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Landwirtschaftliche geprägte Landschaft, im Vordergrund eine Bank, im Hintergrund ein Ort
© Johanna Fick
Landwirtschaftliche geprägte Landschaft, im Vordergrund eine Bank, im Hintergrund ein Ort
Institut für

LV Lebensverhältnisse in ländlichen Räumen

Aktuelles

Aktuelle Veröffentlichung stellt Bewusstsein der Deutschen für biologische Vielfalt infrage

Naturbewusstseinsstudien bescheinigen der deutschen Bevölkerung ein überaus positives Verhältnis zur biologischen Vielfalt. Ein neues statistisches Verfahren zeigt, dass aus solchen Studien keine verallgemeinernden Aussagen über „die Bevölkerung“ abgeleitet werden können.

Mithilfe Künstlicher Intelligenz erzeugte Verschmelzung eines menschlichen Kopfes mit einem farbigen Baum
© Thomas Krause (unter Nutzung von Stable Diffusion XL)

Biologische Vielfalt: Viele Menschen sagen nicht, was sie darüber wirklich denken, sondern das, was sie für die kulturelle Norm halten.

Dass die deutsche Bevölkerung biologische Vielfalt schätzt, gilt als gesichert. Das Bundesumweltministerium (BMU) und das Bundesamt für Naturschutz (BfN) bestätigen dies regelmäßig, wenn die Ergebnisse der seit 2009 durchgeführten Studien zum Naturbewusstsein veröffentlicht werden. In diesen wird auch ein Gesellschaftsindikator erhoben, der die Einstellungen, Verhaltensbereitschaft und das Wissen der Deutschen zum Thema „biologische Vielfalt“ erfasst. Bisherige Ergebnisse weisen auf ein ausgeprägtes Naturbewusstsein hin. Beispielsweise zeigen die 2019 erhobenen Daten, dass 44 % der Bevölkerung sich der Bedeutung biologischer Vielfalt bewusst sind, 60 % eine positive Einstellung dazu haben und sogar 63 % Absichten äußern, sich für ihren Schutz einzusetzen.

Eine aktuelle Studie zeigt jetzt auf, dass diese Ergebnisse auf komplexe Weise durch soziale Erwünschtheit verfälscht sind. Das bedeutet, dass Befragte ihre Antworten nicht aufgrund ihrer tatsächlichen Einstellungen und Verhaltensabsichten abgeben, sondern sie an den vorherrschenden kulturellen Normen ausrichten. Sie antworten also so, wie sie glauben, dass es Interviewer erwarten. Das konnte man schon vorher vermuten, aber durch Einsatz einer auf Maschinellem Lernen aufbauenden Methode lassen sich jetzt erstmals systematisch die komplexen Verzerrungen mit statistischen Mitteln nachweisen.

Die neue Veröffentlichung nutzt diese innovative Methode, um aufzuzeigen, dass dieser Verzerrungseffekt die Befragungen zum Thema biologische Vielfalt in dynamischer Weise beeinflusst. Der Effekt scheint nicht bei allen Befragten gleichermaßen aufzutreten, sondern in spezifischer Form mit dem Alter der Interviewten zusammenzuhängen. Dadurch bleibt ungewiss, welche Aspekte der biologischen Vielfalt der deutschen Bevölkerung tatsächlich wichtig sind und welche nicht. Aussagen über die gesellschaftliche Relevanz von biologischer Vielfalt, die sich auf die Gesamtbevölkerung beziehen, sollten aufgrund der Ergebnisse dieser Studie kritisch hinterfragt werden.

Zur Veröffentlichung:

Krause T, Jetzkowitz J (2023) Sozial erwünschtes Bewusstsein für biologische Vielfalt? Ein neuer Zugang zu einem bekannten Problem mit normativ aufgeladenen Befragungsthemen, Soziale Welt 74 (2), 245–272, DOI: 10.5771/0038-6073-2023-2-245

 

Die Autoren:

Thomas Krause, Forschungsstelle Glücksspiel der Universität Hohenheim

Jens Jetzkowitz, Thünen-Institut für Lebensverhältnisse in ländlichen Räumen

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