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Ein Mitarbeiter sammelt Ameisen auf einer Untersuchungsfläche.
© Thünen-Institut/BD
Ein Mitarbeiter sammelt Ameisen auf einer Untersuchungsfläche.
Institut für

BD Biodiversität

Zielbilder und Transformation

Um die Wirksamkeit und Effizienz von Agrarumweltmaßnahmen zu erhöhen, werden differenzierte Zielbilder für unterschiedliche Agrarräume entwickelt und Transformationspfade auf die Charakteristika der Agrarräume zugeschnitten. Die Transformationspfade zeigen auf, wie die biologische Vielfalt in Agrarlandschaften wirksam wiederhergestellt und gleichzeitig eine ausreichende Nahrungsmittelproduktion gewährleistet werden kann. Sie unterstreichen das Potential von Agrarlandschaften, in denen sich Biodiversität und landwirtschaftliche Produktion sinnvoll ergänzen. Die Transformationspfade beinhalten konkrete Schritte für jeweils angepasste landwirtschaftliche Produktionssysteme, die sich an agrarökologischen Prinzipien und Praktiken orientieren und die Lebensraumansprüche der zu fördernden Arten berücksichtigen.

Die Agrarökologie hat sich als richtungsweisender Ansatz in der Debatte zur Transformation unserer globalen Agrar- und Ernährungssysteme etabliert. Sie zielt darauf ab, die biologische Vielfalt in der Landwirtschaft zu fördern, die landwirtschaftliche Produktion zu diversifizieren (z. B. Mischkulturen, Fruchtfolgen), Ressourcen (z. B. Dünger und Arbeitskraft) effizient einzusetzen und Synergien zu schaffen (z. B. Agroforstwirtschaft). Gleichzeitig fördert sie geschlossene Kreisläufe und die Resilienz gegenüber Störungen (z. B. lokal angepasste, dürreresistente Kulturarten). Die Ergebnisse der bodenbiologischen Forschungsarbeiten finden unmittelbar Eingang in Handlungsempfehlungen für Landwirtinnen und Landwirte zu innovativen und neuen Maßnahmen, die der Nachhaltigkeit landwirtschaftlicher Produktionssysteme dienen und die Bodenbiodiversität fördern. Hier verknüpft dieser Arbeitsbereich die Arbeitsbereiche „Agrarsystemökologie“ und „Landschaftsökologie“, denn die reichhaltigen Erfahrungen zur effektiven Umsetzung agrarökologischer Praktiken, die in diesen beiden Arbeitsbereichen gewonnen werden, bilden eine wesentliche Grundlage für die Ausgestaltung agrarraumspezifischer Transformationspfade. Zudem zielt ein enger Austausch mit dem Arbeitsbereich „Monitoring und Indikatoren“ darauf ab, ein agrarräumlich differenziertes Bild von Zustand und Trends der Biodiversität und den zugrundeliegenden Prozessen wissenschaftlich fundiert abzubilden. Als konzeptionelle Grundlage für das Monitoring der biologischen Vielfalt in Agrarlandschaften erarbeiten wir eine Typisierung von Agrarräumen in Deutschland, die es uns zukünftig erlauben soll, agrarraumspezifische Aussagen zum Zustand und zur Entwicklung der biologischen Vielfalt treffen zu können.

Die Entwicklung agrarraumspezifischer Leitbilder und Zielbilder sowie darauf zugeschnittener Biodiversitätsziele soll es uns ermöglichen, agrarumweltpolitische Förderinstrumente an regionale und lokale sozial-ökologische Rahmenbedingungen anzupassen und ihre Wirksamkeit anhand agrarraumspezifischer Indikatoren zu überprüfen. 

Die Ergebnisse aus diesem Arbeitsbereich dienen der Politikfolgenabschätzung im landwirtschaftlichen Sektor auf nationaler (Deutschland), europäischer (EU) und globaler (FAO) Ebene.


