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Expertise

Der Europäische Aal – rätselhaft und bedroht

Reinhold Hanel | 01.12.2021


FI Institut für Fischereiökologie

Der Europäische Aal ist akut bedroht. Bisher ist es nicht gelungen, effektive Schutzmaßnahmen zu ergreifen. Der Internationale Rat für Meeresforschung (ICES) hat sich nun erstmals klar für eine vollständige Schließung der Aalfischerei im gesamten Verbreitungsgebiet ausgesprochen.

Experten schlagen schon lange Alarm, doch bisher ist es nicht gelungen, Maßnahmen zu ergreifen, um den Europäischen Aal (Anguilla anguilla) effektiv zu schützen. Dieser Wanderfisch, der in nordafrikanischen und europäischen Gewässern lebt und aufwächst, um dann zur Fortpflanzung eine 5000 bis 7000 km lange Reise quer durch den Atlantischen Ozean anzutreten und in der Sargassosee zu laichen, ist akut bedroht. Seit Anfang der 1980er Jahre ist die Zahl der Jungfische, Glasaale genannt, dramatisch eingebrochen. Im Gebiet der Nordsee wird nicht einmal mehr 1 % des Aufkommens, verglichen mit jenem der 1960er und 1970er Jahre, registriert.

Mit seinen Fangempfehlungen für 2022 hat sich der Internationale Rat für Meeresforschung (ICES) nun erstmals klar für eine vollständige Schließung der Aalfischerei im gesamten Verbreitungsgebiet ausgesprochen; dies schließt ausdrücklich die Fischerei auf Glasaale als Grundlage für die Aal-Aquakultur und den Besatz von Freigewässern – also das Verbringen von gefangenen Jungfischen in Seen und Flüsse – mit ein. Will man den Bestand dieser bedrohten Fischart wirklich schützen, dann ist es unumgänglich, diese Empfehlung vollständig umzusetzen und die Aalsterblichkeit auch in anderen Bereichen wie zum Beispiel der Wasserkraft zu reduzieren.

Das bezieht sich nicht nur auf die Berufsfischerei, sondern auch auf die hobbymäßig betriebene Freizeitfischerei, denn laut Schätzungen entnehmen Angler und andere Freizeitfischer in Deutschland etwa genauso viel Aal wie die Berufsfischer. Sollte eine vollständige Schließung der Aalfischerei politisch nicht durchsetzbar sein, wäre es zumindest notwendig, das bestehende Fangverbot in Küstengewässern auch auf Binnengewässer auszudehnen und zeitlich zu erweitern, damit zumindest die zur Fortpflanzung abwandernden Blankaale geschützt werden. Dabei sollten Angler, die sich häufig als Gewässerwarte und Naturschützer sehen, bis zu einer deutlichen Bestandserholung grundsätzlich auf den Fang von Aalen verzichten.

Auch der Besatz von Aalen in Binnengewässer, um die dortigen lokalen Bestände aufzustocken, ist kritisch zu sehen. Denn die jungen Aale entstammen allesamt Wildfängen – eine Nachzucht von Aalen in Aquakultur ist bis heute nicht möglich. Gerade in Deutschland werden Jungaale noch immer in stark befischte und mit Schadstoffen belastete Gewässer verbracht; eine Priorisierung von Besatzgewässern hinsichtlich ihrer Wertigkeit für einen Wiederaufbau des Bestandes wurde bisher nicht vorgenommen. Ein signifikanter Anteil des Gesamtbesatzes von Aalen wird oberhalb von Wasserkraftwerken eingesetzt, häufig sogar oberhalb von Kraftwerksketten, was die Todesrate von Aalen in Turbinen deutlich erhöht. Aalbesatz dient deshalb größtenteils mehr der Aufrechterhaltung einer Fischerei als dem Wiederaufbau eines bedrohten Bestandes.

Ein Faktoren-Potpourri

Dabei ist es keineswegs die Fischerei allein, die für den Rückgang des Aal-Bestandes verantwortlich ist. Wesentlich dazu beigetragen haben Flussverbauungen ebenso wie Wasserkraft- und andere Querwerke, die die natürlichen Wanderbewegungen von Aalen erschweren oder unmöglich machen und den Zugang zu wichtigen Lebensräumen verwehren. Daneben führt die Belastung der Gewässer mit Schadstoffen vermutlich zu Beeinträchtigungen der Fortpflanzungsfähigkeit. Auch der Parasitenbefall mit dem aus Asien eingeschleppten Schwimmblasenwurm könnte für den Rückgang des Bestandes mit verantwortlich sein. Die Bedeutung jedes einzelnen dieser Faktoren ist nicht quantifizierbar, allerdings scheint der Aal der Summe dieser Belastungen nicht gewachsen.

Das Thünen-Institut für Fischereiökologie forscht an allen Lebensstadien des Europäischen Aals, um Änderungen der Bestandsentwicklung zu erkennen und dazu beizutragen, die Ursachen für den Bestandsrückgang besser zu verstehen. Untersuchungen zu den frühen Lebensstadien im Laichgebiet in der Sargassosee und kurz vor der Umwandlung der Weidenblattlarven zu Glasaalen entlang der europäischen Küsten sind dafür ebenso wichtig wie eine möglichst lückenlose Erfassung der Blankaal-Abwanderung aus den großen Flüssen Norddeutschlands, etwa im Forschungsprojekt BALANCE. Zusätzlich erheben wir im Rahmen eines langjährigen DCF-Monitorings gewässerspezifische Wachstumsraten von Aalen in allen Flussgebieten Deutschlands, ebenso wie deren Belastung mit Schadstoffen und Parasiten.

So wichtig es ist, die Ursachen für den Bestandsrückgang möglichst lückenlos zu verstehen und langfristige Habitatverbesserungen einzuleiten, so klar ist auch: Um einem weiteren Rückgang dieser stark bedrohten Art entgegenzuwirken,ist eine sofortige Verringerung aller anthropgenen Sterblichkeiten die Stellschraube, mit der am schnellsten Effekte erzielt werden können. Doch politisch ist das nicht einfach: Während die marinen Gewässer im Rahmen der Gemeinsamen Fischereipolitik in die Zuständigkeit der EU fallen, ist Binnenfischerei Ländersache. Viele Akteure sind also beteiligt. Es bleibt daher spannend, ob man sich auf einen flächendeckenden Schutz dieser bedrohten Art verständigen wird.

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