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Die Messung von Tagesgängen der Kohlenstoffdioxid-Flüsse mit manuellen Hauben startet vor Sonnenaufgang (Großes Moor bei Gifhorn, 04:45 Uhr).
Die Messung von Tagesgängen der Kohlenstoffdioxid-Flüsse mit manuellen Hauben startet vor Sonnenaufgang (Großes Moor bei Gifhorn, 04:45 Uhr).
Institut für

AK Agrarklimaschutz

Projekt

Niedermoorbiomasse


Federführendes Institut AK Institut für Agrarklimaschutz

© Thünen-Institut/Bärbel Tiemeyer
Rohrkolben-Ernte auf einer Paludikultur-Versuchsfläche

Produktketten aus Niedermoorbiomasse in Niedersachsen

Wie können Emissionsminderung, Nährstoffrückhalt und Biomasseerträge in Niedermoor-Paludikulturen optimiert werden?

Hintergrund und Zielsetzung

Der Großteil der Moore in Deutschland wurde u.a. für die Landwirtschaft entwässert und trägt somit entscheidend zu den Emissionen von Treibhausgasen (THG) aus landwirtschaftlichen Flächen bei. Eine Möglichkeit zur Verringerung der THG-Emissionen ist die sogenannte „Paludikultur“, d.h. die Land- oder Forstwirtschaft von wiedervernässten Mooren unter naturnahen hydrologischen Bedingungen. Die Wiedervernässung derzeit entwässerter Moore mit anschließender Nutzung als Paludikultur führt im Optimalfall zur Konservierung des gespeicherten Kohlenstoffs, jedoch fehlen bisher Daten für Paludikulturen an Niedermoorstandorten.

Für solche Standorte sind v.a. Arten vielversprechend, aus denen Rohmaterial für Baustoffe gewonnen werden kann. In diesem Projekt werden Phragmites australis (Schilf), Typha angustifolia (Schmalblättriger Rohrkolben) und Typha latifolia (Breitblättriger Rohrkolben) untersucht. Für Schilf besteht bereits ein Markt, da es traditionell zur Dacheindeckung genutzt wird. Schmalblättriger Rohrkolben kann für die Herstellung von Dämm- und Bauplatten verwendet werden. Entsprechende Dämmplatten haben eine günstige spezifische Wärmeleitfähigkeit, weisen sehr gute statische Eigenschaften auf und benötigen keine bioziden Zusätze. Breitblättriger Rohrkolben eignet sich für eine Einblasdämmung und als Faserverstärkung zur Armierung von Putzen.

Obwohl anzunehmen ist, dass Niedermoorpaludikulturen eine klimaschonende Landnutzungs­alternative darstellen, liegen im Gegensatz zu Hochmoorpaludikulturen (Sphagnum-Farming) bisher erstaunlicherweise kaum Daten zum THG-Austausch vor. Durch Anhebung der Wasserstände an die Geländeoberkante werden die CO2-Emissionen verringert und im Optimalfall dient der Standort als Senke für Kohlenstoff und Stickstoff. Die Emissionen von Methan (CH4) aus wiedervernässten und insbesondere – wie für Typha angustifolia ideal – überstauten Standorte sind dagegen schwieriger zu prognostizieren.

Hohe CH4-Emissionen können durch das Aerenchymgewebe vieler Feuchtgebietsarten gefördert werden. Daneben ist der durch vorherige Entwässerung stark gestörte Oberboden bzw. frisch gebildetes Sediment eine wichtige Quelle hoher CH4-Emissionen und auch rückgelösten Phosphors. Ein Oberbodenabtrag z. B. zur Einebnung von Flächen und zur Gewinnung von Material zum Bau von Dämmen kann dagegen einen Nährstoffentzug sowie eine Minimierung der CH4-Emissionen und möglicher Phosphorausträge bewirken. Andererseits ist das Wachstum von Rohrkolben aufgrund eben dieses Nährstoffentzugs ungünstiger als auf Flächen ohne Oberbodenabtrag. Auch ist die Auswirkung einer Beerntung auf die CH4-Emissionen bisher unklar, da einerseits durch die Ernte der Biomasse die Bildung frischer Sedimente verringert werden könnte, anderseits auch bei einer Ernte Verluste auftreten, die im Falle von frischer Biomasse besonders leicht für die Methanbildung verfügbar sind. Somit ist die gleichzeitige Optimierung von Erträgen und Minimierung von CH4-Emissionen und Nährstofffreisetzung eine komplexe Herausforderung.

Vorgehensweise

In dem vom 3N Kompetenzzentrum (Wehrlte, [link]) koordinierten Verbundprojekt „Produktketten aus Niedermoorbiomasse“ sind wir für die Messung des Treibhausgasaustauschs und in Zusammenarbeit mit dem Fach Bodenkunde der Universität Trier [link] für Fragen der Wasserqualität zuständig. Die Projektpartner kümmern sich um Einrichtung und Management der Flächen, pflanzenbauliche Fragestellungen, Biodiversität, die Optimierung von Baustoffen, Bauphysik und baurechtliche Aspekte sowie die Nutzung von Niedermoorbiomasse als Torfersatzstoff.