Verantwortliche Wissenschaftler*innen:Jens Dauber, Sebastian Klimek, Christian Levers, Diana Sietz


Aktuelle Themen

Angepasste Zielbilder und Transformationspfade können agrarökologische Aktion und Politik zur Biodiversitätsförderung anregen.


Verantwortliche Wissenschaftler*innen: Jens Dauber, Sebastian Klimek, Diana Sietz


Überzeugende Zielbilder, die handlungsleitend wirksam sein sollen, zeigen, wie sich Biodiversität und Landwirtschaft in Deutschland idealerweise wirkungsvoll ergänzen. Basierend auf einer Typisierung der Agrarräume Deutschlands und den spezifischen Ursache-Wirkungsbeziehungen zwischen landwirtschaftlicher Produktion und biologischer Vielfalt werden agrarraumspezifische Zielbilder entwickelt. Sie beschreiben einen zukünftig angestrebten Zustand von Biodiversität und Ökosystemleistungen in der Landwirtschaft zusammen mit einer dafür notwendigen Transformation, d.h. einem nachhaltigen Umbau von landwirtschaftlichen Produktionssystemen und Agrarlandschaften. Zukünftige Transformationspfade sind auf die Charakteristika der Agrarraumypen abgestimmt.

Um die agrarraumspezifischen Pfade mit konkreten Schritten zu untermauern, entwickeln wir richtungsweisende Bewirtschaftungsansätze, die sich an agrarökologischen Prinzipien und Praktiken orientieren. Diese sind kontextspezifisch und zielen unter anderem darauf ab, die landwirtschaftliche Produktion zu diversifizieren (z. B. Mischkulturen, Fruchtfolgen), Ressourcen wie Dünger und Arbeitskraft effizient einzusetzen und Synergien zu schaffen (z.B. Agroforstsysteme). Die Bewirtschaftungsansätze werden so auf die Agrarraumtypen zugeschnitten, dass sie

  1. das gegenwärtige Niveau der landwirtschaftlichen Produktion,
  2. den aktuellen Zustand der Biodiversität und
  3. die zugrundeliegenden Ursache-Wirkungsbeziehungen berücksichtigen.

Klar definierte Zielbilder und Transformationspfade sollen es ermöglichen, biodiversitätsfördernde Maßnahmen effektiv umzusetzen und das Monitoring auf relevante Ursache-Wirkungsbeziehungen abzustimmen. Die Zielbilder helfen zu bewerten, ob und unter welchen Bedingungen existierende Biodiversitäts- und Agrarpolitiken wirksame Anreize setzen, um die Agrarräume Deutschlands nachhaltig umzugestalten. Für das Monitoring der Biodiversität in Agrarlandschaften werden angepasste Indikatoren-Sets entwickelt. Sie dienen dazu zu prüfen, ob die angestrebten Fortschritte erreicht werden.

Die Analyse von Archetypen bietet besondere Möglichkeiten, die Umgestaltung agrarischer Landsysteme in Deutschland zu fördern. Sie identifiziert Regionen, die potentiell von ähnlichen Transformationsansätzen profitieren können zusammen mit kontext-spezifischen Maßnahmen für eine wirksame Umgestaltung. Wir analysieren Archetypen, die typische Muster in den Wechselwirkungen zwischen Landwirtschaft, Biodiversität und anderen Eigenschaften agrarischer Landsysteme aufzeigen. Archetypen können helfen, Politikmaßnahmen auf typische Ursache-Wirkungsbeziehungen auszurichten und Maßnahmen in die erfolgversprechendsten Regionen zu lenken. Damit können sie die Wirksamkeit der Politiken wesentlich fördern.


