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Projekt

Glückliche Kühe?


Federführendes Institut MA Institut für Marktanalyse

© Inken Christoph-Schulz
Alm

Gesellschaftliche Erwartungen an die ökologische Milchviehhaltung

Die Haltung von Schweinen und Hühnern wird in Medien und Öffentlichkeit häufig diskutiert– die der Milchkühe kaum. Aber heißt das, die Haltung von Milchkühen ist nicht von Interesse, die Gesellschaft ist mit ihr einverstanden oder hat über sie gar keine Vorstellungen?

Hintergrund und Zielsetzung

Das Thünen-Institut für Marktanalyse will erfahren, welche Unterschiede zwischen den Haltungsformen – konventionell versus ökologisch – durch die Gesellschaft wahrgenommen oder auch erwartet werden. Außerdem wollen wir die Frage klären, inwieweit die Haltungsform ein Kaufkriterium darstellt.

Während sich viele Verbraucher und Bürger die Landwirtschaft aus den Bilderbüchern ihrer Kindheit wünschen, haben sich weite Bereiche der modernen Agrar- und Ernährungswirtschaft in Deutschland zu stark technisierten Branchen entwickelt. Als Folge wächst die Kluft zwischen den Landwirten auf der einen und einem Großteil der Gesellschaft auf der anderen Seite. Kritisiert wird dabei vor allem die Nutztierhaltung. In Bezug auf die Schweine- und Geflügelhaltung wurde schon viel geforscht. Doch wie nehmen gesellschaftliche Gruppen die Art und Weise wahr, wie Milchkühe in Deutschland gehalten werden? Was ist ihnen wichtig und was möchten sie geändert sehen? Bestehen kausale Zusammenhänge zwischen den Vorstellungen und ergeben sich daraus Konsequenzen für das Verhalten? Ziel der Studie ist es, die Wahrnehmung der Haltungsqualität von Milchkühen durch unterschiedliche gesellschaftliche Gruppen detailliert zu erfassen. Anschließend formulieren wir, welche Haltungsformen sich diese Gruppen wünschen. Landwirte und politische Entscheidungsträger erhalten so eine Orientierung über die Hauptkritikpunkte. Sie können dadurch reflektieren, wie sich die Wahrnehmung der Milchviehhaltung durch die Gesellschaft verbessern ließe. Von besonderem Interesse ist hier die Unterscheidung zwischen der konventionellen und ökologischen Milchviehhaltung. Dies beinhaltet sowohl vermutete als auch erwartete Unterschiede und die Frage nach den jeweiligen Vor- und Nachteilen.

Vorgehensweise

Das Projekt ist zweiteilig aufgebaut. Zu Beginn haben wir im Dezember 2013 in drei deutschen Städten (Hannover, Dresden, München) insgesamt sechs Gruppendiskussionen mit Bürgern durchgeführt. Der Fokus lag auf der Wahrnehmung bzw. den Vorstellungen der Teilnehmer, die Milchviehhaltung in Deutschland betreffend, sowie auf ihren Erwartungen an die Haltungsqualität. Von besonderem Interesse sind hier die Unterschiede zwischen den Wahrnehmungen und Erwartungen bezogen auf die ökologische Milchviehhaltung im Vergleich zur konventionellen. Hierauf aufbauend werden wir einen Fragebogen entwickeln, um die Ergebnisse der Gruppendiskussionen zu quantifizieren und weitergehend zu untersuchen.

Daten und Methoden

Die Gruppendiskussionen zeichnen wir auf. Die Aufnahmen werden anschließend abgeschrieben (transkribiert) und mit Hilfe offenen Codierens ausgewertet. Hierbei bilden wir Kategorien (zum Beispiel: Wahrnehmung Stall, Wunsch Platzangebot) und ordnen die in den Diskussionen gegebenen Antworten den verschiedenen Kategorien zu. Diese Ergebnisse geben für sich bereits viele Informationen. Sie dienen aber auch dazu, einen Online-Fragebogen zu erstellen, mit dem wir eine möglichst repräsentative Stichprobe von Bürgern in Deutschland zu den gleichen Themen befragen. Die Daten dieser Onlinebefragung werten wir unter anderem mit Faktor- und Clusteranalysen aus. So können wir sowohl die Einstellung der Befragten näher untersuchen als auch eine Einteilung der Befragten in unterschiedliche Gruppen (Cluster) vornehmen.

