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Ökologischer Betrieb
© BLE, Bonn/Thomas Stephan
Ökologischer Betrieb
Institut für

BW Betriebswirtschaft

Projekt

Internationale Wettbewerbsfähigkeit der Schweineproduktion im Kontext von Tierwohlaspekten


Federführendes Institut BW Institut für Betriebswirtschaft

Schweine im Stall
© Thünen-Institut/Mandes Verhaagh
Schweine im Stall

Internationale Wettbewerbsfähigkeit der Schweineproduktion im Kontext von Tierwohlaspekten

Ausgewählte Maßnahmen für mehr Tierwohl und ihre betriebswirtschaftlichen Folgen auf die tierischen Leistungen, die Produktivität und Rentabilität der Betriebszweige Sauenhaltung und Schweinemast in Deutschland werden untersucht. Darauf aufbauend soll analysiert werden, inwiefern sich durch diese Maßnahmen die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Schweineproduktion ändert.

Hintergrund und Zielsetzung

Die Nutztierhaltung in Deutschland steht zunehmend unter Druck. Der Wissenschaftliche Beirat für Agrarpolitik (WBA) geht in seinem Gutachten zur Nutztierhaltung in Deutschland von der Einschätzung aus, „dass die derzeitigen Haltungsbedingungen eines Großteils der Nutztiere vor dem Hintergrund des gesellschaftlichen Wandels und neuer wissenschaftlicher Bewertungsansätze nicht zukunftsfähig sind“ (Wissenschaftlicher Beirat Agrarpolitik beim BMEL, 2015 S. 1). Tierwohl ist eines der bestimmenden Themen für die zukünftige Ausrichtung tierhaltender Betriebe. Für die Entscheider in schweinehaltenden Betrieben ist derzeit unklar, wohin die Reise genau geht und wie die Herausforderungen bewältigt werden können. Einerseits ist bei einem großen Teil der Landwirte die grundsätzliche Bereitschaft zur betrieblichen Umsetzung von Tierwohlsteigerungen vorhanden. Das zeigen z.B. die Beteiligungen an der Initiative Tierwohl (Initiative Tierwohl, 2015) und die steigende Anzahl teilnehmender Betriebe an der Ringelschwanzprämie (dpa, 2016) in Niedersachsen. Andererseits zeigt sich Verunsicherung bezüglich der Höhe der einzelbetrieblichen ökonomischen Auswirkungen, und es besteht seitens der Landwirte/Branchenvertreter Sorge um die Folgen von Tierwohlmaßnahmen auf die internationale Wettbewerbsfähigkeit. Immer wieder werden von der Politik oder der (Agrar-)Wirtschaft ökonomische Folgenabschätzungen gefordert (QS, 2016), gleichzeitig werden die wenigen vorhandenen und zudem meist unvollständigen Analysen in den politischen Diskurs über die Machbarkeit, Auswahl und Umsetzung der Maßnahmen eingebracht.

Ziel des Projektes ist es, die betriebswirtschaftlichen Auswirkungen ausgewählter Tierwohlmaßnahmen für regionaltypische schweinehaltende Betriebe in Deutschland zu ermitteln und zu vergleichen. Es sollen mindestens die folgenden Maßnahmen untersucht werden: Mehr Platzangebot, Alternativen zur betäubungslosen Ferkelkastration und der Verzicht auf das Schwänze-kupieren in der Ferkelerzeugung sowie die Gruppenhaltung im Deckzentrum und beim Abferkeln in der Sauenhaltung. Weitere Maßnahmen werden bei Relevanz und Bedarf hinzugefügt.
Je nach Rahmenbedingungen und möglichem Zugang zu den Märkten unterscheiden sich die praktischen Handlungsalternativen für den Faktoreinsatz, die Produktionsausrichtung und die Vermarktungsstrategien der Betriebe. Darüber hinaus ist die Wertschöpfungskette der Schweineproduktion innerhalb Deutschlands, der EU und global durch den Handel unterschiedlicher Produkte (Rohstoffe, Zwischen- und Endprodukte) geprägt, die durch unter-schiedliche Tierschutzstandards hinsichtlich ihrer Kosten und Erlöse unterschiedlich betroffen sein können. Im letzten Teil der Arbeit soll daher der Frage nachgegangen werden, wie sich unterschiedliche Tierwohlstandards auf den (teilstück-)spezifischen Handel und seine Strukturen auswirkt, wie diese Einflüsse zu analysieren sind und ob es unter der Betrachtung von Tierwohl als „Technologie“ auch zu inter-staatlicher Technologie-Diffusion durch Marktentwicklung oder politische Eingriffe kommen kann.