Verantwortliche Wissenschaftler*innen: Christian Levers, Diana Sietz


Die undifferenzierte Umsetzung der Agrar- und Biodiversitätspolitik auf nationaler Ebene untergräbt ihre Wirksamkeit, z. B. beim Schutz von Vögeln auf landwirtschaftlichen Flächen. Die begrenzte Wirksamkeit kann auf die ausgeprägte Variabilität von Agrarlandschaften zurückgeführt werden, einschließlich der Wechselwirkungen zwischen der Landwirtschaft und der biologischen Vielfalt im Boden und auf den landwirtschaftlichen Flächen. Muster in dieser Variabilität bieten jedoch die Möglichkeit, politische Maßnahmen auf wiederkehrende Konfigurationen von Faktoren und Prozessen zuzuschneiden und Maßnahmen auf die vielversprechendsten Regionen zu konzentrieren. Die Analyse von Archetypen gibt Einblicke in wiederkehrende Muster in den Wechselwirkungen zwischen Landwirtschaft, biologischer Vielfalt, Ressourcennutzungsentscheidungen und Governance sowie in das Transformationspotential. Archetypen liefern synthetisiertes Wissen auf einer mittleren Abstraktionsebene. Dieses synthetische Wissen kann dazu beitragen, politische Maßnahmen und Transformationspfade auf wiederkehrende Merkmale von Agrarlandschaften zuzuschneiden, damit politische Maßnahmen ihre Ziele effektiver erreichen können. Die Analyse von Archetypen bezieht verschiedene Interessengruppen mit ein und fördert die wirksame Übertragung und Skalierung nachhaltiger Praktiken.

Archetypen zeigen wiederkehrende Muster und Trends in agrarischen Landsystemen, d.h. gemeinsame Merkmale und Verhaltensweisen auf regionaler Ebene auf. Die Kenntnis dieser Muster und Trends sowie ihrer räumlichen Ausprägung ermöglicht die gezielte Anpassung von Politikmaßnahmen und die Ausgestaltung künftiger Entwicklungspfade und damit verbundener transformativer Ziele. Darüber hinaus können zeitliche Dynamiken von Archetypen untersucht werden, die bei der Erfassung und Bewertung der Wirksamkeit von Politikmaßnahmen hilfreich sind. Die so gewonnenen Erkenntnisse können als Richtschnur für adaptive Managementansätze dienen, um das Erreichen der Transformationsziele sicherzustellen. Dies bietet einen besonderen Vorteil für Bemühungen, die auf den Transfer und damit eine weitere Verbreitung (out- und upscaling) nachhaltiger landwirtschaftlicher Praktiken abzielen. Regionen mit ähnlichen Merkmalen bieten die Möglichkeit, Praktiken, die sich in einzelnen Regionen als erfolgreich erwiesen haben, zu übertragen und weiter zu verbreiten. Die Analyse von Mustern in agrarischen Landsystemen und deren Veränderungen beruht auf der aktiven Einbeziehung verschiedener Interessengruppen. Dazu werden eine gemeinsame Sprache und ein gemeinsamer Rahmen für Diskussionen und Wissenstransfer entwickelt. Die integrativen Erkenntnisse, die die Archetypenanalyse liefert, stärken die evidenzbasierte Politikgestaltung und unterstützen die zielgerichtete Lenkung von Politikmaßnahmen zur Förderung einer nachhaltigen Landwirtschaft.

In diesem Forschungsthema gehen wir den folgenden übergeordneten Forschungsfragen nach:

  • Welche archetypischen Wechselwirkungen zwischen Landwirtschaft, Biodiversität, Ressourcennutzung und Governance zeichnen agrarische Landsysteme in Deutschland aus?
  • Welche Biodiversitätsmuster und -trends zeichnen sich in archetypischen Agrarlandschaften in Deutschland ab?
  • Welche Potentiale zeigen die Archetypen für die Übertragung und das weitere Verbreiten (out- und upscaling) erfolgreicher Politikmaßnahmen auf, um den Rückgang der biologischen Vielfalt aufzuhalten und umzukehren?
  • Welche differenzierten Transformationspfade können den Übergang zur Nachhaltigkeit in Deutschlands archetypischen Agrarlandschaften unterstützen?

