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Institut für

OF Ostseefischerei

Sterblichkeit von Dorschen

Ein großer Teil der durch Angler gefangenen Dorsche hat das gesetzliche Mindestmaß von derzeit 38 Zentimetern noch nicht erreicht und muss daher zurückgesetzt werden. Im Rahmen dieser Pilotstudie wurden die Überlebensraten von zurückgesetzten Dorschen aus der Angelfischerei geschätzt.

Bisher wurden in Europa die Auswirkungen der Freizeitfischerei (insbesondere der Angelfischerei) auf marine Fischbestände häufig unterschätzt. Dabei haben verschiedene Studien aus Nordamerika und Australien bereits gezeigt, dass bei einigen marinen Fischbeständen der Befischungsdruck durch die Freizeitfischerei sehr hoch sein kann und in manchen Fällen den der kommerziellen Fischerei sogar übersteigt. Die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union sind erst seit dem Jahr 2008 verpflichtet, den Umfang der Dorsch- bzw. Kabeljaufänge (Gadus morhua L.) durch die Freizeitfischerei zu evaluieren.

Der Dorsch ist eine der wichtigsten marinen Zielfischarten in europäischen Gewässern - sowohl für die kommerzielle Fischerei als auch für die Freizeitfischerei. Bisherige Untersuchungen ergaben, dass die europäischen Dorschfänge und -rückwürfe der Freizeitfischerei zum Teil einen erheblichen Umfang haben. Dies gilt insbesondere für den Dorschbestand der westlichen Ostsee. Tatsächlich wurde die jährlich durch die deutsche Angelfischerei aus der Ostsee entnommene Dorsch-Biomasse in den Jahren 2005 bis 2010 auf 34 % bis 70 % der jährlichen Anlandemenge der deutschen kommerziellen Fischerei aus demselben Gebiet geschätzt. Auch Studien anderer Ostsee-Anrainer wie z.B. Dänemark und Schweden zeigen, dass die Dorschentnahme durch die Freizeitfischerei in der Ostsee nicht vernachlässigbar ist. Diese Ergebnisse lassen den Bestand des Ostseedorsches deutlich produktiver erscheinen, wodurch auch die potentielle Entnahmemenge ansteigen würde. Bisher wurden diese Entnahmen aber nicht in den Bestandsberechnungen des Internationalen Rates für Meeresforschung (ICES) berücksichtigt, obwohl sie zumindest einen Teil der großen Varianzen in den bisherigen Bestandsschätzungen erklären könnten. Durch die Einbeziehung der Freizeitfischerei ergibt sich daher ein großes Potenzial für eine Steigerung der Präzision zukünftiger Bestandserhebungen und einer Verbesserung des Managements.

Ein großer Teil der durch Angler gefangenen Dorsche hat das gesetzliche Mindestmaß von 38 Zentimetern noch nicht erreicht und muss daher zurückgesetzt werden. Für die deutsche Angelfischerei wird der Anteil an zurückgesetzten Dorschen in den Jahren 2009 und 2010 auf 375 bzw. 405 Tonnen geschätzt, was etwa 2,2 Millionen bzw. 1,3 Millionen freigelassenen Fischen oder 60% (2009) bzw. 37% (2010) aller geangelten Dorsche entspricht. Zum Vergleich, die Rückwürfe aus der deutschen kommerziellen Fischerei wurden für die westliche Ostsee auf 423 (2009) und 390 Tonnen (2010) geschätzt.

Trotz dieser hohen Rückwurfraten existieren in der Literatur fast keine Informationen über die Überlebensraten zurückgesetzter Dorsche und der potenziellen nicht-letalen Auswirkungen des Fangens-und-Zurücksetzens auf die Fische. Bisher konnte daher keine Aussage darüber getroffen werden, was mit den zurückgesetzten Dorschen geschieht, wodurch eine präzise Berechnung der fischereilichen Mortalität durch die Angelfischerei nicht möglich war. Angesichts der großen Bedeutung der Dorschangelei für den westlichen Ostseedorschbestand war daher eine Untersuchung der Mortalitätsraten dringend erforderlich, um die Schätzungen der entnommenen Dorsch-Biomasse durch die Freizeitfischerei weiter zu verbessern.

Im Rahmen dieser Pilotstudie wurden (1) die Überlebensraten von zurückgesetzten Dorschen aus der Angelfischerei geschätzt, (2) Faktoren, die einen Einfluss auf die Sterblichkeit haben, ermittelt und (3) die Auswirkungen des Fangens-und-Zurücksetzens auf die Fische untersucht. Hierzu wurden in vier separaten Experimenten von April bis Juli 2012 mit Hilfe von freiwilligen Anglern Dorsche von einem Hochseeangelkutter aus geangelt. Parallel wurden mit Hilfe von Fischfallen schonend Kontrollgruppen gefangen, um die Effekte des eigentlichen Angelvorgangs auf die Fische quantifizieren zu können. Alle Dorsche wurden jeweils für mindestens zehn Tage in schwimmenden Netzkäfigen unter möglichst natürlichen Bedingungen in der Ostsee gehalten und beobachtet. Während der Hälterung wurden detaillierte Daten über den Gesundheitszustand, die Überlebensraten und das Verhalten der Fische sowie die vorherrschenden Umweltbedingungen gesammelt.

Insgesamt variierte die bereinigte Sterblichkeitsrate für die geangelten Dorsche zwischen 0,0 % und 27,3 % (Mittelwert mit Standardfehler: 11,2 % ± 22,0 %). Etwa 85 % der toten Fische starben innerhalb der ersten 24 Stunden nach dem Fangprozess. Mit Hilfe einer multiplen logistischen Regression konnte das Vorhandensein von Wundblutungen und eine Erhöhung der Wassertemperatur als Einflussvariablen ermittelt werden, welche die Sterblichkeit signifikant erhöhen. Zusätzlich wurde bei einigen überlebenden Dorschen eine langsame Heilung der Hakenwunden (> 10 Tage) und die Entwicklung von bakteriellen Wundinfektionen beobachtet.

Die Ergebnisse zeigen, dass ein großer Teil der zurückgesetzten Dorsche überlebt und somit dem Bestand nicht verloren geht. Insgesamt ist diese Studie ein sehr wichtiger Beitrag, um die Genauigkeit der Dorschentnahmeschätzungen durch die Angelfischerei zu erhöhen und somit das zukünftige Management des westlichen Ostseedorschbestandes zu verbessern. Die gewonnenen Erkenntnisse können außerdem als Basis für Managementempfehlungen bzw. artspezifische „Guidelines“ zur Verringerung der Mortalität dienen (z.B. Empfehlung von widerhakenlosen Haken) und dazu beitragen, die Entwicklung einer nachhaltigen und zukunftsfähigen Angelfischerei auf den Dorsch zu fördern.

 

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