Vorgehensweise

Für die Analyse der Auswirkungen der Tierwohlmaßnahmen werden Daten von sogenannten „typischen Betrieben“ des internationalen agri benchmark Pig Netzwerkes genutzt. Dieses Datenkonzept der Betriebe beschreibt regional-repräsentative Betriebe, die durch Experten aus mehreren realen Betrieben erhoben, zusammengeführt und plausibilisiert werden. Damit wird die typische ökonomische Situation eines Betriebstypus in einer Region dargestellt. Für die Berechnungen sollen in Zusammenarbeit mit der Praxis (Beratung, Produzenten, Produzentenorganisationen) alle Änderungen und Auswirkungen auf den bestehenden Produktionsprozess identifiziert, spezifiziert, quantifiziert und die ökonomischen Auswirkungen analysiert werden (Vorgehensweise vgl. Verhaagh & Deblitz, 2016). Die Auswertung der betriebswirtschaftlichen Kennzahlen erfolgt in Anlehnung an das Modell TIPI-CAL. Damit ist eine Analyse und Prognose der „typischen Betriebe“ möglich und lässt eine gesamtbetriebliche Vollkostenrechnung zu, sodass die Auswirkungen der Tierwohlmaßnahmen auf den Gesamtbetrieb prognostiziert werden können.
Die Analyse der Handelsstrukturen und der Wettbewerbsfähigkeit im internationalen Kontext wird mit geeigneten Methoden durchgeführt. Dabei soll der intrasektorale Vergleich (benchmarking) zwischen den Betrieben einer Produktionsrichtung unter der Anwendung der genannten Tierwohlmaßnahmen aus den verschiedenen Ländern im Vordergrund stehen. Dazu werden die Ergebnisse der einzelbetrieblichen Analysen verwendet und mit Zusammenhängen weiterer makroökonomischer Daten (Im- und Export, Konsum und Verarbeitung) analysiert. Bei den Handelsstrukturen ist auf eine teilstückspezifische Betrachtung zu achten, um von der produktionsökonomischen Veränderung durch Tierwohlsteigerungen auf eine Veränderung im Handel und der Wettbewerbsfähigkeit schließen zu können.

