

Institut für
WI Innovation und Wertschöpfung in ländlichen Räumen
Zahlen & Fakten 02/2025
Gründungsdynamiken in ländlichen Regionen
Martin Simmler, Israel Garcia Dominguez | 28.05.2025 | PDF-Download
- Zwar ist die Anzahl der Unternehmensgründungen je Einwohner in ländlichen Räumen geringer als in urbanen, dafür überleben in ländlichen Räumen gegründete Unternehmen häufiger.
- Die Unterschiede liegen in verschiedenen Wirtschaftsstrukturen begründet: Gründungs- und Überlebenswahrscheinlichkeiten unterscheiden sich aufgrund von Markteintrittskosten.
- Die Zahl der Unternehmensgründungen je Einwohner hat für die relative wirtschaftliche Entwicklung von Regionstypen nur bedingt Aussagekraft.
Die Anzahl (innovativer) Unternehmensgründungen je Einwohner liegt in urbanen Regionen oberhalb derer in ländlichen Räumen.[1] Der Grund hierfür wird in Agglomerationsvorteilen gesehen und der Befund dahingehend gedeutet, dass urbane Regionen ein volkswirtschaftlicher Wachstumstreiber sind. Dies steht jedoch im Widerspruch dazu, dass der relative Beitrag von urbanen und ländlichen Regionen zur Bruttowertschöpfung in Deutschland seit 2000 nahezu konstant ist (siehe Abbildung 1).
Abbildung 1: Anteil der Bruttowertschöpfung ländlicher Räume in Deutschland, 2000-2022
Quelle: Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung der Länder (2024), eigene Berechnungen.
Zwei Aspekte können dies erklären. Zum einen gehen die häufigeren Unternehmensgründungen in der Stadt mit geringeren Überlebenswahrscheinlichkeiten dieser Unternehmen einher. In urbanen Regionen gab es 2010 16,4 Unternehmensgründungen je 10.000 Einwohner, in ländlichen Regionen mit 10,9 etwa ein Drittel weniger (siehe Tabelle 1). Berücksichtigen wir von diesen Unternehmen jedoch nur die, die 2019 noch aktiv waren, reduziert sich der Unterschied auf etwas weniger als ein Viertel.
Die höheren Gründungsraten und die geringeren Überlebenswahrscheinlichkeiten in urbanen Räumen sind im Wesentlichen auf unterschiedliche Wirtschaftsstrukturen zurückzuführen. In urbanen Räumen sind unternehmensbezogene, öffentliche und sonstige Dienstleistungen überrepräsentiert: Auf diese Sektoren entfielen 2022 54 % der Arbeitsstunden in urbanen Räumen und 46 % in ländlichen Räumen. In ländlichen Räumen ist das produzierende Gewerbe stärker vertreten: 2022 betrug der Anteil dieser Sektoren an den Arbeitsstunden in ländlichen Räumen 22 %, verglichen mit 14 % in urbanen Räumen. Das produzierende Gewerbe weist weniger Gründungen und hohe Überlebenswahrscheinlichkeiten auf, der Dienstleistungssektor hingegen viele Gründungen und geringere Überlebenswahrscheinlichkeiten. Ursächlich hierfür sind insbesondere unterschiedliche Markteintrittskosten. Die anfänglichen Investitionskosten sind für Industrieunternehmen auf Grund des Bedarfs an Kapitalgütern in der Regel höher. Die ökonomische Theorie sagt vorher, dass Unternehmen nur dann gegründet werden, wenn der erwartete Gewinn die Kosten übersteigt. Folglich müssen bei gleicher Rentabilität die Erfolgsaussichten, d. h. die Überlebenswahrscheinlichkeiten von Industrieunternehmen höher sein.
Tabelle 1: Unternehmensgründungen je 10.000 Einwohner nach Raumtyp, 2010
Quelle: CHRIS Datenbank, eigene Berechnungen.
Abbildung 2 verdeutlicht diesen Zusammenhang auf Ebene der Wirtschaftszweige. Die horizontale Achse zeigt die Überlebenswahrscheinlichkeit von 2010 gründeten Unternehmen, die vertikale Achse die Kapitalintensität bestehender Unternehmen. Die Kapitalintensität ist als Median Umsatzerlöse zu Bilanzsumme definiert. Die Annahme dahinter: Wenn zwei Unternehmen mit gleicher Bilanzsumme unterschiedliche Umsätze erwirtschaften, ist das umsatzstärkere Unternehmen kapitalintensiver. Die fallende Kurve in Abbildung 2 zeigt also, dass die Überlebenswahrscheinlichkeit neu gegründeter Unternehmen mit der Kapitalintensität der Unternehmen im jeweiligen Wirtschaftszweig tendenziell ansteigt.
