Weiter zum Inhalt
Expertise

Auswirkungen des Brexit auf die deutsche Hochseefischerei

Ralf Döring | 24.03.2023


SF Institut für Seefischerei

Am 24.12.2020 haben sich die Europäische Union (EU) und das Vereinigte Königreich (VK) auf einen Vertrag bezüglich des Handels und zukünftiger Zusammenarbeit geeinigt (Post-Brexit-Abkommen). Bestandteil dieses Vertrags ist auch eine Einigung über die Fangmodalitäten der Fischerei.

Die britischen Gewässer beherbergen außerordentlich reiche Fanggründe. Fischereifahrzeuge anderer EU-Staaten erwirtschafteten daher in der Ausschließlichen Wirtschaftszone des Vereinigten Königreiches (s. Grafik) einen deutlich größeren Anteil ihrer Fangquoten als umgekehrt.

Mit dem Auslaufen der Übergangsphase ist das VK nun nicht mehr in die Gemeinsame Fischereipolitik der EU einbezogen. Das neue Abkommen ermöglicht den europäischen Fischern zwar weiter einen Zugang zu den Gewässern des Vereinigten Königreichs, ihr Anteil an den festgelegten Gesamtfangmengen sinkt jedoch, und zwar schrittweise um etwa 25 % bis Ende 2025, bezogen auf den Wert der Gesamtfänge in den britischen Gewässern im Jahr 2020.
 

Thünen-Institut untersucht Auswirkungen

Bis zum 31.12.2020 waren die Briten Teil der internen Quotenverteilung in der EU. Sie besagt, dass jeder Mitgliedstaat einen festen Anteil an der EU-Gesamtquote bekommt (Prinzip der „relativen Stabilität“). Nun steigt der Anteil des VK und die EU kann intern weniger verteilen. Dabei sind die Mitgliedstaaten unterschiedlich stark betroffen.

Der mögliche Anteil Deutschlands an den gesamten Erlösverlusten der EU, so hat es das Thünen-Institut ermittelt, liegt von 2021 bis 2025 im Vergleich zu 2020 bei 9,8 %. Allerdings sind dies nur sehr grobe Abschätzungen, da Fangquoten und Fischpreise stark schwanken – niemand kann derzeit vorhersagen, wie sich diese beiden Parameter für die Jahre 2021 bis 2025 entwickeln werden.

Auf einzelne Fischarten bezogen, zeigen sich ebenfalls große Unterschiede. So ist z.B. vereinbart worden, bei der Nordsee-Scholle keine Änderung der Verteilung der Fangmöglichkeiten vorzunehmen. Die EU erhält hier also genauso viel an der festgelegten Gesamtfangmenge wie 2020. Deutlich anders sieht es für Nordsee-Hering und Makrele im Nordostatlantik aus: Für Hering reduziert sich der EU-Anteil von 75,9 % (2020) auf 71,3 % (2021) und weiter auf 67,7 % (2025). Bei Makrele war der EU-Anteil 2020 41,7 %; er lag 2021 bei 35,2 % und sinkt im Jahr 2025 dann auf 30,8 %.

Obwohl die Anteile an der Gesamtfangmenge für die EU deutlich weniger stark sinken als befürchtet (britische Fischer forderten bis zu 80 % der Gesamtfangmengen für sich), führt die Vereinbarung zu einem empfindlichen Verlust für die EU-Fischer. Prognostiziert wurde für Deutschland – bezogen auf Quoten und Erlöse von 2020 – für 2021 ein möglicher Verlust von etwa 1,1 Mio. € Anlandeerlöse beim Hering und 3,3 Mio. € für Makrele.

Tatsächlich wurde bei der Makrele dann 2021 noch etwa die Hälfte der Quote für 2020 angelandet und damit auch nur noch etwa 10 Mio. € gegenüber etwa 22 Mio. € im Jahr 2020 erlöst. Der Rückgang ist deutlich höher als prognostiziert; hier haben die Unternehmen aber Makrelenquote im Tausch für andere Quoten abgegeben und somit weniger von ihrer ursprünglich für 2021 zur Verfügung stehende Makrelenquote genutzt. Beim Nordseehering sanken die Anlandungen von etwa 29.440 Tonnen im Jahr 2020 auf 25.410 Tonnen im Jahr 2021, was einem Erlösverlust von etwa 1,3 Mio. € entspricht. Auch bei anderen wichtigen Fischarten für die deutsche Fischerei, wie Seezunge oder Seelachs, kam es zu Verlusten – etwa 2 Mio. € bei Seezunge, 2,2 Mio. € bei Seelachs. Jedoch spielen auch hier noch andere Faktoren wie die Auswirkungen der Corona-Pandemie für den Rückgang eine Rolle.
 

EU unterstützt betroffene Fischereien

Bis 2025 werden die Quotenanteile der europäischen Fischer weiter sinken und sich die Verluste für die Fischerei entsprechend aufsummieren. Aus diesem Grund unterstützt die EU ihre Fischerei mit der sogenannten „Brexit Adjustment Reserve“. Es wird allerdings unerlässlich sein, dass sich die stark betroffenen Fischereien an die neue Situation auch langfristig anpassen.

Um entsprechende Strukturanpassungen zu unterstützen, kann die „Reserve“ ein wertvolles Werkzeug sein. Das Thünen-Institut für Seefischerei hat an der Richtlinie mitgearbeitet, die die Verteilung der Gelder regelt und von der EU-Kommission im März 2023 genehmigt wurde. Der Sektor kann nun u.a. Zahlungen für endgültige Stilllegungen erhalten, ebenso wie Investitionshilfen für Maßnahmen zur Diversifizierung der Fangtätigkeit. Auch eine Unterstützung zur Verbesserung der Vermarktung und der Anpassung von Fischverarbeitungskapazitäten ist nun möglich.
 

Effekte auf den Handel noch unklar

Ändern sich durch den Brexit auch die Handelsströme mit Fisch und Fischprodukten? Darüber ist dem Thünen-Institut noch nichts Näheres bekannt. Allerdings gab es nach dem Brexit besonders aus dem VK Meldungen, dass der Export in die EU deutlich schwieriger geworden ist. Die Analyse der Handelsströme hat in der Vergangenheit ergeben, dass die Briten vor allem Rohwaren exportiert, während Fertigwaren importiert werden (auch aus Deutschland). Für Deutschland sah die Handelsbilanz positiv aus – so wurden im Jahr 2016 Fischerzeugnisse für 230 Millionen Euro exportiert, während Waren für 105 Millionen Euro importiert wurden. Ergebnisse, ob und in welche Richtung sich die Handelsbilanz nach dem Brexit verändert hat, liegen dem Thünen-Institut noch nicht vor.

...aus den Medien

Interview mit Dr. Ralf Döring über den Brexit und eine Neuaufteilung der Fangquoten im Thünen-Magazin Wissenschaft erleben 2020/1

3sat makro: Ausgefischt – Die Nordsee und der Brexit (29.11.2019, 28:48 min)
Fernsehsendung, u.a. mit Dr. Ralf Döring, Thünen-Institut für Seefischerei
Fortsetzung der 3sat-Doku vom 22.03.2019

3sat makro: Brexit: Good bye, fish and chips? (22.03.2019, 28:43 min)
Fernsehsendung, u.a. mit Dr. Ralf Döring, Thünen-Institut für Seefischerei

Nach oben