Petra Raue
Von der Entwicklungszusammenarbeit in Mosambik zur Förderpolitik in Deutschland.

Forschen für den reinen Erkenntnisgewinn? Das wäre nichts für Petra Raue. Sie möchte mit ihrer Arbeit Veränderung anstoßen. Nah dran sein, wenn Politik entsteht, den Austausch mit den Akteur:innen in den Ministerien und vor Ort ‒ das ist das, was sie als Wissenschaftlerin schätzt.
Dabei war der Weg in die Forschung für Petra Raue nicht programmiert, denn sie wuchs als Arbeiterkind im Ruhrgebiet auf. „Warum willst du studieren? Du heiratest ja sowieso mal“. Solche Sätze bekam sie nicht selten zu hören. Und doch ‒ trotz Entmutigung und fehlender Vorbilder ging sie ihren Weg: Nach einem ersten Berufseinstieg als pharmazeutisch-technische Assistentin und dem Abitur auf dem zweiten Bildungsweg studierte sie Landwirtschaft. Ihr Wunsch war es, in der Entwicklungszusammenarbeit zu arbeiten. Die Geburt ihrer Tochter während des Studiums und die Rolle als Alleinerziehende hinderten sie nicht daran, ihr Ziel zu erreichen: Und so war ihre erste Station als Dipl. Ing. agrar die Leitung eines Projekts in Mosambik. Dort unterstützte sie Bäuerinnen und Bauern vor Ort in der Organisation der Bewässerung im Gemüseanbau und im Erosionsschutz.
Die Sorge um die Schullaufbahn ihrer Tochter führte sie schließlich zurück nach Deutschland. Im Thünen-Institut (damals Bundesforschungsanstalt für Landwirtschaft) fand Petra Raue ein neues Fachgebiet. Seit mittlerweile 25 Jahren evaluiert sie gemeinsam mit anderen Wissenschaftler*innen die Wirkung von ländlichen Förderprogrammen. Dabei analysiert sie, ob die Programme so wirken, wie beabsichtigt, und wie sie verbessert werden können.
Inzwischen setzt sie dabei einen besonderen Schwerpunkt: die Gleichstellung der Geschlechter. „Wie kann man Förderpolitiken so gestalten, dass sie die Belange von Frauen und Männern gleichrangig berücksichtigen?“, ist eine zentrale Frage ihrer Arbeit. Gleichzeitig weiß sie aus ihrer Forschung, dass es bis zur Gleichstellung noch ein weiter Weg ist. „Männer in Entscheidungsgremien haben auch heute oft noch keinen Blick für die Situation von Frauen. Deshalb fließen deren Themen unzureichend in die Politik ein“, sagt sie. Gäbe es eine Veränderung, die ihre Forschung noch bewirken soll, wäre es eine Quote für die paritätische Besetzung von Entscheidungsgremien in ländlichen Räumen. Diese ist notwendig, damit die unterschiedlichen Perspektiven einbezogen werden. Davon ist die Wissenschaftlerin überzeugt.
Was Petra Raue sich für Frauen in der Wissenschaft wünscht? Sie findet, Flexibilität ist wichtig und keine starren Arbeitszeitregelungen, damit Forschen und Familie gut zusammengeht. Und Väter sollten dabei unterstützt werden, mehr als zwei Monate Elternzeit zu nehmen. Vor allem aber wünscht sie Frauen mehr Raum. Frauen sollten Räume mit derselben Selbstverständlichkeit einnehmen wie Männer –und ihre Durchsetzungsstärke von der Gesellschaft genauso wertgeschätzt werden wie die von Männern.