Vorläufige Ergebnisse

Der agri benchmark Pig Report 2017 vergleicht regionstypische Betriebe vieler Länder und gibt einen Aufschluss über die Produktivität und die Wirtschaftlichkeit der Schweineproduktion aus dem Jahr 2016. Diese Analyse-Ergebnisse zeigen den aktuellen Standpunkt der deutschen Wettbewerbsfähigkeit der Ferkelerzeugung und Schweinemast:    
Die Leistungsdaten der deutschen Sauenbetriebe befinden sich hinsichtlich der Anzahl und der Gesamtgewichte der aufgezogenen Ferkel auf relativ hohem Niveau. Dies gilt auch im Vergleich zu den Konkurrenten aus Dänemark und den Niederlanden. Die Vollkosten der Sauenhaltung in den untersuchten deutschen Betrieben befinden sich mit Ausnahme des Top-Betriebes mit einer sehr kostengünstigen Futtergrundlage in einer Gesundlage tendenziell auf höherem Niveau als ihre Wettbewerber. Die Rentabilität der Sauenhaltung in den deutschen Betrieben befand sich im Jahr 2016 auf etwa vergleichbarem (Niederlande) bzw. etwas niedrigerem Niveau (Dänemark). Die höchste Rentabilität weisen die Betriebe in Vietnam, China und Russland auf. Die niedrigste Rentabilität zeigten die Betriebe in Frankreich, Spanien, Kanada und Südafrika. Hauptgrund für diese Entwicklungen war die unterschiedliche Entwicklung der Ferkelpreise.    
Der gleiche Blick auf die Ergebnisse der Schweinemast zeigt, dass ich die deutschen Betriebe im Hinblick auf die täglichen Zunahmen und die Futterverwertung im Mittelfeld befinden. Höhere tägliche Zunahmen weisen die Betriebe in Dänemark, den Niederlanden und Kanada auf. Diese Betriebe mästen allerdings auch auf niedrigere Endgewichte. Die Vollkosten der Schweinemast in den untersuchten deutschen Betrieben liegen im Vergleich zu ihren europäischen Konkurrenten vergleichbarer Größe gleichauf oder etwas höher. Die Situation stellt sich im Vergleich zu den direkten Konkurrenten Dänemark und Niederlande tendenziell besser dar als in der Sauenhaltung. Die integrierten Betriebe in Spanien haben hingegen deutliche Kostenvorteile gegenüber ihren deutschen Kollegen. Demgegenüber liegen die Kosten in China und Vietnam deutlich höher, was zum Teil auch die zunehmenden Importe Chinas erklärt. Der russische und die südafrikanischen Betriebe liegen auf einem mit Deutschland vergleichbaren Kostenniveau.
Das Beispiel der Umsetzung von mehr Tierschutz, der Verzicht auf die betäubungslose Ferkelkastration als erstes Beispiel, zeigt einen komplexen Eingriff in die bestehende Produktionsstruktur und hat sowohl produktionstechnische als auch betriebswirtschaftliche Auswirkungen. Untersucht wurden Szenarien der Ebermast, Impfung gegen Ebergeruch (Immunokastration) und der chirurgischen Kastration unter der Anwendung von einer Vollnarkose mit Isofluran oder per Injektion.    
Für die Jungebermast und die Impfung gegen Ebergeruch müssen die Ferkel nicht kastriert werden. Die ausbleibende Kastration führt durch Arbeitszeitersparnisse zu geringeren Kosten und einer Verbesserung der Wirtschaftlichkeit im Vergleich zur Ausgangssituation. Sowohl die Narkose durch Inhalation als auch die per Injektion führen in der Ferkelerzeugung zu deutlich steigenden Kosten durch den Einsatz des Veterinärs, medizinischen Zubehörs und einen höheren Arbeitsaufwand. Dadurch geraten die Betriebe in die Verlustzone. Der Rückgang des kalkulatorischen Gewinns liegt zwischen 10,71 EUR und 12,21 EUR pro 100 kg Lebendgewicht zwischen den Szenarien bzw. den Betrieben.    
Die betriebswirtschaftlichen Auswirkungen der Jungebermast und Immunokastration im Betriebszweig Schweinemast zeigen ein anderes Bild: Die neue Abrechnungsmaske sorgt – trotz optimaler Auslastung der Mastplätze – für einen Rückgang der Erlöse. Die dabei über-proportional sinkenden Produktionskosten pro 100 kg Schlachtgewicht aufgrund höherer Produktivität der Eber kompensieren den Erlösrückgang und sorgen für einen Unterschied im Betriebsergebnis von 0,26 EUR bis 2,62 pro 100 kg SG. Zusätzliche Investitionen in die Fütterungstechnik wirken sich nur marginal aus. Wird die Immunokastration mit zwei Impfungen durchgeführt, haben die männlichen Mastschweine zu Beginn der Mast ebenfalls höhere Tageszunahmen und können die Kosten der Impfungen kompensieren. Bei der Anwendung von 3 Impfungen – für ein sichereres Behandlungsergebnis – verschlechtert sich das Betriebsergebnis leicht im Vergleich zur Referenzsituation. Bei den Alternativen Ebermast und Immunokastration ist allerdings das Vermarktungspotential fraglich und es kann zu Akzeptanzproblemen bei den Verbrauchern durch Ebergeruch oder den Einsatz des Impfstoffes kommen.

Zeitraum

6.2016 - 4.2024

Weitere Projektdaten

Projektstatus: läuft

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