Der zweite Grund für den nur schwachen Zusammenhang zwischen der Anzahl an Unternehmensgründungen und des Wachstums der Bruttowertschöpfung hängt mit Unterschieden in der Bruttowertschöpfung je Unternehmen zusammen. Bei Betrachtung aller Unternehmen betrug die Bruttowertschöpfung je Unternehmen 2022 in urbanen Räumen 1,1 Mio. Euro und in ländlichen Räumen 0,8 Mio. Euro. Die anfänglichen Investitionskosten sind für Industrieunternehmen auf Grund des Bedarfs an Kapitalgütern in der Regel höher. Die ökonomische Theorie sagt vorher, dass Unternehmen nur dann gegründet werden, wenn der erwartete Gewinn die Kosten übersteigt. Folglich müssen bei gleicher Rentabilität die Erfolgsaussichten, d. h. die Überlebenswahrscheinlichkeiten von Industrieunternehmen höher sein.
Abbildung 2: Überlebenswahrscheinlichkeit nach 9 Jahren der in 2010 gegründeten Unternehmen und Kapitalintensität bestehender Unternehmen nach Wirtschaftszweigen
Lesehilfe: Die Überlebenswahrscheinlichkeit steigt mit zunehmender Kapitalintensität.
Quelle: CHRIS-Datenbank und Jahresabschlussdatenbank DAFNE, eigene Berechnungen.
Der Grund: Unternehmen in urbanen Räumen haben im Durchschnitt mehr Beschäftigte und verzeichnen eine höhere durchschnittliche Arbeitsproduktivität. Für neu gegründete Unternehmen gilt dies jedoch nicht. Zwar liegen für sie keine Daten zur durchschnittlichen Arbeitsproduktivität vor, jedoch weisen neu gegründete Unternehmen in urbanen und ländlichen Räumen hinsichtlich der durchschnittlichen Beschäftigtenzahl keine Unterschiede auf. Weil sich die in Städten höheren Gründungsaktivitäten zudem nicht in einem dort höheren Wachstum der Bruttowertschöpfung niederschlagen, ist zu vermuten, dass die Arbeitsproduktivität von neu gegründeten Unternehmen in urbanen und ländlichen Räumen ähnlich ist, und die höheren Gründungsraten in urbanen Räumen damit nur sicherstellen, dass sich die Bruttowertschöpfung in urbanen und ländlichen Räumen annähernd gleich entwickelt.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die höheren Gründungsraten in urbanen Räumen nicht zu einem stärkeren Anstieg der Wertschöpfung in diesen Regionen führen. Die in urbanen Räumen gegründeten Unternehmen weisen eine niedrigere Überlebensrate auf und sind im Gegensatz zu bestehenden Unternehmen in urbanen Räumen nicht größer als in ländlichen Räumen.
Weiterführende Informationen
CHRIS Datenbank: Die CHRIS Datenbank wird von infas360 bereitgestellt und erfasst seit 2006 alle Eintragungen im Handelsregister (Art und Datum der Eintragung, Unternehmensname sowie in den meisten Fällen Wirtschaftszweig). Unternehmensgröße: Eigene Auswertungen von Informationen im Unternehmensregister für 2022 (Anzahl Niederlassungen und Unternehmen, Anzahl Unternehmensneugründungen, Anzahl tätige Personen, Anzahl tätige Personen in Unternehmensgründungen nach Kreisen, ohne Landwirtschaft und öffentliche Verwaltung, Verteidigung und Sozialversicherung). Abrufbar unter www.regionalstatistik.de. DAFNE: In der Datenbank DAFNE sind die Jahresabschlüsse von deutschen Unternehmen enthalten.
[1] Bergholz C (2025) Start-ups in ländlichen Räumen. Zahlen & Fakten zur Wirtschaft in ländlichen Räumen 01/2025. Thünen-Institut für Innovation und Wertschöpfung in ländlichen Räumen.
Simmler M, Garcia Dominguez I (2025) Gründungsdynamiken in ländlichen Räumen. Zahlen & Fakten zur Wirtschaft in ländlichen Räumen 02/2025. Thünen-Institut für Innovation und Wertschöpfung in ländlichen Räumen. DOI:10.3220/253-2025-65
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