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Folge 2: Ist da noch ein Platz frei?

Flächenkonkurrenz in deutschen Meeresgebieten

29.09.2022

In Nord- und Ostsee wird um jeden Quadratmeter gerungen: Traditionelle Nutzungsformen wie die Fischerei konkurrieren zunehmend mit Windpark-Betreibern, Reedern, Rohstoffproduzenten, dem Militär, Umwelt- und Naturschutz um den knappen Meeresraum. Mit dem Argument der notwendigen Energiewende setzen sich die Offshore-Energieerzeuger derzeit gegen viele andere Interessen durch. Wie könnte eine gedeihliche Co-Existenz aller Interessengruppen aussehen?

"Aktuell haben wir knapp acht Gigawatt Leistung Offshore-Windenergie in Nord- und Ostsee stehen. Bis 2045 sollen es 70 Gigawatt werden. Wir haben im Vergleich relativ wenig Meeresfläche zur Verfügung. Da wird es dann schon eng."
Karina Würtz, Stiftung Offshore-Windenergie

Um die im Koalitionsvertrag vereinbarten 70 Gigawatt Strom aus Offshore-Windenergie umzusetzen, reicht der zur Verfügung stehende Platz nicht aus, um die Raumansprüche aller Nutzer*innen inklusive des Meeresnaturschutzes zu erfüllen. Die Meeresflächen in der deutschen Ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) wären zum Teil mehrfach überplant. Co-Nutzungen von Flächen, etwa der Windparkflächen durch bestimmte Formen der Fischerei oder Aquakultur, sind technisch möglich und in anderen Ländern wie Dänemark oder dem Vereinigten Königreich auch erlaubt. In Deutschland ist dies bisher grundsätzlich untersagt – auch mit dem Argument, dass der Nutzungsausschluss aus Windenergiegebieten den Eingriff in die Natur kompensiert und somit dem Naturschutz dient.

Unsere Gäste Karina Würtz, Stiftung Offshore-Windenergie, und Dr. Gerd Kraus, Thünen-Institut für Seefischerei, diskutieren Fragen wie: Können wir durch eine ökologisch und ökonomisch sinnvollere Aufteilung des Meeresraumes und geschickte Kombinationen auf einer Fläche mehrere Nutzungen so miteinander verzahnen, dass einerseits eine friedliche Co-Existenz aller Akteure und ihrer berechtigten Interessen möglich wird und andererseits auch die übergeordneten gesellschaftspolitischen Ziele der Energiewende und des Naturschutzes in Einklang gebracht werden? Wäre es beispielsweise möglich, die Co-Nutzung von Windparkflächen dort zuzulassen, wo der ökologische Wert der Flächen eher gering ist, und sie mit Aquakultur (z.B. Algenzucht in der Ostsee, Muschelzucht in der Nordsee) oder mit stiller Fischerei auf bestimmte hochwertige Speisefisch- oder Krebsarten zu kombinieren? Können Windparks in ökologisch besonders wertvollen Gebieten wie Biodiversitätshotspots den Naturschutz fördern?

Unsere Gäste

Karina Würtz ist Geschäftsführerin der Stiftung Offshore-Windenergie. Die Ökonomin und Politologin ist seit vielen Jahren im Bereich erneuerbare Energien aktiv. Zuletzt leitete sie einen Offshore-Windpark vor Helgoland. Die Stiftung Offshore-Windenergie wurde 2005 auf Initiative des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit gegründet, um Offshore-Windenergie in den Energiemix Deutschlands zu integrieren. Beteiligt waren auch alle Küstenländer und sämtliche Wirtschaftsbereiche, die sich in der Offshore-Windenergie engagieren.

Dr. Gerd Kraus ist Fischereibiologe und leitet das Thünen-Institut für Seefischerei in Bremerhaven. Die Forschung dort ist Grundlage der Beratung der Politik zu allen Fragen des Schutzes und der nachhaltigen Nutzung der Meeresressourcen in der Nordsee und im Nordatlantik. Sie dient aber auch als Basis für die Erarbeitung eines integrierten Fischereimanagements, das Schutz- und Nutzungsziele verbindet und nachhaltige Lösungen für die Koexistenz unterschiedlicher Nutzungsformen zulässt.

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