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Bäume sind anders als Menschen – und das ist gut so!

Neue Studie zeigt: Für die „Vermenschlichung“ von Bäumen, Pflanzen und Pilzen fehlen wissenschaftliche Nachweise.

Eine alte Buche, unter der keine Jungbuchen aufwachsen. In einigen Metern Entfernung stehen in enger Gruppierung junge Buchen.
© Andreas Bolte

Junge Buchen sind im unmittelbaren Bereich um eine Altbuche kaum zu finden. Dieser „Tellereffekt“ spricht für eine starke Konkurrenz von Altbäumen und Verjüngung und nicht für eine Förderung.

Bäume, andere Pflanzen und Pilze, die zu Gefühlen wie Schmerz fähig sind, untereinander kommunizieren und sich wie Mütter um ihre Nachkommen sorgen – die Zuschreibungen menschlicher Eigenschaften, Anthropomorphismus genannt, haben die Bücher „Das geheime Leben der Bäume“ von Peter Wohlleben und „Finding the Mother Tree“ von Suzanne Simard international bekannt gemacht. Durch sie sind viele Menschen neu für Bäume und Wälder interessiert worden. Viele der Annahmen haben Eingang in die Sichtweisen naturinteressierter Menschen gefunden und werden auch von dem Hintergrund natur- und umweltpolitischer Entscheidungen diskutiert.

Nun haben 35 Wissenschaftler*innen aus Europa, Nord- und Südamerika im Übersichtsartikel Mother trees, altruistic fungi, and the perils of plant personification in der Zeitschrift Trends in Plant Science Kernbehauptungen dieser zwei Bücher auf ihre wissenschaftliche Aussagekraft hin geprüft. Koordiniert wurde die Autor*innengruppe vom Pflanzenwissenschaftler David G. Robinson von der Universität Heidelberg. Ein Mitverfasser ist der Waldökologe Andreas Bolte vom Thünen-Institut für Waldökosysteme.

Analysiert wurden 87 wissenschaftliche Publikationen. Das internationale Autor*innenteam fand jedoch keine wissenschaftlichen Belege dafür, dass Bäume schwächere Individuen der gleichen Baumart unterstützen. Im Gegenteil: Es existieren belastbare wissenschaftliche Belege, dass es sowohl zwischen Bäumen gleicher wie auch unterschiedlicher Art zu Konkurrenz um begrenzte Wuchsressourcen wie Licht, Wasser und Nährstoffe kommt. Ebenfalls nicht wissenschaftlich belegbar ist die Annahme, dass Bäume miteinander kommunizieren und beispielsweise überschüssigen Kohlenstoff gezielt über das pilzliche Mykorrhiza-Netzwerk (Wood Wide Web) untereinander austauschen. Damit fehlt die Evidenz für das Grundkonzept des Mutterbaums (Mother Tree), der sich um seine Nachkommen kümmert.

„Letztlich zielen die beiden Bücher nicht auf eine rein faktenbasierte Beschreibung von Bäumen, Pflanzen und Pilzen ab, sondern auf eine Zuschreibung menschlicher Eigenschaften, die es erlauben, dass wir uns mit ihnen identifizieren“, sagt Andreas Bolte. „Das verstellt aber den Blick auf die faszinierenden und einzigartigen Eigenschaften und Leistungen dieser Organismen jenseits menschlicher Ähnlichkeiten, ohne die es unsere bekannte Welt nicht gäbe. Hierzu gehören die Photosynthese, die Biomasse überhaupt erst erzeugt, ausgefeilte Wassertransportsysteme, die ein Leben an Land ermöglichen und vieles mehr. Bäume sind anders als wir Menschen. Und das ist großartig.“


Originalpublikation:
D. G. Robinson, C. Ammer, A. Polle et al.: Mother trees, altruistic fungi, and the perils of plant personification. Trends in Plant Science (19 September 2023). https://doi.org/10.1016/j.tplants.2023.08.010
 

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