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Interview

„Schwelbrand erkennen, bevor eine offene Flamme entsteht“

Heino Polley mit Jürgen Müller und Michael Luthardt (Wissenschaft erleben 2019/1)


WO Institut für Waldökosysteme

Das Land Brandenburg gehört zu den Regionen Europas, die am häufigsten von Waldbränden betroffen sind. Im Trockensommer 2018 hat allein der Großbrand bei Treuenbrietzen südlich von Berlin 450 Hektar Wald vernichtet. Jürgen Müller vom Thünen-Institut und Michael Luthardt vom Landeskompetenzzentrum Forst Eberswalde erläutern, welchen Beitrag die Wissenschaft leisten kann, um die Schäden zu begrenzen.

Herr Luthardt, Herr Müller, warum brennt es in Brandenburger Wäldern so oft?

ML: Das liegt hauptsächlich daran, dass wir auch nach 30 Jahren Waldumbau immer noch eine halbe Million Hektar großflächige Kiefernreinbestände haben, die nicht mit Laubbäumen unterpflanzt sind.
JM: Dazu kommen noch die heißen, trockenen Sommer und die Sandböden, die das Wasser nur schlecht halten und dadurch das Austrocknen noch beschleunigen. Die lichten Kiefernbestände haben eine leicht brennbare Bodenvegetation aus Gräsern, die sich sehr schnell entzünden kann.

Was wird im Land Brandenburg getan, um Waldbrände rechtzeitig zu erkennen?

ML: Es gibt da seit gut zehn Jahren das „Fire Watch“-System mit Feuerwachttürmen, auf denen Kameras installiert sind. In Waldbrandmeldezentralen sitzen Leute vor Bildschirmen, die jeglichen Rauch sofort sehen. Das hat sich sehr gut bewährt. Aber es konnte trotzdem nicht verhindern, dass bei Treuenbrietzen so ein Großbrand entsteht. Und wir haben es einfach verlernt, mit größeren Waldbränden umzugehen. Seit 20 Jahren gab es immer nur kleinere Waldbrände – mal vier, fünf Hektar.

Reden wir über die Waldbrandfrüherkennung. Herr Müller, Sie haben hier ein kleines Gerät mitgebracht. Was hat es damit auf sich?

JM: Das ist ein in der Humboldt-Universität entwickelter und patentierter Wasserstoffsensor auf einer Platine. Beim Verbrennen organischen Materials entsteht als erstes Wasserstoff. Überschreitet die Wasserstoffkonzentration in der Luft einen bestimmten Schwellenwert, meldet der Sensor den möglichen Brand an eine Zentrale. Auf diese Weise lässt sich ein Schwelbrand schon erkennen, bevor eine offene Flamme da ist. Die Feuerwehren gewinnen also Zeit. Das ist nicht als Konkurrenz zum „Fire Watch“-System zu sehen, sondern als Ergänzung.

Hat dieses System seine Feuerprobe schon bestanden?

JM: Ja, schon in verschiedenen Tests, die wir durchgeführt haben. Im Wald konnte das Gerät durch den Anstieg der Wasserstoffkonzentration erkennen, dass in hundert Meter Entfernung ein Brand im Entstehen war. Die Sensoren und die Vernetzung funktionieren. Die Daten werden über Funk an eine Datenbank geschickt und von dort wird der Alarm als SMS versendet. Es ist als Pilotprojekt funktionsfähig. Aber es ist noch nicht praxisreif. Zum Beispiel muss die Energieversorgung noch langfristig gesichert werden. Wir denken da an ein autarkes System mit Solarpaneelen.

Haben sich schon Interessenten gemeldet?

JM: Ja, aber sie wollen ein weitgehend ausgereiftes und risikoarmes Produkt. Die potenziellen Produzenten erwarten, dass der Schritt zum verkaufsfähigen Sensor relativ sicher ist.

Ist nicht auch jeder Waldbesucher mit seinem Mobiltelefon ein Frühwarnsystem? Braucht es da noch andere Systeme?

ML: Das sind ja zufällige Beobachtungen, darauf kann man sich nicht verlassen. Wir brauchen ein systematisches, flächendeckendes Überwachungssystem, das zu jeder Tages- und Nachtzeit funktioniert und nicht nur am Wochenende, wenn Spaziergänger draußen sind.

Soll man nach einem Waldbrand die Natur einfach gewähren lassen oder muss man das steuern?

ML: Bei Brandflächen unter 20 oder 30 Hektar kann man durchaus erst einmal zehn Jahre abwarten und dann gegebenenfalls noch nachpflanzen. So kann man sehr viel Geld sparen. Man muss einfach der Natur eine Chance geben, denn die Natur hat immer eine Antwort. Sie findet immer irgendeinen Weg, der manchmal besser ist, als wir Menschen das machen.

Sind Waldbrände also auch eine Chance für den Waldumbau in Brandenburg?

ML: Bei einem 15 Jahre zurückliegenden Waldbrand im Süden Brandenburgs hat sich gezeigt, dass sich durch die Sukzession eine Vielfalt entwickelt, die vorher nicht da war. Wo vorher ein reiner Kiefernbestand war, entwickelt sich jetzt eine bunte Mischung aus Birken, Aspen, Weiden und Kiefern. Dann kann man in die Lücken noch Eichen pflanzen und hat einen zukunftsfähigen Mischbestand. Kleinere Waldbrände sind also durchaus ein Neustart. Aber auch nach dem Großbrand bei Treuenbrietzen wollen es viele Waldbesitzer jetzt anders machen − nicht wieder nur Kiefern anpflanzen, sondern auch Waldbrandriegel anlegen, Waldränder schaffen und Baumarten mischen, wo es vom Standort her möglich ist. Wir versuchen dort jetzt, an den Wegen Linienstrukturen reinzubringen, von wo aus sich die Baumarten über Samen verbreiten. Es hat sich gezeigt, dass Birken, die am Rand der Waldbrandfläche gepflanzt werden, innerhalb von wenigen Jahren Samen bilden und diesen dann auf die Fläche bringen. Damit können wir kostengünstig mehr Vielfalt schaffen.
JM: Hier gibt es langfristig ein Umdenken, indem beim Waldumbau auch die Waldbrandvorsorge berücksichtigt wird.

Vielen Dank für das Gespräch.

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