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Institut für

WI Innovation und Wertschöpfung in ländlichen Räumen

Zahlen & Fakten 04/2025

Kunst- und Kulturschaffende in ländlichen Räumen

Gesine Tuitjer, Petrik Runst | 18.09.2025 | PDF-Download

  • In Deutschland sind ca. 210.000 selbständige Künstlerinnen und Künstler in der Künstlersozialkasse versichert. Allein 40 Prozent von ihnen leben in Berlin, Hamburg, München und Köln.
  • Zwischen dem Grad der Verdichtung einer Region und dem Anteil von Künstlerinnen und Künstlern an den Erwerbstätigen besteht allerdings nur ein schwacher Zusammenhang.
  • Auch einige ländliche Regionen, wie Lüchow-Dannenberg und Starnberg, sind „Hotspots“ für selbständige Künstlerinnen und Künstler.

In einer wissensbasierten Gesellschaft ist Kreativität ein zentraler Motor für Innovation und Wachstum. Kulturschaffende und Kreative gelten daher als wichtige Impulsgeber für die wirtschaftliche Entwicklung von Regionen.[1] 2023 waren in Deutschland rund zwei Millionen Personen in Berufen der Kunst- und Kreativwirtschaft tätig,[2] mehr als doppelt so viele wie in der Landwirtschaft. Etwa zehn Prozent der Kunst- und Kulturschaffenden sind als Selbstständige in der Künstlersozialkasse (KSK) versichert. Wir betrachten im Folgenden, wie sie räumlich verteilt sind. Kunst wird oft als urbanes Phänomen wahrgenommen, das ein inspirierendes soziales und kulturelles Umfeld und eine kritische Masse an Konsumenten benötigt. Die Verteilung der Versicherten der Künstlersozialkasse bestätigt dieses Bild grundsätzlich (Abbildung 1). Der Anteil selbstständiger Künstlerinnen und Künstler an allen Erwerbstätigen steigt im Mittel von den sehr ländlichen, über die eher ländlichen zu den urbanen Räumen an. Urbane Räume weisen dabei einen mehr als dreimal so hohen Anteil auf wie die sehr ländlichen Räume. Der Anteil selbstständiger Künstlerinnen und Künstler an den Erwerbstätigen variiert darüber hinaus mit der sozioökonomischen Lage ländlicher Regionen. Ein eindeutiger Zusammenhang besteht jedoch nicht, wie der Vergleich sehr ländlicher und eher ländlicher Regionen zeigt. 

 Abbildung 1: Selbstständige Künstler*innen je 10.000 Erwerbstätige 2023 nach Raumtyp

Balkendiagramm

Anm.: Abgrenzung und Klassifikation ländlicher Räume gemäß Thünen-Typologie.
Quelle:  Versichertendaten der Künstlersozialkasse, eigene Berechnungen.

Abbildung 2: Erwerbstätigenanteil selbststd. Künstler*innen und Erwerbstätigendichte 2023

Highcharts Diagramm

Anm.: Jeder Punkt steht für einen der 400 Kreise Deutschlands. Die höchsten Werte sind farblich hervorgehoben, entsprechend der Farbgebung in Karte 1.
Quelle: Versichertendaten der Künstlersozialkasse, eigene Berechnungen.

