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© Anja Bunge / Thünen-Institut
Institut für

FI Fischereiökologie

Projekt

Populationsstruktur von Dorsch und Scholle in der Ostsee


Federführendes Institut OF Institut für Ostseefischerei

© A. Schütz

Bestandstrennung des Dorsches und Bestandsstruktur der Scholle in der Ostsee

In der Ostsee werden bislang nur die Bestände von zwei demersalen Fischarten - Dorsch und Scholle - über Fangquoten reguliert. Die Fangquoten bestimmen die Nutzungsintensität einzelner Fischbestände. Ziel ist ein maximaler Dauerertrag aus einem Bestand. Bei unklarer Bestandszuordnung besteht die Gefahr der Unter- oder Übernutzung benachbarter Bestände.

Diese Bestandstrennung wird heftig diskutiert, und es werden dringend neue Erkenntnisse benötigt, um die Bewertung der Fischbestände und das Fischereimanagement zu verbessern. Die Genetik, teilweise in Kombination mit anderen Methoden, ist das bewährte Instrument, um in den Bereichen Bestandsvermischung und Bestandsidentifizierung Fortschritte zu erzielen.

Hintergrund und Zielsetzung

Für ein nachhaltiges Management von Fischbeständen ist es wichtig, die Populationsstruktur einer Art zu kennen. Hinsichtlich des Dorsches werden in der Ostsee bislang zwei Bestände unterschieden: der Bestand der westlichen Ostsee (ICES Subdivision 22-24) und der Bestand der östlichen Ostsee (SD25-32), die sich in der Arkonasee (SD 24) nachweislich stark vermischen. Dies wurde im jüngsten ICES-Benchmark für die beiden Dorschbestände zwar berücksichtigt, dennoch bestehen weiterhin Unsicherheiten, die für eine bessere Bestandsvorhersage behoben werden müssen.

Um die Bestandsgröße möglichst genau abschätzen zu können, müssen die Dorsche im Vermischungsgebiet ihrem jeweiligen Bestand sicher zugeordnet werden. Dies ist insbesondere für den jeweils kleineren Bestand - derzeit der Dorschbestand der westlichen Ostsee - von großer Bedeutung, da übermäßige Fänge von Dorschen der östlichen Ostsee die Wahrnehmung des Bestandszustandes der Dorsche der westlichen Ostsee verzerren können. Deshalb sollen zuverlässige Methoden zur routinemäßigen Trennung der beiden Bestände entwickelt werden.

Zusätzlich soll ein Überblick über die historische Nutzung der Arkonasee (ab 1977) durch die beiden Dorschbestände gewonnen werden. Bisher reichen die Daten zur Vermischung nur zurück bis ins Jahr 1994. Allerdings existieren nur für 8 der 22 Jahre (1994 -2015) echte Messwerte; die Werte der verbleibenden 14 Jahre basieren ausschließlich auf Interpolationen. Für die Zeit vor 1994 gibt es keine Daten, obwohl gerade für die 1980er Jahre das Maximum der Dorschanlandungen dokumentiert ist. Die Periode ist daher für die Bestimmung von Referenzpunkten der Bestände von besonderem Interesse.

Bei der Scholle handelt es sich um eine andere Problematik: Im ICES-Benchmark zur Situation der Ostseescholle (ICES 2015 WKPLE) wurde festgestellt, dass „die Bestände der Scholle in der westlichen (SD21-23) und in der östlichen Ostsee (SD24-32) nur unzureichend definiert sind, und verfügbare Studien kein eindeutiges Bild zeigen.“ Die Bestandsstruktur der Scholle in der Ostsee zu ermitteln, ist jedoch für ein angemessenes Bestandsmanagement zwingend notwendig. Im Moment wird lediglich eine altersbasierte Einschätzung für einen Bestand (nämlich den in SD21-23) durchgeführt, wohingegen der Zustand des anderen Bestands nur basierend auf Daten zu relativen Häufigkeiten aus der Forschungsfischerei ermittelt wird. Beide Bestände zeigen ähnliche Entwicklungen, aber es ist damit zu rechnen, dass sich die Datengrundlage für den östlichen Bestand in der Zukunft qualitativ kaum verbessern wird. Tatsächlich ist es sogar so, dass die Nullhypothese, die besagt, dass es nur einen Bestand in der Ostsee gibt, bis heute nicht vollständig zurückgewiesen werden konnte. Sogar die genetischen Analysen, die während des Benchmarks präsentiert wurden, hatten größere Schwachstellen: so fehlten Daten aus dem zentralen Verbreitungsgebiet der Scholle in der Ostsee (SD22) und bis dahin verfügbare Proben waren nicht gleichmäßig über die Ostsee verteilt.

Deshalb soll hier die Bestandsstruktur der Ostseescholle analysiert und die Nullhypothese - "es gibt nur einen Bestand" - geprüft werden.

Zielgruppe

EU, ICES, HELCOM, Fischerei

Vorgehensweise

Dorsche aus wissenschaftlichen und kommerziellen Fängen aus dem Vermischungsgebiet (Arkonasee) werden mit Hilfe genetischer Marker (sog. SNPs, single nucleotide polymorphisms) ihrem Herkunftsbestand zugeordnet. Die Ergebnisse der genetischen Untersuchungen werden mit weiteren Methoden zur Bestandstrennung (z.B. Analyse von Ringstrukturen in den Otolithen der Fische, stabile Isotopenanalysen) verglichen und validiert. Die Kombination verschiedener Verfahren erlaubt es, aktuelle und historische Mischungsverhältnisse von westlichem und östlichem Dorsch in der Arkonasee zu quantifizieren. Den SNP-Ansatz wenden wir ebenfalls an, um die Populationsstruktur der Scholle in der Ostsee zu analysieren.

