Gutes Morgen
Mit EiLT starten wir am Thünen-Institut ein „Experimentelles, interdisziplinäres Landschaftslabor“, in dem wir gemeinsam Landnutzungssysteme der Zukunft erdenken, entwickeln und erproben werden.
Gesellschaftliche Veränderungen beginnen häufig mit einer Idee, geboren am Schreibtisch. Nicht selten steckt dahinter eine wirtschaftliche Notwendigkeit. Wäre das Prinzip der Vorratsnachhaltigkeit im Wald entstanden, wenn Hans Carl von Carlowitz nicht deutlich gesagt hätte, dass Wälder nicht endlos Baumaterial nachliefern? Gäbe es die berühmten Thünenschen Ringe, hätte Johann Heinrich von Thünen nicht so intensiv darüber nachgedacht, wie die Versorgung der Städte sichergestellt werden kann und Bauern zugleich aus ihren Erträgen mehr Gewinn erzielen? Wenn Systeme an ihre Grenzen kommen und alte Strukturen nicht mehr tragen, wächst daraus Neues. In dieser Tradition steht EiLT.
EiLT ist nicht nur die Kurzform des wissenschaftlichen Projektnamens „Experimentelles interdisziplinäres Landschaftslabor am Thünen-Institut zur Forschung, Entwicklung, Erprobung und Demonstration von Landnutzungssystemen der Zukunft“. EiLT heißt auch: Wir leben in einer Zeit, in der uns die Zeit davonläuft.
Auf den Feldern, dem Grünland und im Wald am Thünen-Standort in Trenthorst hat die Zukunft schon begonnen: Die Konzepte für neun Experimentierfelder sind in den Köpfen unserer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler entstanden. Nun erproben und demonstrieren wir in der Realität, ob die Praxis hält, was die Theorie erwartet.
Schon in wenigen Jahren werden die Agrar- und Ernährungssysteme nicht zuletzt klimawandelbedingt anders aussehen müssen als die heutigen. Doch unter welchen Bedingungen sollen Äcker und Wiesen in Zukunft umgestaltet werden? Wie kann Boden maximal genutzt werden und dennoch gesund und artenreich sein? Wie können Landwirt*innen zusätzliches Einkommen erwirtschaften? Wie klappt die Aufforstung auf ehemals als Acker genutzten Flächen? Und können wir in Zukunft Teichwirtschaft mit völlig neuen Nutzungsarten profitabel und gleichzeitig nachhaltig kombinieren?
Knapp 600 Hektar land- und forstwirtschaftliche Fläche stehen dafür zur Verfügung – das entspricht rund 840 Fußballfeldern. Wir konzentrieren uns auf diesem ausgedehnten Areal auf solche Experimente, die in anderen Landschaftslaboren oder Versuchsstationen nicht oder nur eingeschränkt durchgeführt werden können. In den einzelnen Experimentierfeldern arbeiten Thünen-Forschende interdisziplinär. Und: Die Experimente bauen auf vorhandenem Wissen auf und eröffnen zugleich an den Schnittstellen Räume für neue Fragen und damit kreative Ideen. Die Ergebnisse sind so offen wie die Zukunft, aber wir wollen diese Zukunft gestalten. Deshalb „EiLen“ wir in Richtung eines „Guten Morgen“.
Die acht Experimentierfelder im Einzelnen
Beteiligte Institute: WF HF FG WO
Momentan geht alles zu schnell: Durch den Klimawandel verändern sich insbesondere Umweltfaktoren wie Wasserversorgung, Temperatur oder auch Nährstoffgehalt im Boden, die für das Wachstum von Bäumen wichtig sind, rasant. Die Bäume können sich nicht mehr innerhalb eines Lebenszyklus auf natürliche Art an die neuen Bedingungen anpassen. Aktuell suchen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler daher vor allem nach Baumarten, die unter veränderten Standortbedingungen wachsen und gleichzeitig eine für die stoffliche Holznutzung geeignete Qualität ausbilden. Sie entwickeln Konzepte, wie Wälder künftig aufgeforstet werden sollten, damit ihre Ökosystemleistungen erhalten bleiben.
In Trenthorst werden seit ungefähr 15 Jahren immer wieder neue Versuchsflächen angelegt. Dabei wurden in den vergangenen Jahren vor allem Baumarten wie Aspen, Pappeln und Weiden getestet, die schnell wachsen und deren Holz nach relativ kurzer Zeit genutzt werden kann. Im Landschaftslabor EiLT werden nun Baumarten angepflanzt, denen vielversprechende Anbaueigenschaften in Klimawandel nachgesagt und die von der Bund-Länder-Arbeitsgruppe Forstliche Genressourcen und Forstsaatgutrecht als besonders zukunftsfähig eingestuft werden. Dazu zählen seltene heimische wie Hainbuche, Spitzahorn, Winterlinde und Elsbeere, europa-heimische wie Nordmanntanne, Orientbuche und Baumhasel, aber auch außereuropäische Baumarten wie die Roteiche.
