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Das Video „Zeichen setzen für Inklusion“ als Text

Wie sind Sie auf die Idee zum Gebärdensprachcafé gekommen?

2021 hatten wir einen Institutsleiterwechsel. Die neue Institutsleiterin hat mich gefragt, ob ich Lust hätte, mit meinem Kollegen ein Gebärdensprachcafé zu machen und dort ein bisschen zu unterrichten. Und da habe ich gesagt „na klar“, würde ich gerne machen und habe die Idee angenommen.
 

Wann ist das Gebärdensprachcafé?

Das Gebärdensprachcafé ist einmal die Woche, immer mittwochs für 15 Minuten und dann unterrichte ich ein bisschen Gebärdensprache.
 

Was unterrichten sie genau im Gebärdensprachcafé?

Also normalerweise ist es so, wenn die Kollegen kommen, erkläre ich ihnen etwas über die Gehörlosenwelt. Ich zeige zum Beispiel Texte, erkläre, dass es in Deutschland ungefähr 80.000 Gehörlose gibt und wie deren Leben so aussieht. Und es gibt auch 1,3 Millionen Hörgeschädigte in Deutschland.
 

Sie bringen den Teilnehmern aber doch auch die Gebärdensprache bei?

Den Leuten, die kommen, erkläre ich verschiedene Sachen. Ich gebe ein bisschen Informationen zu Gehörlosen, zeige aber auch ein bisschen was. Wie beispielsweise Fingeralphabet und auch ein paar Begriffe, wie zum Beispiel „ich“, „du“ oder „Auto“. So ein paar Worte werden dann vermittelt. Auch Videos werden gezeigt. Zur Coronazeit konnte ich das nicht machen, da konnte ich den Raum nicht benutzen. Da habe ich die Leute halt über Webcam unterrichtet. Und dann hatte ich ein eigenes Video und habe gebärdet. Und auch die Worte immer erklärt.
 

Ich hörte von den Teilnehmern des Gebärdensprachcafés, dass Sie auch Witze erzählen. Würden Sie uns einen gebärden?

Ok. Ich erzähle jetzt einen Witz. Da ist ein Auto und es sitzen zwei Freunde drin. Es ist schon nachts und sie sind in einer Straße. Es ist dunkel und da sind überall Häuser und da ist schon das Licht aus. Und sie wissen nicht, in welchem Haus ihr Freund wohnt. Auf einmal hat der Eine die Idee. „Ich hupe einfach mal“. Er hupt. Überall gehen die Lichter an. Alle beschweren sich. Die Hunde bellen. Aber ein Haus bleibt dunkel. Da wohnt der Gehörlose. Da haben Sie ihren Freund gefunden und können ihn besuchen und klingeln. Da freut sich natürlich auch der Freund, dass sie da sind. Und er muss sich natürlich erst noch bei den Nachbarn entschuldigen.
 

Kann eigentlich jeder in das Gebärdensprachcafé kommen?

Ja. Sie können einfach selber kommen, selbst entscheiden, das hängt vom eigenen Interesse ab. Mal sind es mehr Leute, mal weniger, das ist ganz egal. Es passiert auch das jemand kommen wollte und dann absagt, aber das ist OK.
 

Wie ist das Feedback zur Veranstaltung?

Es war immer die Rückmeldung, dass es viel Spaß gemacht hat und alle motiviert waren und Lust hatten. Und wir haben viel über Gebärden gesprochen, also es war super.
 

Und können Ihre Kolleginnen und Kollegen jetzt alle Gebärdensprache?

Einige Kollegen können schon gebärden, aber nicht voll. Sie können nur ein paar Gebärden. Aber viele können sich mit mir verständigen und begreifen was ich sagen möchte.
 

Wie kommunizieren Sie sonst in AT?

Für meine Arbeit hier im Thünen-Institut ist z. B. immer wichtig, dass Emails geschrieben werden. Weil Kommunikation natürlich eine Herausforderung ist und dass ich dann eben darauf antworten kann. Weil telefonieren kann ich zum Beispiel nicht. Und jeder muss halt geduldig sein und langsam sprechen, damit man miteinander kommunizieren kann. Und wenn ich es nicht verstehe, dann muss es aufgeschrieben werden. Aber man darf dann keine schwierigen Formulierungen benutzen, sondern einfache Sprache.
 

Wie ist das wenn Sie mal in andere Institute oder zur Verwaltung gehen müssen?

Das ist eine schwierige Frage. Wenn ich in andere Institute gehen muss, dann müssen meine hörenden Kollegen langsamer sprechen. Die meisten sprechen sehr schnell. Das verstehe ich dann sehr schlecht. 30 Prozent kann ich verstehen, aber die restlichen 70 Prozent die gehen an mir vorbei. Und deswegen ist es sehr schwierig alles zu verstehen. Dann ist eben aufschreiben eine Lösung und das verstehe ich dann auch meistens.
 

Wie haben Sie bisher generell Inklusion am Thünen-Institut erlebt?

Also früher, als ich 1983 hierhergekommen bin, da gab es im Institut gar keine Dolmetscher. Ich war der einzige Gehörlose im Institut und ich war auch der erste Gehörlose. Es ist ja öffentlicher Dienst hier. Und dann so nach und nach, ungefähr 2016/17, da gab es ein Gespräch im Institut über die LOB-Punkte und dann habe ich gesagt: „Jetzt reicht's, Stopp! Ich brauche Dolmetscher“. Und dann bin ich zum Inklusionsamt gegangen und habe denen das gesagt. Die haben dann angerufen und haben gesagt „ja kein Problem“ und haben dann Dolmetscher bestellt. Dann ging das erst los.
 

Möchten Sie zum Schluss Ihren hörenden Kolleginnen und Kollegen noch etwas mitteilen? Was ist Ihnen besonders wichtig?

Ich würde es natürlich sehr begrüßen, wenn die hörenden Kollegen mehr Gebärdensprache könnten. Damit man einfach mal kommunizieren kann, denn die Gebärden kann ich nun mal verstehen. Und dass sie auch den Mut haben, sich mir gegenüber nicht verschlossen zu zeigen, sondern offen sind und auf mich zukommen.
 

Herr Kröckel, vielen Dank für die Gebärden!

 

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