Ergebnisse

Im Großen und Ganzen wird die Milchviehhaltung von den meisten als stark technisiert wahrgenommen. Es werden „große[n] Ställe, wo die [Kühe] dann im übertragenen Sinne fließbandmäßig versorgt werden“ beschrieben und auch die Begriffe „Fabrik“ „Industrie“ und “steril” fallen. Einige Teilnehmer sind sicher, dass die Tiere nur eine minimale Bewegungsfreiheit besitzen und teilweise mit hunderten bis 1000 Tieren im Stall stehen. Viele der Diskutanten vermuten, dass die Tiere zusammen mit dem Futter auch prophylaktisch Medikamente, insbesondere Antibiotika, erhalten. Grund hierfür sei die Gefahr, dass sich die Tiere gegenseitig anstecken. Außerdem wird vermutet, dass die Tiere mit Antibiotika leistungsfähiger seien. Die Teilnehmer der Diskussionen betonen jedoch mehrheitlich, dass kranke Tiere Medikamente erhalten sollen. In Bezug auf die Fütterung wird vor allem das Kraftfutter von einigen Teilnehmern sehr kritisch gesehen. Kraftfutter wird in erster Linie als ein Mittel des Landwirtes angesehen, um die Milchleistung zu erhöhen und damit seinen Profit zu erhöhen. Zusätzlich wird vielfach vermutet, dass dem Futter verschiedene Zusätze beigemischt werden. Allerdings werden Futterzusätze nicht generell abgelehnt: Der Zusatz von Vitaminen und Mineralien wird von einigen Diskutanten akzeptiert. Jedoch wird vielfach die Einschränkung gemacht, dass es sich dabei nicht um chemische Zusätze handeln dürfte. Geht es um die Erwartungen wie die Milchviehhaltung sein sollte, steht das Platzangebot pro Tier und der Auslauf ins Freie an erster Stelle. Dabei geht es aber nicht nur um die Bewegung. Wichtig ist den Teilnehmern auch, dass die Tiere untereinander Kontakt aufnehmen können und selber auswählen können, was sie fressen. Ein weiterer für die Diskutanten relevanter Aspekt ist die Kontrolle der Betriebe und des Futters durch Tierärzte, um sicherzustellen, dass es den Tieren gut geht. Dass die vorgebrachten Wünsche und Erwartungen jedoch auch Konsequenzen haben, ist zumindest einigen klar. Diskutiert werden der erhöhte Platz- und Personalbedarf, aber auch die Frage nach einer möglichen Preisexplosion.

Publikationen

  1. 0

    Christoph-Schulz IB, Salamon P, Weible D (2015) What about the calves? : how society perceives dairy farming. In: Dumitras DE, Jitea IM, AertsS (eds) Know your food: food ethics and innivation 2015. Wageningen: Wageningen Academic Publ, pp 318-324, DOI:10.3920/978-90-8686-813-1_48

  2. 1

    Christoph-Schulz IB, Salamon P, Weible D (2015) What is the benefit of organically-reared dairy cattle? : societal perception towards conventional and organic dairy farming [online]. Int J Food Syst Dynam 6(3):139-146, zu finden in <http://centmapress.ilb.uni-bonn.de/ojs/index.php/fsd/article/download/632/494> [zitiert am 18.09.2015]

    https://literatur.thuenen.de/digbib_extern/dn055635.pdf

  3. 2

    Christoph-Schulz IB, Weible D, Salamon P (2015) Zwischen Heidi-Idyll und Agrarfabrik - zur Wahrnehmung der Milchviehhaltung. Jb Österr Gesellsch Agrarökon J Austrian Soc Agric Econ 24:245-254

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