
Die Abschaffung der Milchquote ist der letzte Baustein einer ganzen Reihe einschneidender Reformen. Diese Reformen haben das Geschehen auf dem Milchmarkt fundamental verändert.
Eine Quote stellt die Beschränkung eines Outputs dar. In vorliegendem Fall wurde das Milchangebot in der EU ab 1984 durch eine Quote begrenzt. Diese Maßnahme war notwendig, da die Ausgaben der EU-Kommission für die Preisstützung des Milchmarkts nicht mehr zu finanzieren waren. Außerdem bauten sich erhebliche Lagerbestände an Butter und Magermilchpulver auf. Im Allgemeinen wird in diesem Zusammenhang von „Butterbergen“ und „Milchseen“ gesprochen. Um das Problem zu entschärfen, entschloss sich die Politik, dass Milchangebot künftig zu begrenzen. Jedem EU-Mitgliedsstaat wurde eine nationale Produktionsmenge auf Basis historischer Produktionsmengen zugeteilt. Insgesamt wurden jedoch die garantierten Produktionsmengen höher angesetzt, als für den EU-Markt und dessen Versorgung notwendig gewesen wären. Das bedeutete, dass Exporte zwingend notwendig waren, um den EU-Markt nicht unter Druck zu setzen.
Für Produktionsmengen, die über die sogenannte Garantiemenge hinausgingen, mussten Strafzahlungen (Superabgabe) entrichtet werden. Deren Höhe war so gewählt, dass eine Mehrproduktion für Milcherzeuger in der Regel wirtschaftlich unattraktiv war.
Im Zeitverlauf wurde immer wieder an dem System der Milchquote gearbeitet. Insbesondere in Deutschland wurden Möglichkeiten geschaffen, die Milchquote von einem Erzeuger auf einen anderen Erzeuger zu übertragen. Mit dieser Flexibilisierung sollte dem betrieblichen Wachstum und dem gleichzeitig stattfindendem Strukturwandel Rechnung getragen werden. Zusätzlich wurde die Höhe der Quote im letzten Jahrzehnt ihres Bestehens immer wieder erhöht. Dies vor allem mit dem Ziel, den Ausstieg aus dem Quotenregime nicht abrupt stattfinden zu lassen.
In der Vergangenheit griff die Politik stark in das Marktgeschehen bei Milch ein. Mittels einer Marktpreisstützung sollten den Milcherzeugern auskömmliche Erzeugerpreise gesichert werden. Erreicht wurde dieses Ziel durch Ankäufe und Einlagerung von Butter sowie Magermilchpulver (öffentliche Intervention). So konnten sich in der EU Preise bilden, die weit über dem Niveau des Weltmarktes lagen. Dieses höhere Preisniveau konnte aber nur aufrechterhalten werden, indem der EU-Markt vom Weltmarkt abgeschottet wurde. Importzölle übernahmen diese Arbeit. Dabei wurde ein hoher Zoll angewendet, der die importierten Milchprodukte so teuer machte, dass sich ihre Einfuhr nicht mehr lohnte.
Diese Vorgehensweise hatte auch eine Kehrseite. Die verarbeiteten EU-Milchprodukte waren auf dem Weltmarkt nicht konkurrenzfähig. Sie waren zu teuer. Daher gewährte die EU-Kommission auf Antrag sogenannte Exporterstattungen. Indem die EU also für die Differenz zwischen dem heimischen (EU-)Preis und dem Weltmarktpreis für das betreffende Produkt aufkam, waren Exporte aus der EU wieder wettbewerbsfähig. Jedoch zu hohen Kosten (für die Allgemeinheit).
Seit dem Jahr 2000 wurde die EU-Marktordnung für Milch mehrmals entscheidend überarbeitet. Diese Änderungen erfolgten im Rahmen der Agenda 2000 (2000), der Luxemburger Beschlüsse (2003) und des Gesundheitschecks (2007). Insgesamt war es das Ziel, politische Eingriffe in den Milchmarkt abzubauen. Zu den Meilensteinen dieser politischen Umbau-Agenda zählen:
Steigende oder fallende Preise sind grundsätzlich nichts Schlimmes, sondern etwas Gutes. Denn eine Preisänderung ist auf einem funktionierenden Markt nichts anderes als ein Signal über den Zustand des Marktes: eine Aussage darüber, wie Angebot und Nachfrage zueinander stehen – ob ein Gleichgewicht vorliegt oder nicht. Ohne diesen Mechanismus kann kein Markt gut funktionieren.
Wenn ungefähr so viel Milch und Milcherzeugnisse hergestellt wie nachgefragt werden, dann ändert sich der Preis nicht. Befinden sich das Milchangebot und die Milchnachfrage in einem Ungleichgewicht, ändert sich der Preis. Die Preisänderung ist abhängig von der Richtung des Marktungleichgewichts:
Dies passiert so lange, bis sich ein neues Gleichgewicht einstellt. So zumindest im Idealfall. Manchmal kann es vorkommen, dass sich kurzfristig kein neues Gleichgewicht bilden kann (siehe Warum gibt es immer wieder Marktkrisen?).
