Weiter zum Inhalt
Expertise

Wälder im (Klima-)Wandel: Fichte, Buche und Co. in schlechtem Zustand wie nie

Nicole Wellbrock | 28.04.2023


WO Institut für Waldökosysteme

Den Wäldern in Deutschland, besonders den Hauptbaumarten Fichte, Buche, Kiefer und Eiche geht es immer schlechter. Monitoringdaten aus knapp 40 Jahren Waldzustandserhebung belegen, dass Sturmereignisse, saurer Regen oder Schädlingsbefall in der Vergangenheit zu Krisen in den Wäldern geführt haben. Seit 2018 führt jedoch Klimawandel-bedingte, anhaltende Trockenheit zu einem nie dagewesenen Schadniveau.

Wälder bedecken rund ein Drittel der Fläche Deutschlands und bestehen zu 90 Prozent aus 11 Baumarten. Mit knapp zwei Dritteln aller Waldbäume dominieren vier Hauptbaumarten die Bestände: Fichte (Picea abies) mit 25 Prozent, Waldkiefer (Pinus sylvestris) mit 23 Prozent, Rotbuche (Fagus sylvatica) mit 16 Prozent sowie Eiche (Traubeneiche Quercus petraea und Stieleiche Quercus robur) mit 10 Prozent. Aber nur ein gesunder Wald kann seine Funktionen als Rohstoffquelle, Kohlendioxid-Senke, Wasserreservoir und Erholungsgebiet erfüllen.

Woran lässt sich erkennen, ob ein Wald gesund ist?

Wertvolle Hinweise darauf geben die Baumkronen. Bei der jeden Sommer durchgeführten Waldzustandserhebung werfen Inventurteams – ähnlich wie bei einem jährlichen Gesundheitscheck – einen prüfenden Blick in die Baumkronen und stufen den Grad der Kronenverlichtung (Nadel- und Blattverluste) im Verhältnis zu einem Referenzbaum in Fünf-Prozent-Stufen ein.

Kronenverlichtungen sind die Folge zahlreicher Faktoren, die sich ungünstig auf die Baumgesundheit auswirken. Dazu zählen die Menge des Stickstoffeintrags, die Witterung, aber auch Insekten- und Krankheitsbefall, Fruchtausbildung (Mastjahre) oder das Alter des Baumes. Deshalb sind Kronenverlichtungen ein wichtiges Indiz für geschwächte Bäume.

Daneben werden weitere Parameter aufgenommen, die Hinweise zur Vitalität der Bäume und zu den Ursachen von Kronenverlichtungen geben können. Etwa die Intensität der Fruchtausbildung, die Vergilbung von Blättern oder Nadeln, Insekten- und Pilzbefall sowie Stamm- und Kronenverletzungen.

Waldzustandserhebung in Kürze

Bereits seit 1984 in den alten Bundesländern und seit 1990 im gesamten Bundesgebiet wird die Waldzustandserhebung als Teil des europäischen Waldmonitorings und des bundesweiten Umweltmonitorings (ForUm) durchgeführt.

Die Erhebung erfolgt auf einem systematischen 16 x 16 km Stichprobennetz (Level-I-Netz) an ca. 10.000 Bäumen und ermöglicht auf Bundesebene repräsentative Ergebnisse für die wichtigsten Baumarten. Die Daten werden am Thünen-Institut für Waldökologie ausgewertet und fließen in den nationalen Waldzustandsbericht des BMEL ein.

 

Nur jeder fünfte Baum ist noch ohne Schäden

Bei der aktuellen Waldzustandserhebung ist deutlich geworden, wie stark der Einfluss der drei Rekordtrocken- und Hitzejahre 2018, 2019 und 2020 gewesen ist – nur jeder fünfte Baum ist nicht von Kronenverlichtung betroffen (kartografische Übersicht).

Das zeigt, dass sich trotz der niederschlagsreichen Folgejahre der Waldboden bisher nicht erholt hat. Drei Winterstürme in kurzer Abfolge im Februar 2022 haben dementsprechend zu mehr Windwurf und Totholz geführt.

Kronenverlichtung: alle Baumarten

Die Absterberate für die Fichte ist im Vergleich mit "Anderen Nadelbäumen" (ANB) und "Anderen Laubbäumen" (ALB) auf einen neuen Rekordwert von 4,4 Prozent gestiegen. Im Gegensatz dazu ist die Absterberate für alle anderen untersuchten Artengruppen leicht gesunken.

Der deutlich erhöhte Peak in der Kategorie ALB liegt unter anderem am Eschentriebsterben, einer Pilzkrankheit.

Absterberate: alle Baumarten

Fichte stirbt, Buche leidet, Kiefer stark verschlechtert, Eiche ohne Erholung

Besonders betroffen sind Nadelbäume, allen voran die Fichte (Picea abies), die in Bezug auf die Absterberate Rekorde bricht. Ein Faktor, der diese Entwicklung begünstigt, ist die großflächige Kultivierung der trockenheitsanfälligen Baumart als Monokultur. Geschwächt durch Wassermangel werden die oft reinen Fichtenbestände besonders anfällig für den Befall von Borkenkäfern und gegenüber Stürmen. Die Folge: Die Nadeln beginnen braun zu werden, abzufallen und die Bäume sterben ab.

Fichten sind mit etwa 25 Prozent Flächenanteil die meistvertretenen Nadelbäume in Deutschlands Wäldern. Als schnell wachsende Holzlieferanten sind sie viele Jahrzehnte großflächig angebaut worden. Mit zunehmender Trockenheit kann die aus nordischen Wäldern stammende, feuchtigkeits- und kälteliebende Baumart allerdings schlecht umgehen. Ihr damit verbundenes großflächiges Absterben verändert schon seit einigen Jahrzehnten und besonders in den letzten Jahren deutlich das Gesicht der Wälder.

