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Landwirtschaftliche geprägte Landschaft, im Vordergrund eine Bank, im Hintergrund ein Ort
© Johanna Fick
Landwirtschaftliche geprägte Landschaft, im Vordergrund eine Bank, im Hintergrund ein Ort
Institut für

LV Lebensverhältnisse in ländlichen Räumen

Projekt

Innovative Ansätze der Daseinsvorsorge in ländlichen Räumen (InDaLE)



Wandbild der Freiwilligen Feuerwehr Harzgerode (Sachsen-Anhalt)
© Annett Steinführer
In vielen ländlichen Räumen Europas werden Brandschutz und technische Hilfeleistungen durch Freiwillige Feuerwehren gewährleistet.

Innovative Ansätze der Daseinsvorsorge in ländlichen Räumen - das Beispiel Feuerwehren

Daseinsvorsorge wird in jedem europäischen Land anders organisiert. Anhand von Modellprojekten im In- und Ausland untersuchten wir, was sich für die künftige Gestaltung verschiedener Daseinsvorsorgebereiche in Deutschland lernen lässt.

Hintergrund und Zielsetzung

Einrichtungen und Leistungen der Daseinsvorsorge lassen sich sehr unterschiedlich organisieren. Im europäischen Vergleich hängt ihre Ausgestaltung und Governance im besonderen Maße von nationalen wohlfahrtsstaatlichen Modellen sowie von vergangenen Entwicklungen ab, die wiederum Pfadabhängigkeiten in der Gegenwart begründen.

Im Verbundprojekt InDaLE untersuchten wir innovative Ansätze der Daseinsvorsorge in verschiedenen europäischen Ländern und prüften deren Anwendbarkeit und Übertragbarkeit in ländlichen Räumen in Deutschland.

Im Mittelpunkt des Forschungsprojekts standen folgende drei Bereiche der Daseinsvorsorge:

  • die medizinische Versorgung und Pflege, die in besonderem Maße für die Lebensqualität in ländlichen Räumen steht (verantwortlich: TU Dresden)
  • die nichtpolizeiliche Gefahrenabwehr, deren Gewährleistung unter anderem durch Freiwillige Feuerwehren vor allem in Abwanderungs- und Alterungsregionen längst nicht mehr selbstverständlich ist (verantwortlich: Thünen-Institut)
  • die nachschulische Bildung, über deren Effekte für die Regionalentwicklung es in Deutschland bislang wenig gesichertes Erfahrungswissen gibt (verantwortlilch: Universität Oldenburg)

Im Projekt untersuchten wir Fallbeispiele in Österreich, Schottland und Schweden sowie Modellprojekte in Deutschland.

Vorgehensweise

Vergleichend analysierten wir pro Daseinsvorsorgebereich zwischen fünf und sieben Fallbeispiele, insgesamt elf Modellprojekte im Ausland und sieben in Deutschland. Allen Fallbeispielen war gemeinsam, dass sie sich auf konkrete Probleme der Gewährleistung der Daseinsvorsorge in ländlichen Räumen in Deutschland beziehen lassen und entsprechende Lösungsvorschläge entwickelten und umsetzten.

Am Thünen-Institut für Lebensverhältnisse in ländlichen Räumen untersuchten wir den Daseinsvorsorgebereich nichtpolizeiliche Gefahrenabwehr mit Schwerpunkt auf (Freiwilligen) Feuerwehren in Österreich, Schottland und Deutschland.

Daten und Methoden

Für jeden Daseinsvorsorgebereich führten wir Literaturanalysen durch, um die Governancestrukturen in den Untersuchungsländern zu verstehen. Die Auswahl der Fallbeispiele erfolgte anhand eines Kriterienkatalogs und basierend auf einer intensiven Internetrecherche.

Die vertiefende Untersuchung der Fallbeispiele fand auf der Basis von 87 leitfadengestützten Interviews mit  Expertinnen und Experten statt (davon 26 für den Daseinsvorsorgebereich nichtpolizeiliche Gefahrenabwehr).

Unsere Forschungsfragen

InDaLE verfolgte drei wesentliche Forschungsfragen, die jeweils entsprechende Bewertungsansätze umfassten:

  1. Aufbereitung von guten Praxisprojekten anderer europäischer Länder: Welche Erfolgsfaktoren lassen sich herausarbeiten?
  2. Vergleich mit abgeschlossenen daseinsvorsorgebezogenen Modellprojekten in Deutschland: Welche Bedingungen ermöglichen, welche verhindern die Verstetigung der Projekte?
  3. Ableitung von Schlussfolgerungen: Was lässt sich aus dem Vergleich der ausländischen Praxisprojekte und der ausgewählten Modellprojekte für eine Anpassung der drei untersuchten Bereiche der standortbezogenen Daseinsvorsorge lernen?

Ergebnisse

Für die nichtpolizeiliche Gefahrenabwehr sind vier wesentliche Erkenntnisse hervorzuheben:

  • Das jahrzehntelange Funktionieren nichtpolizeilicher Gefahrenabwehr in ländlichen Räumen auf Freiwilligenbasis ist alles andere als selbstverständlich.
  • Die langfristige Sicherstellung von Brandschutz und technischer Hilfeleistung setzt neue Formen der Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Ressorts und administrativen Ebenen voraus.
  • Die Akzeptanz neuartiger Lösungsansätze kann erhöht werden, wenn den Ortsfeuerwehren ermöglicht wird, sie mitzugestalten.
  • Übergreifend lässt sich eine partielle Verlagerung und Neuverteilung tradierter Verantwortlichkeiten beobachten. Diese vollzieht sich noch weitgehend „unter dem Radar“ politischer wie wissenschaftlicher Aufmerksamkeit.

