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Expertise

Beispiel Rindfleisch: Klimaschutz global denken

Katrin Agethen, Claus Deblitz | 19.01.2023


BW Institut für Betriebswirtschaft

Wie groß sind bei der Rindfleischproduktion die Potenziale zur Reduzierung der THG-Emissionen? Ein Vergleich typischer Produktionssysteme in Deutschland und Brasilien zeigt, dass das deutsche System besser abschneidet – selbst dann, wenn Brasilien seine großen Reduktionspotenziale nutzt.

Mastrinder in Deutschland stammen überwiegend aus der Milchviehhaltung. Ihre Mast erfolgt in Ställen auf der Grundlage von Silomais, Kraftfutter und Getreide. Die Produktion ist rückläufig; seit 2015 ist Deutschland Nettoimporteur von Rindfleisch. Neben Europa ist Südamerika die wichtigste Herkunftsregion für importiertes Rindfleisch.

In Brasilien stehen Rinder ganzjährig auf der Weide und stammen fast ausschließlich aus der Mutterkuhhaltung. Das Land hat die größte Rinderpopulation der Welt und ist wichtigster Exporteur von Rindfleisch mit steigendem Exportvolumen. Dennoch werden 80 % des erzeugten Rindfleischs im Inland konsumiert.
 

Rentabilität und Emissionen im Vergleich

Untersuchungen, die das Thünen-Institut im weltweiten Netzwerk agri benchmark durchgeführt hat, erbrachten interessante Ergebnisse. Im Jahr 2021 kostete die Produktion eines Kilogramms Rindfleisch in Brasilien ca. 2,80 €, in Deutschland ca. 4,10 €. Noch stärker sind jedoch die Unterschiede bei den Treibhausgas-(THG-)Emissionen, und diese Rechnung fällt zugunsten von Deutschland aus.

Die Summe der Emissionen aus Verdauung, Wirtschaftsdünger-Management und Futtererzeugung, umgerechnet in CO2-Äquivalente (CO2äq), liegt in einem typischen Rindermastbetrieb Brasiliens bei rund 27 kg CO2äq je kg Rindfleisch, im typischen konventionellen Mastbetrieb Deutschlands nur bei ca. 8 kg CO2äq. Ein Hauptgrund für diesen großen Unterschied ist, dass die langsam wachsenden Rinder in Brasilien viel höhere Methanemissionen pro Kilogramm Rindfleisch verursachen. Im klassischen Weidemastverfahren stehen den Tieren lediglich der Grasaufwuchs sowie zusätzlich Mineralstoffe zur Verfügung. Der saisonal stark variierende Grasaufwuchs und das vorherrschende Weidemanagement limitieren die Mastleistungen.


Mögliche Maßnahmen zur Emissionsminderung

Der Schlüssel zur Reduzierung der THG-Emissionen und Erhöhung der Produktivität im brasilianischen System liegt im Weidemanagement, genauer gesagt in der Unterteilung der oft riesigen Weideflächen in kleinere Parzellen. Auf diesen Parzellen werden dann leistungsfähigere Grassorten verwendet, und die Rinder werden in regelmäßigen Abständen auf eine frische Parzelle getrieben. Diese Änderung begünstigt die Futteraufnahme sowie die Futterverwertung und führt letztlich zu einem schnelleren Wachstum der Tiere. Bisweilen werden sogar Wald-Weidesysteme eingeführt, die zusätzliche Beiträge zu Klimaschutz und Klimaanpassung erbringen. Durch die Kombination solcher Maßnahmen lassen sich die THG-Emissionen je Kilogramm Fleisch annähernd halbieren. Außerdem sinken die Gesamtkosten je kg Rindfleisch.

In der deutschen Rindermast stehen im Wesentlichen technische Lösungen zur THG-Minderung zur Verfügung, beispielsweise die Abdeckung von Güllebehältern, verbesserte Ausbringungstechnik sowie Zusatzstoffe in Fütterung und Güllelagerung zur Senkung der Methanemissionen. Diese Maßnahmen sind vergleichsweise teuer und ohne positive Effekte auf die Tierleistung.

Die THG-Emissionen eines Kilogramms Rindfleisch sind allerdings auch in verbesserten brasilianischen Weidemast-Verfahren deutlich höher als aus der deutschen Produktion. Dies liegt unter anderem daran, dass Rindfleisch in Deutschland vorwiegend als Koppelprodukt der Milch anfällt. In Brasilien hingegen geht es vorrangig aus der Mutterkuhhaltung hervor. In der THG-Bilanz müssen die Emissionen der Mutterkuhherde vollständig dem Rindfleisch zugeschlagen werden, während in deutschen Systemen ein großer Anteil auf die erzeugte Milch entfällt.

Dass die derzeit gängige Praxis in Brasilien nur zögerlich verändert wird, hat mehrere Gründe: Bestehende Verfahren sind zumindest kurzfristig rentabel. Das nötige Wissen zur Umstellung auf neue Landnutzungs- und Mastsysteme fehlt. Steigende variable Kosten bedeuten zusätzliches finanzielles Risiko. Der Zugang zu Kapital fehlt oder ist wenig attraktiv. Außerdem gibt es bisher weder in Brasilien noch in Deutschland klimapolitische Anreize, die eine Verbesserung der THG-Bilanz für die Betriebe wirtschaftlich lukrativ machen würde.

Was bedeutet das für die Klimapolitik?

Trotz der Diskussionen um die Klimawirkung steigt die Nachfrage nach Rindfleisch global weiter an. Der stärkste Zuwachs wird dabei in Regionen mit vergleichsweise hohen Emissionsintensitäten erwartet. Demgegenüber sind die EU und insbesondere Deutschland bestrebt, die Emissionen aus der Nutztierhaltung zu senken.

Diese Konstellation kann bei einem emissionsintensiven Produkt wie Rindfleisch klimapolitisch kontraproduktiv wirken. Wenn Rinderbestände in Deutschland oder der EU aufgrund einer ambitionierten Klimaschutzpolitik abgebaut werden, der Konsum von Rindfleisch aber nicht in gleichem Maße abnimmt, füllen Importe mit höheren THG-Emissionen die Lücke. Am Ende verursacht die globale Rinderhaltung dann mehr und nicht weniger THG-Emissionen.

Die eleganteste Lösung für dieses Problem wäre eine weltweite CO2-Bepreisung, die alle Sektoren der Volkswirtschaft umfasst. Klimamaßnahmen werden dann durch die Marktkräfte automatisch dorthin gelenkt, wo sie je Euro den größten klimaschützenden Effekt erbringen. Die EU will ein solches System etablieren, allerdings zunächst ohne Einbeziehung des Agrarsektors.

Da eine globale CO2-Bepreisung einschließlich des Agrarsektors derzeit nicht in Sicht ist, lohnt es sich, für den Agrarsektor nach Second-best-Lösungen zu suchen. Das könnte z.B. die Einbeziehung von Klimaschutzinvestitionen in bilateralen Handelsabkommen sein, oder auch die Einführung eines CO2-Grenzausgleichs an den EU-Außengrenzen.

Das Netzwerk agri benchmark steht bereit, um die vielen Diskussionen, die es hierzu gewiss noch geben wird, mit konkreten Zahlen aus den wichtigsten Produktionsregionen zu unterfüttern.

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