Die Äcker, auf denen die Bäume angepflanzt werden, sind ebenfalls Objekte des wissenschaftlichen Interesses: Die Forschenden wollen herausfinden, wie ein Boden, der durch jahrzehntelange landwirtschaftliche Nutzung hochverdichtet ist und keine Waldboden-Strukturen aufweist, bearbeitet werden muss, damit Waldbäume gut anwachsen und sich entwickeln.
Um die Versuchsergebnisse wissenschaftlich zu präzisieren, werden die Herkunftsversuche gleichzeitig an mehreren, über Deutschland verteilten Standorten mit unterschiedlichen Klimabedingungen angepflanzt. Zudem werden Samenplantagen angelegt, auf denen mittelfristig züchterisch erzeugtes, hochwertiges Vermehrungsgut erzeugt werden soll.

Beteiligte Institute: OL HF
Dürre und Hitze treffen vor allem die Weidewirtschaft: Die Tiere leiden nicht nur unter der Hitze. Ihre Versorgung mit Futter ist ebenfalls gefährdet. Insbesondere sogenannte agrosilvopastorale Systeme, also die Kombination aus Gehölzen und Tieren auf beweidbaren Acker- und Grünlandflächen werden als eine mögliche Lösung diskutiert. Nicht nur, weil sie die Folgen der Hitze abmildern und das Laub der Gehölze zusätzliches Futter bieten können. Die gemischt genutzten Flächen könnten auch als Kohlenstoff-Senken Treibhausgasemissionen aus der landwirtschaftlichen Produktion kompensieren, die Biodiversität fördern und landwirtschaftlichen Betrieben zusätzliches Einkommen verschaffen. Die Wechselwirkungen dieser agrarisch und forstlich nicht mehr scharf getrennten Flächen sind in Deutschland allerdings wissenschaftliches Neuland. Langzeitversuche gab es bisher gar nicht.
In Trenthorst werden nun verschiedene Pflanzungen angelegt, um beispielsweise herauszufinden, welche Effekte verschiedene Baum- und Straucharten in einem kombinierten System auf Boden, Pflanzen, Tiere und den Ackerbau haben. Untersucht wird aber auch die Beweidung bestehender Gehölzstrukturen. Wesentlicher Bestandteil der Betrachtung wird zudem die Frage nach Art und Nutzung der Pflanzungen sein.

Beteiligte Institute: BW OL HF MA
2024 waren 4,7 Millionen Hektar bzw. 28 Prozent der landwirtschaftlich genutzten Fläche in Deutschland Dauergrünland. Diese Nutzung ist vor allem unter Klimaschutz- und Biodiverstitätsaspekten vorteilhaft. Ein großer Teil des Grünlandes wird jedoch für die 10,5 Millionen in Deutschland lebenden Rinder, davon 3,8 Millionen Milchkühe, sowie für 1,5 Millionen Schafe genutzt. Die Haltung von Wiederkäuern ist allerdings eine wesentliche Quelle von Treibhausgasemissionen, insbesondere durch den Ausstoß von Methan. In Trenthorst sollen nun alternative Formen der Grünlandnutzung (Dauergrünland und Wechselgrünland auf Ackerflächen) entwickelt, erprobt und auf ihre ökologischen und ökonomischen Wirkungen hin analysiert werden. Grünschnitt, der aufgrund von Naturschutzbestimmungen als Futtermittel ausfällt, könnte zum Beispiel für die Papierherstellung oder auch die Insektenzucht genutzt werden. Eine andere Möglichkeit wäre es, Weidetiere zu halten, die keine Wiederkäuer, aber dennoch für die menschliche Ernährung geeignet sind. Dazu zählen etwa Geflügel oder auch Tierarten, die bisher in Deutschland nicht gehalten werden. Für alle möglichen Nutzungsalternativen sollen ein Systemvergleich mit einheitlichen Indikatoren durchgeführt sowie die praktischen Vermarktungsmöglichkeiten der Endprodukte untersucht werden.
Beteiligte Institute: AT HF
Je vielfältiger Agrarlandschaften gestaltet werden, desto unterschiedlicher wird die anfallende Biomasse sein. Zudem wird sie jeweils in geringerer Menge anfallen. Bisher sind solche kleinen Mengen bestimmter Biomassen nicht oder nur in geringem Umfang wirtschaftlich nutzbar. Sie könnten aber als Rohstoff wertvoll sein, wenn sie direkt vor Ort in einer Hofraffinerie vorverarbeitet werden. Im Landschaftslabor Trenthorst sollen Verarbeitungsprozesse für diese unterschiedlichen Biomassen entwickelt werden. Im Idealfall entsteht eine Hofraffinerie.
Die Idee dahinter: Mit Kleinstraffinerien können resiliente, ressourceneffiziente und nachhaltige Wertschöpfungsketten aufgebaut und lokale Stoffkreisläufe in der Land- und Forstwirtschaft geschlossen werden. Wichtigstes Ziel ist es, durch möglichst einfache und flexibel einsetzbare Verfahren die Biomassen so aufzubereiten, dass sie dann hochwertig stofflich genutzt werden können. Der Plan ist es, einen Teil der Biomasse direkt vor Ort auf dem Hof weiter zu nutzen. Der andere Teil hingegen wird in Form von hochwertigen Vorprodukten an zentralere Einrichtungen zur Weiterverarbeitung geliefert.