Innovative Ansätze der nichtpolizeilichen Gefahrenabwehr sind dadurch gekennzeichnet, dass sie:

  • Freiwillige durch regionale Koordinierung und hauptamtliche Unterstützung entlasten,
  • Brandschutzerziehung systematisieren und die Brandschutzaufklärung für Erwachsene ausweiten,
  • die lokale und gesellschaftliche Sichtbarkeit der Freiwilligen Feuerwehren und des damit verbundenen Ehrenamts erhöhen.

Übergreifend trug das InDaLE-Projekt zum wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn über die Governance und die Herausforderungen unterschiedlicher Daseinsvorsorgebereiche im europäischen Vergleich bei. Ein wesentliches Ergebnis sind die identifizierten Verstetigungsfaktoren innovativer Modellprojekte. Dazu zählen beispielsweise:

  • die zielgenaue Adressierung lokaler und regionaler Bedürfnisse und deren flexible Berücksichtigung bei der praktischen Umsetzung,
  • der Aufbau von Wissen und Kapazitäten durch die Weiterbildung der Projektakteure, den Erfahrungs- und Wissensaustausch mit anderen sowie die Reflexion eigener Lernprozesse,
  • die Umsetzung solcher Projekte im Rahmen von neuen interkommunalen, intersektoralen und/oder ebenenübergreifenden Kooperationen,
  • motivierte und fachlich kompetente Schlüsselpersonen, die zwischen Ebenen, Sektoren, Disziplinen und deren jeweiligen Logiken vermitteln,
  • die Entlastung und gleichermaßen die Wertschätzung des Ehrenamts,
  • die personelle und finanzielle Handlungsfähigkeit kommunaler Verwaltungen, um innovative Ansätze und Lösungen aufzunehmen und zu unterstützen,
  • die Unterstützung solcher Modellprojekte durch die Kommunal- und/oder die Landespolitik,
  • eine stabile oder langfristige Sicherung der Finanzierung.

Beteiligte externe Thünen-Partner

  • Akademie für Raumentwicklung in der Leibniz-Gemeinschaft (ARL)
    (Hannover, Deutschland)
  • Leibniz Universität Hannover
    (Hannover, Deutschland)
  • Technische Universität Dresden
    (Dresden, Tharandt, Deutschland)
  • Carl von Ossietzky Universität Oldenburg
    (Oldenburg, Deutschland)

Geldgeber

  • Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL)
    (national, öffentlich)

Zeitraum

7.2020 - 4.2023

Weitere Projektdaten

Förderprogramm: Bundesprogramm Ländliche Entwicklung
Projektstatus: abgeschlossen

Publikationen zum Projekt

  1. 0

    Voß W, Adam Hernández A, Bannert J, Brad A, Danielzyk R, Gebauer A, Klöden J, Mose I, Ortner A, Rutsch C, Schellworth C, Steinführer A, Tent N, Warner B, Weitkamp A (2023) Innovative Ansätze der Daseinsvorsorge in ländlichen Räumen - Lernen von Erfahrungen anderer europäischer Länder für Deutschland (InDaLE). V, 171 p

  2. 1

    Steinführer A, Brad A (2023) Innovative Ansätze ländlicher Daseinsvorsorge : Freiwillige Feuerwehren im Wandel. Braunschweig: Thünen-Institut für Lebensverhältnisse in ländlichen Räumen, 2 p, Project Brief Thünen Inst 2023/45, DOI:10.3220/PB1702017578000

    https://literatur.thuenen.de/digbib_extern/dn067320.pdf

  3. 2

    Steinführer A, Brad A (2023) Innovative approaches to public services in rural areas : Volunteer fire brigades in transition. Braunschweig: Thünen Institute of Rural Studies, 2 p, Project Brief Thünen Inst 2023/45a, DOI:10.3220/PB1702018123000

    https://literatur.thuenen.de/digbib_extern/dn067319.pdf

  4. 3

    Brad A, Adam Hernández A, Steinführer A (2023) Neuverteilung von Verantwortung? Brandschutzerziehung als Strategie zur Zukunftssicherung Freiwilliger Feuerwehren. Raumforsch Raumordn Spat Res Plann: in Press, DOI:10.14512/rur.1701

    https://literatur.thuenen.de/digbib_extern/dn067137.pdf

  5. 4

    Steinführer A, Brad A (2022) Freiwillige Feuerwehren. In: Neu C (ed) Handbuch Daseinsvorsorge : ein Überblick aus Forschung und Praxis. Berlin: VKU, pp 130-141

  6. 5

    Brad A, Adam Hernández A, Steinführer A (2022) Governance der Daseinsvorsorge. In: Heintel M, Franz Y (eds) Kooperative Stadt- und Regionalentwicklung. Wien: Facultas Verl- und Buchhandels AG, pp 110-127

  7. 6

    Tent N, Brad A, Klöden J, Adam Hernández A, Bannert J, Gebauer A (2021) A review of the challenges and strategies of delivering services of general interest in European rural areas. Europa XXI 41:77-105, DOI:10.7163/Eu21.2021.41.4

    https://literatur.thuenen.de/digbib_extern/dn064658.pdf

  8. 7

    Krajewski C, Steinführer A (2020) Daseinsvorsorge in ländlichen Räumen und ihre Ausgestaltung zwischen Staat, Markt und Ehrenamt. Schrr Bundeszentrale Polit Bildung 10362:242-260

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