Rotbuchen (Fagus sylvatica) zählen zu den häufigsten Laubbäumen in Deutschlands Wäldern. Ohne menschlichen Einfluss wäre die Buche sogar die häufigste Baumart in Deutschland.

Bereits seit vielen Jahren leiden sie unter zu wenig Niederschlag und den anhaltend hohen Stickstoffeinträgen über die Luft. Das belegt der über die Zeit ansteigende Anteil an Kronenverlichtung ebenso, wie die immer kürzeren Abstände der Mastjahre, die für geschwächte Bestände sprechen.

Auch wenn die Buche nach den letzten Trockenjahren den Höhepunkt der Absterberate 2021 hatte und sich die Werte in der aktuellen Erhebung leicht verbessert haben, kann nicht von einer Erholung der Bestände gesprochen werden.

Noch nie wurde in den Waldzustandserhebungen ein so geringer Anteil an gesunden Waldkiefern (Pinus sylvestris) dokumentiert wie bei der letzten Erhebung 2022. Die mittlere Kronenverlichtung liegt im Bereich der Buche und Eiche; damit zeigt sie immerhin noch einen deutlich besseren Wert als die Fichte.

Eigentlich ist die Kiefer mit ihren tiefen Wurzeln an Trockenheit angepasst, aber andauernde Trockenheit und Hitze machen auch ihr zu schaffen.

Eichenbestände (Traubeneiche Quercus petraea und Stieleiche Quercus robur) werden relativ alt und sind somit besonders anfällig gegenüber Schadursachen. Insbesondere biotische Schadgemeinschaften wie z.B. der Eichenprozessionsspinner in Verbindung mit Mehltau befallen regelmäßig die Bestände und führen zu Phasen mit besonders hoher Kronenverlichtung.

 

Schlechte Zeiten sind nicht neu

Ähnlich schlechte Zustände der Baumkronen hat es in der Historie der Waldzustandserhebungen bereits in zwei anderen Zeiträumen gegeben:

Zwischen 2003 und 2006 war das Schadniveau annähernd so hoch wie derzeit – eine Folge des Trockenjahres 2003 und der damit verbundenen Wasserknappheit. Extremwetterlagen als Folge des Klimawandels wie Rekordhitzesommer und Stürme, z.B. Orkan „Kyrill“ im Jahr 2007, haben sich demnach schon vor knapp 20 Jahren deutlich und negativ im äußerlichen Erscheinungsbild der Waldbäume bemerkbar gemacht. Da es sich jedoch um einzelne Jahre handelte, konnten sich die Wälder in Zeiten besserer Witterung wieder erholen. Trotzdem sind die weiterhin hohen Stickstoffeinträge eine Belastung für die Wälder.

Ein weiterer, noch früherer Einbruch der Waldgesundheit zeigt sich zwischen 1991 und 1994 als Folge des sauren Regens in den 1980er Jahren. Schwefeloxide aus der Industrie werden in der Luft zu Schwefelsäure und fallen als saurer Regen später wieder auf die Erde. Im Boden führen sie zu einer Versauerung, zu Nährstoffungleichgewichten und schädlichen Aluminiumkonzentration für Baumwurzeln. Dies wurde als „Waldsterben“ bezeichnet. Als politische Gegenmaßnahmen der Bundesregierung zur Eindämmung des Ausstoßes von Schwefeloxiden sind die Einführung des Katalysators bei Autos und von Filteranlagen in der Industrie erlassen worden. Zusätzlich wurden Kalkungen in den Wäldern vorgenommen, um die Versauerung zu neutralisieren. Zwar haben sich die Baumbestände dadurch erholt, aber die Versauerung der Waldböden hat bis heute Folgen für die Waldgesundheit.

Hilfe für die Wälder

„Der Wald ist ein Patient, der unsere Hilfe braucht“, sagte Cem Özdemir, Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft, bei der Veröffentlichung des 2022er Waldzustandsberichtes. Aber welche Maßnahmen helfen dem Wald?

Ein Schlüssel sind artenreiche Wälder, die im Gegensatz zu Fichten-Monokulturen resilienter sind, d.h. sich besser an Klimawandel-bedingte Extremwetterlagen anpassen können. Zur Verbesserung dieser Ökosystemleistungen der Wälder hat die Bundesregierung Waldbesitzern 900 Millionen Euro pro Jahr bereitgestellt. Verschiedene EU-Verordnungen wie das Nature Restauration Law oder das Soil Health Law sollen Wälder besser schützen.

Schritte in diese Richtung sind der Umbau in Laubwald-betonte, ungleichaltrige, klimastabile Mischwälder mit „Zukunftsbaumarten“ bzw. die “assisted migration” – die Beschleunigung der natürlichen Wanderung von Baumarten aus trockenen Klimaten in unsere Breiten. Welche Baumarten sich als "Zukunftsbäume" in Deutschlands Wäldern etablieren, ist standortabhängig und wird aktuell erforscht. Generell sind damit Baumarten gemeint - oftmals heimische - die besser mit Trockenheit zurechtkommen und dennoch frostige Winter überleben.

An den Thünen-Instituten für Forstgenetik und für Waldökosysteme laufen zahlreiche Forschungsprojekte zur Züchtung klimastabiler Waldbaumarten, zum Waldumbau und zu Maßnahmen gegen Trockenstress.

Nach oben