Die globale Ernährungssicherheit ist eines der Hauptargumente, warum Maßnahmen zum Schutz und zur Wiederherstellung der biologischen Vielfalt in Deutschland nicht wirksam umgesetzt werden. Die starke Fokussierung der Debatte auf Erträge und Produktionsmengen als Garanten der Ernährungssicherung ist angesichts der politischen Klima- und Biodiversitätsziele jedoch höchst fragwürdig. Daher hinterfragen wir diesen Fokus und stellen die Argumente auf den wissenschaftlichen Prüfstand.


Verantwortliche Wissenschaftler*innen: Jens Dauber, Christian Levers


Es wird davon ausgegangen, dass landwirtschaftliche Praktiken, die die Auswirkungen der Produktionssysteme auf die natürliche Umwelt und insbesondere auf die biologische Vielfalt minimieren, wie sie z. B. im ökologischen Landbau und in der Agrarökologie angewandt werden, zu geringeren Erträgen führen. Unter der Annahme einer stabilen Nachfrage wird angenommen, dass dieses Produktionsdefizit Importe aus anderen Produktionsregionen auslöst, was dort zu einem Ausgleich der Auswirkungen auf die biologische Vielfalt führt. In solchen telegekoppelten Systemen wird davon ausgegangen, dass hohe Erträge zu positiven Nettoauswirkungen auf die biologische Vielfalt führen, da die Produktion auf eine kleinere Fläche konzentriert wird, wodurch natürliche Vegetation von der Umwandlung in landwirtschaftliche Nutzflächen verschont bleibt und somit zu Lebensräumen für intakte ökologische Systeme beiträgt. Diese Annahme trifft jedoch aufgrund von Rebound-Effekten in der Realität nicht zu (siehe: Jevons Paradoxon). Außerdem wird ein großer Teil der deutschen Pflanzenproduktion als Viehfutter und nicht für den direkten menschlichen Verzehr verwendet und trägt somit nur indirekt zur Ernährungssicherheit bei. Ein weiteres Problem ist die geringe Umwandlungseffizienz, die zu einem Verlust von Makro- und Mikronährstoffen führt.

Der zu erwartende Rückgang der Erträge und des Produktionsvolumens im Zusammenhang mit dem Übergang zu einer diversifizierten und naturverträglichen landwirtschaftlichen Produktion wird als eines der Hauptargumente gegen diesen Übergang angeführt. Durch die einseitige Betrachtung der Produktion und der damit verbundenen Gewinne werden wichtige negative externe Effekte ertragsorientierter Agrarsysteme vernachlässigt. Es liegt auf der Hand, dass wir angesichts der anhaltenden Klima- und Biodiversitätskrise nicht mit unserem derzeitigen Rollenmodell für landwirtschaftliche Produktionssysteme weitermachen können. Wie ist es zu rechtfertigen, dass wichtige Schritte in Agrarlandschaften zur Verbesserung der NKP und der biologischen Vielfalt angesichts dieser Fokussierung auf Erträge und Gewinne nicht unternommen werden? Wie stichhaltig ist diese Annahme und wie können wir nachweisen, dass andere Lösungen möglich sind, die ein Gleichgewicht zwischen der Produktion und der Erhaltung und Verbesserung der ökologischen Funktionen und der biologischen Vielfalt herstellen?

In diesem Forschungsthema gehen wir in Kooperation mit anderen Thünen-Fachinstituten diesem Problem anhand der folgenden Forschungsfragen nach:

  • Wie können die Zielkonflikte zwischen globaler Ernährungssicherheit und dem Erhalt der biologischen Vielfalt in der deutschen Landwirtschaft wirksam angegangen werden, und welche Strategien können eingesetzt werden, um beide Ziele gleichzeitig zu erreichen?
  • Was ist der nationale Biodiversitätsfußabdruck von landwirtschaftlicher Produktion, der direkt und indirekt (bzw. nicht) in den menschlichen Nahrungsmittelkonsum einfließt?
  • Was sind die möglichen zukünftigen Trends und Szenarien für den deutschen Agrarsektor, und wie könnten sich diese langfristig auf die globale Ernährungssicherheit und die biologische Vielfalt auswirken?
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