Die Nachfrage nach Milch und Milcherzeugnissen in Deutschland bzw. in der EU ist mehr oder weniger stabil. Doch wird in der EU und in Deutschland weit mehr Milch erzeugt, als verbraucht wird. Diese „Mehrmengen“ müssen exportiert werden, damit der Marktpreis in der EU nicht sinkt. In normalen Marktsituationen können die Milchverarbeiter durch den Export gute Erlöse erzielen, die zum Unternehmensgewinn beitragen. Dadurch werden die heimischen Preise aber abhängig von den Marktentwicklungen für Milch und Milcherzeugnisse in der Welt. Diese Abhängigkeit ist der Grund, warum die Preise auch in Deutschland so stark schwanken können.
Trotz aller Veränderungen in der Milchmarktpolitik wird der Milchmarkt nicht allein gelassen. Das sogenannte Sicherheitsnetz, das aus der öffentlichen Intervention für Butter und Magermilchpulver besteht, gibt es weiterhin. Dabei werden Butter und Magermilchpulver durch öffentliche Stellen aufgekauft und eingelagert, um die Marktpreise zu stabilisieren.
Wie der Name schon sagt, handelt es sich um eine Maßnahme, die nur im Notfall, einer Marktkrise, angewendet werden soll. Entsprechend niedrig sind auch die Interventionspreise gesetzt. Für Butter beträgt der Interventionspreis 246,39 Euro pro Tonne und für Magermilchpulver 174,96 Euro je Tonne. Daraus kann ein theoretischer Milcherzeugerpreis von 19 Cent pro Kilogramm abgeleitet werden. Daneben können auf Antrag Mittel für die private Lagerhaltung von Butter und Magermilchpulver gewährt werden.
Außerdem können für die private Lagerhaltung von Butter, Magermilchpulver und Käse mit geschützter Ursprungskennzeichnung (g.g.U.) bzw. geschützter geografischer Angabe (g.g.A.) Zuschüsse gewährt werden. Anders als bei der öffentlichen Intervention verbleibt die Ware weiterhin im Besitz der Unternehmen. Diese Maßnahme dient dazu, bestimmte Mengen kurzfristig vom Markt zu nehmen und um sie zu einem späteren Zeitpunkt zu besseren Preisen zu verkaufen.
Zusätzlich verfügt die EU-Kommission über ein jährliches Budget von etwa 500 Millionen Euro, mit dem Maßnahmen zur Bekämpfung von Marktkrisen finanziert werden können. Dieses Budget steht jedoch nicht nur für den Milchmarkt, sondern für alle Agrarmärkte bereit.
Letztmalig wurden EU-Finanzmittel in Höhe von 500 Mio. Euro während der Marktkrise im Jahr 2016 als Ad-hoc-Maßnahme für den Milchmarkt bereitgestellt. Die Mittel verteilten sich im Rahmen des 2. EU-Hilfspakets wie folgt:
Während bei der ersten Maßnahme die teilnehmenden Milcherzeuger die Milchmenge reduzieren mussten, reichte bei der zweiten Maßnahme aus, die Milchmenge beizubehalten.
Die zentralen Herausforderungen für die Akteure des Milchmarktes sind eine marktgerechte Entwicklung des Milchangebots und der Umgang mit dem Preisrisiko. Für beide Herausforderungen existieren Lösungsansätze:
Die politischen Veränderungen seit 2000 führten dazu, dass der EU-Milchmarkt und damit auch der deutsche Milchmarkt in die internationalen Märkte integriert wurden. Seitdem verhalten sich diese Märkte anders.
Das Preisniveau für Milch und Milchprodukte war in der Vergangenheit bis 2007 eher stabil (siehe Abbildung). Denn der EU-Milchmarkt war stark vom Weltmarkt abgekoppelt. Das Angebot an Rohmilch im Jahresverlauf – bedingt durch die saisonale Milcherzeugung – verursachte die damaligen Preisschwankungen.
Heute ist der EU-Milchmarkt in die globalen Märkte integriert. Veränderungen in anderen bedeutenden Regionen der Milcherzeugung (Ozeanien, USA) und eine global veränderte Nachfrage durch z.B. Importverbote wie das Russlandembargo bestimmen den EU-Milchpreis. Die Preisschwankungen sind heute daher größer – nach unten, aber auch nach oben.
Dass die Milchwirtschaft stark vom Export abhängig ist, begünstigt die Anfälligkeit der Preise. In Deutschland werden etwa 49 Prozent der verarbeiteten Milchprodukte exportiert. Dies sowohl in andere EU-Mitgliedstaaten als auch an Drittstaaten. Lediglich 37 Prozent werden über den deutschen Lebensmitteleinzelhandel (LEH) verkauft. Die restlichen 14 Prozent der Milchprodukte gehen an die weiterverarbeitende Industrie.