Hg-Kontamination in Meeresfischen unter zwei Aspekten: Einerseits ist der Fisch ein Indikator für den Zustand des Ökosystems und soll nicht unter Auswirkungen der Umweltbelastung leiden, andererseits sollen Fische als Lebensmittel sicher zu verzehren sein.

Die Bewertung unserer Basisdaten als Umweltbelastung wird unter der Verwendung der Umweltqualitätsnorm von 20 μg/kg Feuchtgewicht für Biota durchgeführt. Die mittleren Belastungen in Klieschen und Dorschen (Tabelle 1) überschreiten diesen Grenzwert. Der Hering in der Ostsee liegt im Mittel genau auf der Höhe des Grenzwertes. Nach Maßgaben der MSRL ist damit der gute Umweltzustand für Klieschen und Dorsche in der AWZ von Nordsee und Ostsee noch nicht erreicht.

Betrachtet man die Meeresfische als Lebensmittel, so ist ihre Hg-Belastung als unbedenklich einzustufen, da sie im Mittel deutlich unterhalb des EU-Grenzwertes von 500 μg Hg/kg Feuchtgewicht für Fisch als Lebensmittel liegt. Kein einziger der zwischen 2010 und 2020 gefangenen Fische hat diesen Grenzwert überschritten. Diese Fische aus der deutschen AWZ können also bedenkenlos verzehrt werden.
 

Regionale Unterschiede in den Basisdaten

Gibt es auch regionale Unterschiede in der Hg-Belastung von Meeresfischen innerhalb der AWZ? Aufgeschlüsselt nach Stationen in der Nordsee-AWZ finden sich die höchsten Werte tendenziell in der inneren Deutschen Bucht auf der küstennahen Station GB1 (Abb. 2). Die Mittelwerte nehmen in der Nordsee-AWZ von der Küste in Richtung offene Nordsee ab – zumindest in der Tendenz. In der Nordsee unterscheiden sich die Stationen kaum in ihrer Belastung voneinander (Abb. 2). Ein signifikanter Unterschied besteht dagegen zwischen dem Ostsee-Gebiet B01 und jeder einzelnen Nordsee-Station. Die Hg-Belastung in Nord- und Ostsee stellt eine Altlast dar – das heißt, sie spiegelt eher die Summe der Einträge aus den letzten Dekaden wider als neue Einträge.

Tabelle 1: Quecksilberbelastung im Muskel [μg Hg/kg Feuchtgewicht] von Meeresfischen aus der deutschen AWZ in Nord-und Ostsee; Mittelwerte aus den Jahren 2010-2020
AWZFischartHg [μg/kg FG]
NordseeKliesche127,8
OstseeKliesche43,3
OstseeHering20,3
OstseeDorsch31,5

 

 

Trend: Die Belastung erhöht sich

Wird die Hg-Konzentration in Klieschen aus der inneren Deutschen Bucht (N01, Abb. 2) betrachtet, so kann man einen ansteigenden zeitlichen Trend in der Hg-Belastung der letzten 25 Jahre erkennen (Abb. 3). Dieser signifikante Trend ist nicht durch Effekte wie Bioakkumulation zu erklären und spiegelt sich auch nicht in den Hg-Konzentrationen des Sediments wider.

Diese überraschende Beobachtung kann ein möglicher Effekt der Klimaveränderung sein, der etwa zu einer Verschiebung im Nahrungsangebot für die Fische in dieser Region oder einer erhöhten Freisetzung von Hg aus dem Sediment parallel zum Temperaturanstieg im Wasser führt. Dieser zeitliche Trend in Abbildung 3 führt zu einer klaren Erhöhung der Hg-Belastung in Fischen um 1,4 % pro Jahr in den letzten 25 Jahren. Das ergibt einen Anstieg von insgesamt 41 % in der Hg-Belastung in dieser Zeitspanne. Dieses Phänomen betrifft nur den flacheren und daher am Meeresboden wärmeren Küstenbereich der Nordsee.

Nähere Informationen:

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