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Expertise

Pflanzenschutzmittel reduzieren: Wie und zu welchen Kosten?

Marcel Dehler, Thomas de Witte | 27.04.2023


BW Institut für Betriebswirtschaft

Am Beispiel eines Modell-Ackerbaubetriebes im Boden-Klima-Raum „Südhannover“ wurde abgeschätzt, wie Landwirt*innen typischerweise vorgehen, wenn der Einsatz von chemischen Pflanzenschutzmitteln verringert werden soll, und wie hoch ihre Anpassungskosten sind.

Chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel sind ein bedeutender Bestandteil des konventionellen Ackerbaus in Deutschland. Sie haben dazu beigetragen, die Flächenproduktivität zu erhöhen und die Ertragsverluste zu mindern – dadurch haben sie einen wesentlichen Beitrag zur Ernährungssicherung geleistet. Andererseits haben Pflanzenschutzmittel negative Auswirkungen auf die Biodiversität, und ihre Abbauprodukte sind in Grund- und Oberflächengewässern zu finden. Daher möchte die Politik den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln und die damit verbundenen Risiken auf europäischer Ebene bis zum Jahr 2030 um 50 % senken. Vor diesem Hintergrund ist das Thünen-Institut für Betriebswirtschaft in einem Projekt der Frage nachgegangen, wie die Risiken gemessen werden können und zu welchen Kosten sie reduziert werden können.
 

Wie messen?

Es gibt viele unterschiedliche Indikatoren, mit denen sich der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln messen lässt. Mengenindikatoren haben den Vorteil, dass sie vergleichsweise einfach zu erfassen sind. Im Hinblick darauf, Umweltrisiken zu mindern und Biodiversität zu fördern, gelten jedoch Risikoindikatoren als besser geeignet. Innerhalb der Gruppe der Risikoindikatoren gibt es verschiedene Ansätze: Einer dieser Indikatoren ist der aus Dänemark stammende Pesticide Load Indicator (PLI). Dabei werden die Wirkstoffe sehr transparent anhand ihrer Wirkstoffeigenschaften in den Bereichen Umweltverhalten sowie der Umwelt- und Humantoxizität bewertet. Dazu werden die potenziellen Wirkstoffrisiken mithilfe verschiedener Unterindikatoren und Stellvertreterorganismen ermittelt.
 

Wie passen sich landwirtschaftliche Betriebe an?

Analysen anhand eines typischen Modellbetriebs im Boden-Klima-Raum „Südhannover“ zeigen folgendes Anpassungsverhalten von Landwirt*innen: Um den PLI ausgehend vom Status quo um 25 % zu senken, werden Landwirt*innen zunächst höher toxische Wirkstoffe durch solche mit einem geringeren PLI ersetzen. Ebenso werden Unkräuter verstärkt mechanisch reguliert; an die Stelle von Totalherbiziden vor Sommerungen tritt ebenfalls die mechanische Bodenbearbeitung. Wenn keine kulturindividuelle PLI-Reduktion gefordert wird und Alternativkulturen zur Verfügung stehen, werden die Landwirt*innen Kulturen mit einer geringen Direkt- und arbeitserledigungskostenfreien Leistung (DAKfL) je eingesetzter PLI-Einheit (wie z.B. Raps durch Körnermais) ersetzen. Bei einer Halbierung des PLI sind zusätzlich ein kulturübergreifend reduzierter Fungizid- und Insektizideinsatz oder spätere Saattermine im Getreide geeignet, um die Risiken durch Pflanzenschutzmittel zu mindern.

Welche Anpassungskosten resultieren daraus?

Die Anpassungskosten hängen stark von der politischen Umsetzung der Reduktionsziele und der daraus resultierenden Flexibilität der Landwirt*innen ab. Es hat sich grundsätzlich gezeigt, dass die Anpassungskosten umso geringer sind, je größer die Flexibilität für Landwirt*innen ist:

Bei einer kulturindividuellen PLI-Reduktion um 25 % sind für den typischen Modellbetrieb Veränderungen der DAKfL von + 25 €/ha bei Zuckerrüben bis hin zu - 60 €/ha bei Stoppelweizen zu erwarten. Muss der PLI kulturindividuell um 50 % gesenkt werden, steigt die Spannweite der Anpassungskosten zwischen den Kulturen weiter an. Während der PLI bei Raps mit Kosten von rund 50 €/ha halbiert werden kann, sinkt die DAKfL bei Stoppelweizen oder Winterweizen nach Silomais um rund 150 €/ha.

Müssen die Einsparungen jedoch lediglich auf betrieblicher Ebene realisiert werden, sind Anpassungskosten zwischen etwa 10 und 20 €/ha zu erwarten (s. Abbildung). Die Produktion, hier ausgedrückt in Veränderung der erzeugten Getreideeinheiten (GE), schwankt dabei zwischen +4 bis maximal -5 %. Bei einer PLI-Reduktion um 50 % steigen die Anpassungskosten überproportional stark an, sodass mit einem betrieblichen DAKfL-Rückgang zwischen etwa 80 und 125 €/ha zu rechnen ist. Auch der Produktionsrückgang fällt mit einer Verringerung der erzeugter GE zwischen 0 und 7 % stärker ins Gewicht. Nicht berücksichtigt sind darin Extremjahre (z.B. in Folge eines hohen Schaderregerauftretens), in denen die Kosten auf bis zu 175 €/ha steigen können.

Nähere Informationen gibt der Thünen Report 104.

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