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Expertise

Nachhaltigkeitszertifizierung von Soja: Der Round Table on Responsible Soy

Cordula Hinkes und Christina Handschuch


MA Institut für Marktanalyse

Die enorme Zunahme der Anbaufläche von Soja trägt maßgeblich zur Zerstörung tropischer Wälder bei. Können Nachhaltigkeitsstandards wie der RTRS das verändern?

Soja wird weltweit auf einer Fläche von rund 120 Millionen Hektar angebaut. Die bei weitem größten Anbauländer sind die USA und Brasilien, die mit rund 36 Millionen Hektar (USA) und 30 Millionen Hektar (Brasilien) jeweils fast 30 Prozent der globalen Soja-Anbaufläche ausmachen. In Brasilien und anderen südamerikanischen Ländern hat die enorme Zunahme der Soja-Anbaufläche in den vergangenen Jahrzehnten maßgeblich zur Zerstörung tropischer Wälder und anderer wertvoller Ökosysteme beigetragen.

Vor diesem Hintergrund sind eine Reihe von Nachhaltigkeitsstandards für den Sojaanbau entstanden, die neben ökologischen auch soziale Standardkriterien umfassen. In einer Studie des Thünen-Instituts wurden verschiedene relevante Zertifizierungssysteme für Soja analysiert und anhand ihrer Kriterien miteinander verglichen.

Der bekannteste und verbreitetste Nachhaltigkeitsstandard für Soja wurde durch den Round Table on Responsible Soy (RTRS) entwickelt.

Der RTRS wurde 2006 durch Akteure aus Industrie, Landwirtschaft und Zivilgesellschaft als Multi-Stakeholder-Initiative ins Leben gerufen. Nachdem 2010 der RTRS-Standard für verantwortungsvollen Sojaanbau verabschiedet wurde, konnten 2011 die ersten Unternehmen nach dem RTRS-Standard zertifiziert werden. Heute hat der RTRS über 160 Mitglieder, beispielsweise große Sojaproduzenten (Amaggi), Händler und Verarbeiter von landwirtschaftlichen Rohstoffen (Cargill), Unternehmen aus der Lebensmittelindustrie (Unilever), Lebensmitteleinzelhändler (COOP) und NGOs (WWF).

Neben dem Schutz von Wäldern und anderen natürlichen Ökosystemen umfasst der RTRS Standard auch andere ökologische sowie soziale Kriterien, beispielsweise hinsichtlich Pestizideinsatz, Biodiversität, Klimaschutz und Arbeitnehmerrechten. Da über drei Viertel der weltweiten Sojaproduktion als Tierfutter verwendet werden, fungiert der RTRS-Standard als Business-to-Business-Standard und ist somit für die Endverbraucher weitestgehend unsichtbar. 2019 wurden weltweit 264 Produzenten, die auf 1,1 Millionen Hektar Soja erzeugen, nach dem RTRS Standard zertifiziert. Ein Großteil der zertifizierten Fläche befindet sich in Brasilien (80%), gefolgt von Argentinien (15%) und Paraguay (3%).

Der RTRS wird häufig dafür kritisiert, dass die Agrarindustrie mit am Tisch sitzt und maßgeblich an der Entwicklung der Standardkriterien beteiligt ist. Einige NGOs haben sich bereits in der Anfangsphase des RTRS zurückgezogen und werfen dem Zertifizierungssystem vor, dass ihre Anregungen und Einwände im Entwicklungsprozess nicht ausreichend gehört wurden. Ein weiterer Kritikpunkt ist die Tatsache, dass gentechnisch gezüchtetes Saatgut kein Ausschlusskriterium ist.

Befürworter des RTRS argumentieren hingegen, dass nur ein Multi-Stakeholder-Prozess unter Beteiligung der Agrarindustrie in der Lage ist, einen allgemein akzeptierten Mindeststandard zu etablieren.

Neben den Kritikpunkten, die sich auf die Ausgestaltung des Zertifizierungssystems beziehen, stellt sich die Frage, ob ein Soja-Zertifizierungssystem überhaupt ein geeignetes Instrument für den Schutz tropischer Wälder und anderer natürlicher Ökosysteme sein kann. Ein Blick auf die zertifizierten Flächen zeigt, dass in Brasilien nur 3% der Soja-Anbauflächen nach dem RTRS-Standard zertifiziert sind. Um eine Umwandlung natürlicher Ökosysteme in Ackerland zu verhindern, müsste zertifiziertes Soja auf dem Weltmarkt die Norm und nicht die Ausnahme sein.

Innerhalb der EU gibt es Bestrebungen, den Anteil an regional angebauten Eiweißpflanzen zu erhöhen und gleichzeitig nur noch nachhaltig produziertes Soja einzuführen. So haben Deutschland und andere EU-Länder sich 2015 in der Erklärung von Amsterdam zu einer freiwilligen Selbstverpflichtung für entwaldungsfreie Lieferketten entschlossen. Im deutschen Forum Nachhaltigere Eiweißfuttermittel (FONEI), das durch die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) gefördert wird, bekennen sich unterschiedliche Akteure in Deutschland zu nachhaltigen, entwaldungsfreien Soja-Lieferketten. Eine steigende Nachfrage nach zertifiziertem Soja seitens der EU wird allerdings nur einen begrenzten Effekt haben, da fast 60% der globalen Soja-Exporte nach China verkauft werden.

Kennzahlen zum Sojaanbau (FAOSTAT 2021 und RTRS 2019)

Die 5 größten Sojaproduzenten weltweit

Land

Sojaproduktion in Mio. Tonnen

Anteil an der weltweiten Sojaproduktion

Brasilien

114,27

34%

USA

96,79

29%

Argentinien

55,26

17%

China

15,72

5%

Indien

13,27

4%

Global

333,67

 

Die 5 größten Sojaexporteure weltweit

Land

Sojaexporte in Mio. Tonnen

Anteil an den weltweiten Sojaexporten

Brasilien

74,07

48%

USA

52,39

34%

Argentinien

10,05

6%

Paraguay

4,90

3%

Kanada

4,01

3%

Global

155,39

 

Die 5 größten Sojaimporteure weltweit

Land

Sojaimporte in Mio. Tonnen

Anteil an den weltweiten Sojaimporten

China

88,59

58%

EU-28

16,99

11%

Mexiko

4,85

3%

Argentinien

4,55

3%

Ägypten

4,26

3%

Global

151,71

 

Die 5 Länder mit den meisten RTRS-zertifizierten Anbauflächen

Land

Soja-Anbaufläche in 1.000 Hektar

RTRS-zertifizierte Fläche in 1.000 Hektar

Anteil zertifizierter Soja-Anbaufläche

Brasilien

35.881

911

2,5%

Argentinien

16.576

167

1,0%

Paraguay

3.565

29

0,8%

China

8.423

24

0,3%

Uruguay

966

10

1,1%

Global

120.502

1.142

1,0%

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