Die Durchführung molekularbiologischer Arbeiten findet in enger Zusammenarbeit mit der Universität Oslo und dem GEOMAR in Kiel statt. Des Weiteren nutzen wir die Infrastruktur des Thünen-Instituts für Forstgenetik. 

Ergebnisse

Für den Dorsch wurde eine genetisch validierte Methode der Bestandstrennung anhand von Otolithenumrissanalyse etabliert. Seit 2019 werden nun jedes Jahr die Vermischungsverhältnisse in den Dorschfängen der deutschen kommerziellen FIscherei und der Fischereiforschungsreise aus dem Gebiet der Arkonasee bestimmt, an den ICES übermittelt und für die Bestandvorhersage verwendet. Desweiteren wurde eine 40 Jahre zurückreichende Zeitserie mit Vermischungsverhältnissen von Ost- und Westdorsch in der Arkonasee erarbeitet, die bei dem Dorsch-Benchmark des ICES im Jahr 2019 due Grundlage dafür lieferte, dass die Zeitserie des Assessments beim Westdorsch jetzt bis in die 1980er Jahre  zurückreicht und beim Ostdorsch sogar bis in die 1940er Jahre extrapoliert werden konnte.

Die Analyse der Schollengenetik zeigte, dass die Schollen in Nord- und Ostsee eng verwandt sind und dass es innerhalb der Ostsee keine genetische Struktur gibt, die das Beibehalten von derzeit zwei getrennten Beständen rechtfertigt.

Thünen-Ansprechperson

Dr. Uwe Krumme

Telefon
+49 381 66099 148
uwe.krumme@thuenen.de

Beteiligte externe Thünen-Partner

Geldgeber

  • EU - Europäischer Meeres- und Fischereifonds (EMFF)
    (international, öffentlich)

Zeitraum

2.2016 - 3.2021

Weitere Projektdaten

Projektstatus: abgeschlossen

Publikationen

  1. 0

    Helmerson C, Weist P, Brieuc MSO, Maurstad MF, Schade FM, Dierking J, Petereit C, Knutsen H, Metcalfe J, Righton D, Andre C, Krumme U, Jentoft S, Hanel R (2023) Evidence of hybridization between genetically distinct Baltic cod stocks during peak population abundance(s). Evol Appl 16(7):1359-1376, DOI:10.1111/eva.13575

    https://literatur.thuenen.de/digbib_extern/dn066551.pdf

  2. 1

    Schade FM, Weist P, Dierking J, Krumme U (2022) Living apart together: Long-term coexistence of Baltic cod stocks associated with depth-specific habitat use. PLoS One 17(9):e0274476, DOI:10.1371/journal.pone.0274476

    https://literatur.thuenen.de/digbib_extern/dn065429.pdf

  3. 2

    Weist P, Jentoft S, Torresen OK, Schade FM, Pampoulie C, Krumme U, Hanel R (2022) The role of genomic signatures of directional selection and demographic history in the population structure of a marine teleost with high gene flow. Ecol Evol 12(12):e9602, DOI:10.1002/ece3.9602

    https://literatur.thuenen.de/digbib_extern/dn065728.pdf

  4. 3

    Smolinski S, Schade FM, Berg F (2020) Assessing the performance of statistical classifiers to discriminate fish stocks using Fourier analysis of otolith shape. Can J Fish Aquat Sci 77(4):674-683, DOI:10.1139/cjfas-2019-0251

    https://literatur.thuenen.de/digbib_extern/dn062063.pdf

  5. 4

    McQueen K, Casini M, Dolk B, Haase S, Hemmer-Hansen J, Hilvarsson A, Hüssy K, Mion M, Mohr T, Radtke K, Schade FM, Schulz N, Krumme U (2020) Regional and stock-specific differences in contemporary growth of Baltic cod revealed through tag-recapture data. ICES J Mar Sci 77(6):2078-2088, DOI:10.1093/icesjms/fsaa104

  6. 5

    Weist P, Schade FM, Damerau M, Barth JM, Dierking J, Andre C, Petereit C, Reusch TBH, Jentoft S, Hanel R, Krumme U (2019) Assessing SNP-markers to study population mixing and ecological adaptation in Baltic cod. PLoS One 14(6):e0218127, DOI:10.1371/journal.pone.0218127

    https://literatur.thuenen.de/digbib_extern/dn061382.pdf

  7. 6

    Moesgaard Albertsen C, Amosova V, Andersen M, Behrens JW, Willestofte Berg C, Bergenius M, Brander K, Cardinale M, Carlshamre S, Casini M, Cormon X, Eero M, Gertseva V, Haase S, Krumme U, McQueen K, Pierce ME, Schade FM, Strehlow HV, Weltersbach MS, et al (2019) Benchmark workshop on Baltic cod stocks (WKBALTCOD2). Copenhagen: ICES, 310 p, ICES Sci Rep 1(9), DOI:10.17895/ices.pub.4984

  8. 7

    Schade FM, Weist P, Krumme U (2019) Evaluation of four stock discrimination methods to assign individuals from mixed-stock fisheries using genetically validated baseline samples. Mar Ecol Progr Ser 627:125-139, DOI:10.3354/meps13061

  9. 8

    Eero M, Carlshamre S, Stepputtis D, Krumme U, Maioli F, Prista N, Schade FM, Santos J, Noack T, Valentinsson D, Nilsson H, Feekings JP, Storr-Paulsen M, Plikshs M, Bergström U, Håkansson KB, Radtke K (2019) Report on eastern baltic cod bycatch in non-targeted fisheries, mixing with western baltic cod in SD24, and stock situation in SDS 27-32. Copenhagen: ICES, 69 p, ICES Sci Rep 1(76), DOI:10.17895/ices.pub.5635

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