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Expertise

Bunt, unkaputtbar – und überflüssig

Daniel Stepputtis, Christopher Zimmermann | 19.12.2022


OF Institut für Ostseefischerei

Dolly Ropes, bunte Plastikfäden an der Unterseite von Grundschleppnetzen, sollen das Netz daran hindern, zu sehr über den Boden zu schleifen und zu verschleißen. Sie lösen sich jedoch schnell ab und bleiben als Müll im Meer zurück. Mit modifizierten Netzen können Dolly Ropes überflüssig werden.

Plastikmüll im Meer ist eine der großen Herausforderungen unserer Zeit. Ein kleiner Teil dieses Mülls schwimmt und ist daher besonders augenfällig. An den Stränden der Nordsee etwa sind orangene und blaue Plastikfäden kaum zu übersehen: so genannte „Dolly Ropes“ (Abb. 1). Besonders viele dieser bunten Scheuerschutzfäden aus Polyethylen kann man auf der Nordseeinsel Helgoland sehen. Dort nutzen die auf dem Vogelfelsen brütenden Vögel normalerweise Algen und Seegräser, die auf dem Meer treiben, für ihre Nester. Mittlerweile bestehen die Nester ganz überwiegend aus den bunten Plastikfäden, in denen sich junge und alte Vögel verheddern und qualvoll sterben (Abb. 2).
 

Vergänglicher Scheuerschutz

Dolly Ropes werden in den Baumkurrenfischereien auf Seezunge und Nordseegarnele (umgangssprachlich: Krabbe) eingesetzt. Sie werden an die Unterseite der Netze geknüpft und bilden eine Art Pelz, der das Netz davor schützen soll, am Meeresboden aufgescheuert zu werden. Bereits nach kurzer Zeit reißt ein Großteil der Fäden ab und treibt dann als Müll im Meer, bis er an die Küsten gespült wird. Insgesamt – so zeigen niederländische Untersuchungen für die dortige Fischerei – enden etwa 25 bis 50 % der eingesetzten Dolly Ropes im Meer.

 

Wenn es gelänge, die Netze ohne Dolly Ropes vor dem Aufscheuern zu schützen, könnte eine erhebliche Menge Meeresmüll vermieden werden. Die Nutzung alternativer Materialien zum Schutz der Netzunterseite ist die naheliegendste Lösung. In einem niederländischen Projekt wurden bereits verschiedene alternative Materialien wie biologisch abbaubares Plastik oder Naturfasern getestet – jedoch mit nur mäßigem Erfolg: Entweder verschlissen die Ersatzmaterialien zu schnell oder sie waren zu teuer.

Im Projekt „Dolly Rope Suspension“ (DRopS), das drei Jahre aus Mitteln der EU sowie der Länder Niedersachsen und Schleswig-Holstein gefördert wurde, verfolgte die fischereitechnische Arbeitsgruppe des Thünen-Instituts für Ostseefischerei einen ganz anderen Ansatz: Die Netzkonstruktion sollte so verändert werden, dass das Netz den Meeresboden gar nicht erst berührt. Damit wäre ein Scheuerschutz überflüssig. Zusätzlich ließe sich verhindern, dass dieses in den Netzmaschen angebrachte Schutzmaterial die Größenselektion im Netz beeinflusst und somit den Fang von zu kleinen Organismen begünstigt. Und schließlich könnte durch die verringerte Berührung des Bodens der negative Einfluss auf die Meeresumwelt reduziert und Treibstoff gespart werden – in Zeiten hoher Dieselpreise ein gewichtiger Vorteil.

Überzeugende Ergebnisse

In der zweiten Projektphase wurden gemeinsam mit der Krabbenfischerei Ideen zur Modifikation der Netze entwickelt. Das Resultat: Eine veränderte Konstruktion der Netze, bei denen sich der Steert nach hinten immer weiter vom Boden abhebt und auch gut gefüllt seine Form behält, also nicht immer runder wird. Zusätzlich wurden verschiedene Auftriebshilfen eingebaut, um die Berührung des Meeresbodens auch bei einem prall gefüllten Netzsack zu vermeiden (Abb. 3).

Die Änderungen wurden auf dem Fischereiforschungsschiff „Solea“ getestet, zunächst in der Nordsee. Mit Hilfe von Unterwasser-Videobeobachtungen wurden zusätzlich Erkenntnisse über das Verhalten der modifizierten Netze beim Schleppen gewonnen. Diese Arbeiten fanden in der Ostsee statt – in der die kommerzielle Baumkurrenfischerei verboten ist –, da Kameraaufnahmen in der trüben südlichen Nordsee nicht möglich sind. Die Ergebnisse belegten, dass der Kontakt des modifizierten Netzes mit dem Meeresboden effektiv vermindert werden kann, ohne die Fangmenge der Zielart und die Fangzusammensetzung negativ zu beeinflussen.

Die ab 2020 geplante dritte Projektphase, in der die vielversprechendsten Konzepte in der kommerziellen Nordseegarnelen-Fischerei getestet werden sollten, musste leider entfallen: Die Einschränkungen während der Covid-19-Pandemie machten die Erprobung in der kommerziellen Fischerei unmöglich. Die Ergebnisse der Forschungsfischerei waren jedoch so eindeutig, dass wir der Politik empfehlen konnten, nun in die Umsetzung zu gehen. Ein Großteil der deutschen Krabbenfischerei verzichtet bereits freiwillig auf den Gebrauch von Dolly Ropes. Im Koalitionsvertrag der aktuellen Bundesregierung ist vereinbart, dass Dolly Ropes in dieser Legislatur verboten werden sollen. Ein solcher Schritt könnte, selbst wenn er zunächst nur national erfolgen würde, mehr Plastikmüll vermeiden als durch die Bergung der sogenannten Geisternetze je aus dem Meer geborgen werden kann. Es ist immer besser, Mülleinträge zu vermeiden, als sie mühsam wieder herauszufischen.

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