Die Untersuchungen finden an drei Niedermoorstandorten in Niedersachsen statt, wobei sich unsere Arbeiten auf einen Standort im Hohenbökener Moor (Landkreis Oldenburg) konzentrieren. Dort werden in einem Polder Schilf sowie Breitblättriger und Schmalblättriger Rohrkolben sowohl mit als auch ohne Oberbodenabtrag angebaut. In Teilpoldern ist eine Quantifizierung der Wasser- und Nährstoffflüsse möglich. Neben den im Verlauf des Projekts beernteten Flächen werden auch nicht beerntete Varianten untersucht, um die Auswirkungen der Ernte zu quantifizieren. Zusätzlich wird eine Referenzmessung mit ortsüblicher Grünlandnutzung durchgeführt.  

Unsere Forschungsfragen

  • Wie hoch sind die Treibhausgasemissionen von Phragmites australis, Typha latifolia und Typha angustifolia im Vergleich zu einem als Grünland genutzten Referenzstandort?
  • Wie beeinflusst Oberbodenabtrag die Treibhausgasemissionen und den Ertrag?
  • Wo liegt das Optimum von THG-Minderung und Biomasseertrag?

Ergebnisse

Eine Hauptherausforderung war vor allem im ersten Projektjahr das Wassermanagement, so dass die mittleren Wasserstände der Paludikulturen zwar im Mittel nahe der Bodenoberfläche lagen, jedoch phasenweise sehr stark schwankten. Diese Defizite im Wassermanagement überlagerten mögliche Effekte des Oberbodenabtrags, da Varianten mit Oberboden­abtrag vor allem in der kritischen Etablierungsphase nasser waren als solche ohne. Daneben begünstigten die schwankenden Wasserstände einen starken Aufwuchs der Flatterbinse (Juncus effusus). Dieser Aufwuchs dominierte trotz des verbesserten Wasser­managements im Folgejahr weiterhin die Vegetations­zusammensetzung und somit auch die 2022 erstmals geerntete Biomasse.

Im Vergleich zum Referenzgrünland zeigten alle Paludi­kultur-Varianten eine erhebliche Verringerung der THG-Emissionen. Während die THG-Emissionen der Referenz für ein extensives Grünland recht hoch waren, stellten die Paludikulturen eine CO2-Senke und bis auf wenige Ausnahmen auch eine deutliche THG-Senke dar. Unterschiede zwischen den Kulturen wurden durch den Einfluss der Flatterbinse überlagert.

Die THG-Senke der Paludikulturen ist besonders beachtlich, wenn man das suboptimale Wassermanagement im ersten Jahr sowie die Ernte der Biomasse im zweiten Jahr berück­sich­tigt. Positiv wirkten sich auch die niedrigen Methanemissionen aus, die im Untersuchungszeitraum deutlich geringer als erwartet ausfielen. Auch dies lässt sich möglicherweise durch die phasenweise niedrigen und stark schwankenden Wasser­stände erklären.

Entgegen unserer Erwartungen und vermutlich aufgrund der höheren Wasserstände dieser Varianten im ersten Jahr hatte der Oberbodenabtrag bisher weder eine Verringerung der Methanemissionen noch des Ertrags zur Folge.

Auf dem Damm, der die Paludikultur umgibt, haben wir wie erwartet sehr hohe CO2- sowie Lachgas-Emissionen gemessen. Für die Bilanz des gesamten Systems muss der Damm einbezogen werden; aufgrund eines geringen Flächenanteils fällt er jedoch kaum ins Gewicht.

Links und Downloads

https://www.3-n.info/projekte/laufende-projekte/produktketten-aus-niedermoorbiomasse/

Beteiligte externe Thünen-Partner

Geldgeber

  • Bundesland Niedersachsen
    (national, öffentlich)
  • Europäische Union (EU)
    (international, öffentlich)

Zeitraum

9.2019 - 6.2023

Weitere Projektdaten

Projektstatus: abgeschlossen

Publikationen

  1. 0

    Köwitsch P-F, Tiemeyer B, Antonazzo S, Dettmann U (2025) Der positive Einfluss von Paludikulturen auf die Treibhausgasbilanz von landwirtschaftlich vorgenutzten Niedermooren. Braunschweig: Thünen-Institut für Agrarklimaschutz, 2 p, Project Brief Thünen Inst 2024/29, DOI:10.3220/PB1732799015000

    https://literatur.thuenen.de/digbib_extern/dn069128.pdf

  2. 1

    Köwitsch P-F, Tiemeyer B, Antonazzo S, Dettmann U (2025) The positive impact of paludicultures on the greenhouse gas balance of a former grassland on fen peat. Braunschweig: Thünen-Institut für Agrarklimaschutz, 1 p, Project Brief Thünen Inst 2024/29a, DOI:10.3220/PB1732866520000

    https://literatur.thuenen.de/digbib_extern/dn069132.pdf

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