Weiter zum Inhalt

Folge 22: Patient Ostsee

Ist das Ökosystem noch zu retten?

05.06.2025

Die Ostsee steht vor gewaltigen Problemen. Das Meer wird seit Jahrhunderten intensiv durch den Menschen genutzt, es leidet unter Eutrophierung, Klimawandel, Vermüllung, Verkehr und sinkenden Fischbeständen. Liegt das Rezept für die Gesundung des Küstenmeeres an Land?

„Exzessive Nährstoffeinträge bringen ein Gewässer zum kippen. Das ist, glaube ich, aus dem Garten bekannt. Und da ist unsere Ostsee leider nicht anders.“

Prof. Dr. Oliver Zielinski ist Direktor des Leibniz-Instituts für Ostseeforschung Warnemünde und Professor für Erdsystemforschung an der Universität Rostock.

Die Folgen des menschlichen Einflusses auf das Ökosystem Ostsee sind inzwischen überall mess- und sichtbar: wärmeres Oberflächenwasser, Blaualgenplagen im Sommer, daraus resultierende sauerstofffreie Zonen in der Tiefe, abnehmende Fischbestände, eine verschwindende Küstenfischerei. 

Die Ostsee ist ein besonderes Meer. Weil viele große Flüsse in dieses Randmeer entwässern, ist sie ein Brackwassermeer mit geringer Biodiversität. Sie hat keine Gezeiten und für den Wasseraustausch mit dem Atlantik gibt es nur kleine Meerengen. Sie erwärmt sich viel schneller als andere Küstenregionen. All diese Aspekte machen die Ostsee zu einem idealen Untersuchungsgebiet, um die Folgen von Klimawandel und Eutrophierung auf Küstenmeere zu beobachten und damit zu erkennen, was anderen Küstenmeeren in Zukunft bevorsteht.

Beispiel Nährstoffbelastung: Bezogen auf die gesamte Ostsee kommen zwei Drittel der Nährstoffe aus der Landwirtschaft. In Deutschland allerdings stammt der mit mehr als 50 Prozent größte Anteil aus der Atmosphäre. Stickstoff gelangt in erster Linie über Verbrennungsprozesse, wie sie in Kraftwerken oder Dieselmotoren stattfinden, in das Meer. An zweiter Stelle folgt die Landwirtschaft mit Düngemitteln als Verursacher, dritte große Quelle sind Industrie- und Haushaltswässer. Doch es geht nicht allein darum, die weitere Zufuhr zu begrenzen, sondern auch darum, wie die vorhandenen Nährstoffe wieder aus dem Meer herauskommen. Selbst wenn der Nährstoffeintrag ab sofort vollständig versiegt, würde es mindestens 30 Jahre dauern, bis sich die Nährstofffrachten spürbar reduzieren. Bis vor wenigen Jahren wurden Nährstoffe in Form von Fisch aus dem Meer entnommen. Inzwischen sind die Bestände so klein, dass keine nennenswerten Mengen mehr geerntet werden. 

„Das Problem liegt an Land, man müsste es da auch lösen. Wenn es in der Ostsee ist, ist es eigentlich schon zu spät.“

Dr. Uwe Krumme ist stellvertretender Leiter des Thünen-Instituts für Ostseefischerei. Er leitet die Arbeitsgruppe Lebende Meeresressourcen.

Die Gäste dieser Folge, Prof. Dr. Oliver Zielinski und Dr. Uwe Krumme, haben ihr Forschungsobjekt jeden Tag vor dem Fenster. Die Wissenschaftler nähern sich in dieser Folge einer möglichen Lösung für das kranke Ökosystem Ostsee an. Für beide ist klar: Die Lösung für die Genesung der Ostsee – und für alle weiteren Küstenmeere der Erde – liegt an Land. Die Ostsee ist eine dauerhafte Senke für alle Einträge aus dem riesigen Einzugsgebiet, das sie durch die vielen Flüsse hat. Deshalb rettet sie nur, wer die Meer-Land-Grenze im Denken und Handeln überwindet.

Weiterführende Links und Literatur:

Die Gäst*innen:

Prof. Dr. Oliver Zielinski ist Direktor des Leibniz-Instituts für Ostseeforschung Warnemünde und Professor für Erdsystemforschung an der Universität Rostock. 

Dr. Uwe Krumme ist stellvertretender Leiter des Thünen-Instituts für Ostseefischerei. Er leitet die Arbeitsgruppe Lebende Meeresressourcen.

Neuen Kommentar schreiben

Kommentare (0)

Keine Kommentare gefunden!
Nach oben