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Kommentar

Insektensterben!

Jens Dauber | Mai 2018


BD Institut für Biodiversität

Sag mir wo die Insekten sind, wo sind sie geblieben? Diese Frage bewegt die Medien spätestens seit der Veröffentlichung von Daten des Entomologischen Vereins Krefeld im Jahr 2017. Sie zeigten, dass die Biomasse der Fluginsekten, die in entsprechenden Fallen gefangen wurden, innerhalb der letzten 27 Jahre um mehr als 75 % abgenommen hat.

Die Untersuchungen der Krefelder Entomologen waren nicht dazu konzipiert, langfristige Entwicklungen der Insektenbiomasse oder der Insektengemeinschaften systematisch und repräsentativ zu beobachten. Vielmehr wurden Daten aus vorhandenen Einzelstudien ausgewertet. Dennoch ist – auch durch die gelungene Vermarktung der Ergebnisse – ein Disput darüber entbrannt, ob diese Aussagen denn haltbar seien, ob sie auf ganz Deutschland übertragbar seien und vor allem, wer oder was den Rückgang verursacht hat.

Wie auch immer sich dieser Disput entwickelt: Wichtig ist, dass diese Arbeiten ein politisches Fenster weit aufgestoßen haben, das bislang verschlossen war – trotz der schon jahrzehntelang existierenden wissenschaftlichen Belege zur alarmierenden Situation der biologischen Vielfalt in Agrarlandschaften. Nun starten sowohl der Bund als auch die Länder Aktivitäten, um mit wissenschaftlichen Methoden nachzuweisen, wie sich Biomasse, Artenzahl und Häufigkeit von Insekten und anderen wichtigen Organismengruppen entwickeln und welche Steuergrößen für diese Trends verantwortlich sind.

Die in der politisch-gesellschaftlichen Debatte nun explizit gestellte Frage nach den Ursachen für den Rückgang der Insekten stellt die Biodiversitätsforschung vor Herausforderungen: Zum einen gilt es, die schon existierende Evidenzbasis (d.h. die auf empirische Belege gestützten Kenntnisse) zusammenzutragen und übergeordnet auszuwerten. Zum anderen muss ein systematisches Monitoring der biologischen Vielfalt in Agrarlandschaften konzipiert und umgesetzt werden, welches nicht nur die Trends erfasst, sondern auch kausale Schlussfolgerungen zulässt. Dies ist wichtig, um die Politik nicht alleine über Trendentwicklungen zu informieren, sondern auch beraten zu können, an konkret welchen Stellschrauben gedreht werden sollte, um Veränderungen herbeizuführen.

Angesichts der fundamentalen Bedeutung der von Insekten erbrachten Ökosystemleistungen wie Bestäubung, natürliche Schädlingskontrolle oder Bodenfruchtbarkeit können sich Forschung, Gesellschaft und Politik nicht länger auf Windschutzscheiben-Orakel („Früher klebten doch viel mehr tote Insekten an unseren Autos“) verlassen, wenn es um effektiven Schutz und insbesondere Nutzung der biologischen Vielfalt in Agrarlandschaften geht. Bund und Länder sind gefragt, über Ressort- und Institutionsgrenzen hinweg ein koordiniertes Monitoring der biologischen Vielfalt auf die Beine zu stellen. Dessen Ziel muss ein, sowohl langfristige Trends und Perspektiven abzuleiten als auch kurzfristig, durch Einbeziehen schon vorhandener Kenntnisse, Optionen für die aktuelle Ausrichtung der Landwirtschaft zu erarbeiten.

Als wichtige Vorarbeit für diesen Prozess hat das Thünen-Institut, gemeinsam mit anderen nationalen Akteuren, ein Konzept für ein Biodiversitätsmonitoring in der offenen Agrarlandschaft entwickelt. Wir arbeiten daran, dass aus dem geplanten „Aktionsprogramm Insektenschutz“ möglichst kein Aktionismusprogramm wird.

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Jens Dauber
Institut für Biodiversität
Institutsleiter
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