Auswertungen auf Kreisebene ergeben eine starke Konzentration der Kunst- und Kulturwirtschaft auf wenige Großstädte. Allein in Berlin leben fast 22 Prozent aller KSK-Versicherten. Zusammen mit Hamburg, München und Köln entfallen auf diese vier Städte 40 Prozent der selbstständigen Künstlerinnen und Künstler. Zum Vergleich: Der Anteil der vier Städte an allen Erwerbstätigen beträgt nur 12 Prozent. Abbildung 2 stellt den Anteil der Künstlerinnen und Künstler an den Erwerbstätigen und die Erwerbstätigendichte (Erwerbstätige pro km²) auf Kreisebene gegenüber. Insgesamt ist die Streuung groß und es besteht nur ein schwacher Zusammenhang zwischen beiden Größen. Die logarithmierte Erwerbstätigendichte erklärt weniger als sechs Prozent der regionalen Streuung des Anteils der KSK-Versicherten. Regionen mit über 100 Künstlerinnen und Künstlern je 10.000 Erwerbstätigen, also einem Anteil von über einem Prozent, finden sich sowohl in sehr dünn besidelten Regionen wie im Landkreis Lüchow-Dannnenberg als auch am anderen Ende des Spektrums wie in Hamburg, Köln oder Berlin. Neben letzteren gibt es aber auch eine große Anzahl an hoch verdichteten Regionen mit relativ wenigen Künstlerinnen und Künstlern. Das heißt, nur wenige Großstädte sorgen für den hohen Durchschnittswert urbaner Räume in Abbildung 1.  

Karte 1: Selbstständige Künstler*innen je 10.000 Erwerbstätige 2023 je Kreis

Karte 1 zeigt, dass auch das Umland der urbanen Hotspots häufig höhere Anteile an Künstlerinnen und Künstlern verbucht. Zentrenferne Regionen mit höheren Anteilen finden sich hingegen tendenziell in touristisch geprägten Regionen, wie der Ostseeküste, im Alpenvorland und entlang der Weinstraße.  

Aktuelle Befunde aus unserem Projekt Kunst- und Kulturschaffende als Ressource der ländlichen Entwicklung weisen darauf hin, dass Kunst- und Kulturschaffende in ländlichen Räumen die verhältnismäßig preiswerten Ateliers und Ausstellungsräume schätzen sowie die Möglichkeit, Leben und Arbeiten in demselben Gebäude zu verbinden. Darüber hinaus sind es vor allem regionsspezifische Pfadentwicklungen, die die Beliebtheit einiger ländlicher Regionen erklären. Das Beispiel Wendland zeigt, wie der kontinuierliche Zuzug von Kunst- und Kulturschaffenden dazu beigetragen hat, touristische Potenziale zu heben. Im Zuge der Anti-Atomkraft-Bewegung Ende der 1970er Jahre entwickelte sich eine regionale Kreativszene, die den kontinuierlichen Zuzug von Kunst- und Kulturschaffenden beförderte. Die jährlich stattfindende „kulturelle Landpartie“ mit ca. 40.000 Besuchern ist zum Aushängeschild der Region geworden.

Zusammenfassend zeigt sich, dass sich selbstständige Kulturschaffende in Deutschland auf wenige Ballungszentren konzentrieren. Daneben zählen aber auch kleinere Städte und ländliche Regionen zu den kulturellen Hotspots in Deutschland.

Weiterführende Informationen

[1] Florida, R. (2002). The rise of the creative class (Vol. 9). New York: Basic Books.
[2] BMWK (2024) Monitoringbericht Kultur- und Kreativwirtschaft.

Tuitjer G, Runst P (2025) Kunst- und Kulturschaffende in ländlichen Räumen. Zahlen & Fakten zur Wirtschaft in ländlichen Räumen 04/2025. Thünen-Institut für Innovation und Wertschöpfung in ländlichen Räumen. DOI: 10.3220/253-2025-143

Projekt

Kunst- und Kulturschaffende als Ressource der ländlichen Entwicklung

Ländliche Räume bieten Chancen und Potentiale für Kunst- und Kulturschaffende, sog. Cultural Entrepreneurs. Zugleich bringt der ländliche Kontext bestimmte Herausforderungen mit sich, die Kunst- und Kulturschaffende in ihren künstlerisch-unternehmerischen Praktiken adressieren müssen. Daher untersuchen wir die Situation von Kunst- und Kulturschaffenden in ländlichen Räumen und versuchen herauszufinden, welche Rolle sie für die regionale Entwicklung spielen.

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