Modelle sind ein wesentlicher Teil der Forschung: Mit ihrer Hilfe beschreiben Forschende, wie sich etwa das Ernährungsverhalten oder das Klima in Zukunft gestalten werden. Grundlage dafür sind aktuelle Daten und Annahmen, die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler selbst treffen. Doch wer sind diese Menschen, die Modelle gestalten? Und welche Perspektiven fehlen in ihren Modellen? Diese Fragen stellt sich eine Gruppe von zehn Nachwuchswissenschaftler*innen im internationalen Forschungsnetzwerk AgMIP (Agricultural Model Intercomparison and Improvement Project). Gemeinsam haben sie gerade in der renommierten Fachzeitschrift The Lancet Planetary Health einen gemeinsamen Viewpoint veröffentlicht. Erstmals werden damit Einblicke in die Perspektive junger Forschender auf ein großes, globales Modellierungsprojekt veröffentlicht: die Planetary Health Diet (PHD) der neuen EAT-Lancet-Kommission.
Zu den Autor*innen gehört Dr. Ferike Thom, Wissenschaftlerin am Thünen-Institut für Betriebswirtschaft. Sie arbeitet im Forschungsprojekt TRIP, Treibhausgasreduktion durch innovative Züchtungsfortschritte bei alternativen pflanzlichen Proteinquellen, ein von der Bundesregierung über das Klimaschutzsofortprogramm gefördertes Projekt. Thom war während eines Forschungsaufenthalts am Joint Research Centre (JRC) der Europäischen Kommission in Sevilla an der Modellierung der Planetary Health Diet mit dem CAPRI-Modell beteiligt. „Für mich war das eine einzigartige Erfahrung, in einem so großen, internationalen Netzwerk mitarbeiten zu dürfen“, sagt Thom. „Ich habe viel darüber gelernt, wie Modelle funktionieren. Ich kann jetzt besser einordnen, wo die Stärken und Grenzen von CAPRI liegen“, sagt die Wissenschaftlerin.
In ihrem Beitrag für The Lancet Planetary Health reflektieren die Early Career Researchers über strukturelle Ungleichheiten in der globalen Forschung. Ein Beispiel: Während die Modelle Ernährungsumstellungen weltweit simulieren, befinden sich alle beteiligten Institutionen im globalen Norden. Auch Geschlechterunterschiede sind sichtbar: Unter den Nachwuchswissenschaftler*innen herrscht Geschlechterparität, während bei den Senior Scientists rund 80 Prozent Männer sind. Die Autor*innen plädieren daher für eine gerechtere und inklusivere internationale Forschungskultur, die Diversität und Nachhaltigkeit stärker vereint.
Darüber hinaus identifizieren sie Bereiche für die Weiterentwicklung der Modelle, beispielsweise die verbesserte Abbildung des Ernährungsverhaltens von Konsumierenden. Der Viewpoint hebt hervor, dass künftige Modellierungen die gesamte Wertschöpfungskette vom Anbau der Rohprodukte über Verarbeitung und Handel bis zum Verzehr von zusammengesetzten Lebensmitteln berücksichtigen sollten. Nur so lassen sich die ökonomischen, ökologischen und gesundheitlichen Folgen von Ernährungswandel wirklich umfassend bewerten.
„Damit wir realistische Zukunftsszenarien entwickeln können, müssen Modelle besser abbilden, wie sich Ernährungsverhalten tatsächlich verändern kann. Also müssen wir beispielsweise herausfinden, welche politischen, sozialen oder wirtschaftlichen Impulse Menschen dazu bringen, nachhaltiger und gesünder zu essen“, erklärt Thom. „Darin liegt großes Potenzial, um Modellierungsergebnisse aussagekräftiger und relevanter für politische Entscheidungen zu machen.“
Parallel zum Viewpoint erscheint in derselben Lancet Planetary Health-Sonderausgabe auch ein Artikel zu den globalen Auswirkungen der Planetary Health Diet, basierend auf den AgMIP-Modellierungsergebnissen der Planetary Health Diet, an dem Ferike Thom ebenfalls beteiligt war.








