Gutes Morgen
Mit EiLT startet das Thünen-Institut am Standort Trenthorst ein experimentelles Landschaftslabor, in dem Landnutzungssysteme der Zukunft entwickelt und erprobt werden.
Die Agrar- und Ernährungssysteme der Zukunft werden nicht zuletzt klimawandelbedingt anders aussehen als die heutigen. Doch unter welchen Bedingungen sollen Äcker und Wiesen in den nächsten Jahren bewirtschaftet und umgestaltet werden? Wie kann Boden maximal genutzt werden und dennoch gesund und artenreich sein? Wie können Landwirt*innen zusätzliches Einkommen erwirtschaften? Und wie klappt eigentlich die Aufforstung auf ehemals als Acker genutzten Flächen?
Das Thünen-Institut widmet sich in seinem Landschaftslabor EiLT in Trenthorst diesen gesellschaftlich relevanten Fragen, um Nutzungskonzepte und Innovationen so zu entwickeln, dass sie gleichermaßen für die landwirtschaftliche Praxis wie auch für die Gesellschaft tragfähig sind. EiLT steht für „Experimentelles interdisziplinäres Landschaftslabor am Thünen-Institut zur Forschung, Entwicklung, Erprobung und Demonstration von Landnutzungssystemen der Zukunft“.
Auf rund 600 Hektar Fläche werden zunächst neun Experimentierfelder umgesetzt. Dabei konzentrieren wir uns auf solche Experimente, die in anderen Landschaftslaboren oder Versuchsstationen nicht oder nur eingeschränkt durchgeführt werden können. In den einzelnen Experimentierfeldern arbeiten Thünen-Forschende interdisziplinär. Einige Experimente haben den Stil eines Demonstrationsvorhabens, andere testen in der Praxis, was am Schreibtisch erdacht wurde. Weitere werden als klassischer Versuch mit statistisch auswertbarem Design angelegt.
Die neun Experimentierfelder im Einzelnen
Beteiligte Institute: WF HF FG WO
Momentan geht alles zu schnell: Durch den Klimawandel verändern sich insbesondere Umweltfaktoren wie Wasserversorgung, Temperatur oder auch Nährstoffgehalt im Boden, die für das Wachstum von Bäumen wichtig sind, rasant. Die Bäume können sich nicht mehr innerhalb eines Lebenszyklus auf natürliche Art an die neuen Bedingungen anpassen. Aktuell suchen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler daher vor allem nach Baumarten, die unter veränderten Standortbedingungen wachsen und gleichzeitig eine für die stoffliche Holznutzung geeignete Qualität ausbilden. Sie entwickeln Konzepte, wie Wälder künftig aufgeforstet werden sollten, damit ihre Ökosystemleistungen erhalten bleiben.
In Trenthorst werden seit ungefähr 15 Jahren immer wieder neue Versuchsflächen angelegt. Dabei wurden in den vergangenen Jahren vor allem Baumarten wie Aspen, Pappeln und Weiden getestet, die schnell wachsen und deren Holz nach relativ kurzer Zeit genutzt werden kann. Im Landschaftslabor EiLT werden nun Baumarten angepflanzt, denen vielversprechende Anbaueigenschaften in Klimawandel nachgesagt und die von der Bund-Länder-Arbeitsgruppe Forstliche Genressourcen und Forstsaatgutrecht als besonders zukunftsfähig eingestuft werden. Dazu zählen seltene heimische wie Hainbuche, Spitzahorn, Winterlinde und Elsbeere, europa-heimische wie Nordmanntanne, Orientbuche und Baumhasel, aber auch außereuropäische Baumarten wie die Roteiche.
Die Äcker, auf denen die Bäume angepflanzt werden, sind ebenfalls Objekte des wissenschaftlichen Interesses: Die Forschenden wollen herausfinden, wie ein Boden, der durch jahrzehntelange landwirtschaftliche Nutzung hochverdichtet ist und keine Waldboden-Strukturen aufweist, bearbeitet werden muss, damit Waldbäume gut anwachsen und sich entwickeln.
Um die Versuchsergebnisse wissenschaftlich zu präzisieren, werden die Herkunftsversuche gleichzeitig an mehreren, über Deutschland verteilten Standorten mit unterschiedlichen Klimabedingungen angepflanzt. Zudem werden Samenplantagen angelegt, auf denen mittelfristig züchterisch erzeugtes, hochwertiges Vermehrungsgut erzeugt werden soll.
Beteiligte Institute: OL HF
Dürre und Hitze treffen vor allem die Weidewirtschaft: Die Tiere leiden nicht nur unter der Hitze. Ihre Versorgung mit Futter ist ebenfalls gefährdet. Insbesondere sogenannte agrosilvopastorale Systeme, also die Kombination aus Gehölzen und Tieren auf beweidbaren Acker- und Grünlandflächen werden als eine mögliche Lösung diskutiert. Nicht nur, weil sie die Folgen der Hitze abmildern und das Laub der Gehölze zusätzliches Futter bieten können. Die gemischt genutzten Flächen könnten auch als Kohlenstoff-Senken Treibhausgasemissionen aus der landwirtschaftlichen Produktion kompensieren, die Biodiversität fördern und landwirtschaftlichen Betrieben zusätzliches Einkommen verschaffen. Die Wechselwirkungen dieser agrarisch und forstlich nicht mehr scharf getrennten Flächen sind in Deutschland allerdings wissenschaftliches Neuland. Langzeitversuche gab es bisher gar nicht.
In Trenthorst werden nun verschiedene Pflanzungen angelegt, um beispielsweise herauszufinden, welche Effekte verschiedene Baum- und Straucharten in einem kombinierten System auf Boden, Pflanzen, Tiere und den Ackerbau haben. Untersucht wird aber auch die Beweidung bestehender Gehölzstrukturen. Wesentlicher Bestandteil der Betrachtung wird zudem die Frage nach Art und Nutzung der Pflanzungen sein.
Beteiligte Institute: BW OL HF MA
2024 waren 4,7 Millionen Hektar bzw. 28 Prozent der landwirtschaftlich genutzten Fläche in Deutschland Dauergrünland. Diese Nutzung ist vor allem unter Klimaschutz- und Biodiverstitätsaspekten vorteilhaft. Ein großer Teil des Grünlandes wird jedoch für die 10,5 Millionen in Deutschland lebenden Rinder, davon 3,8 Millionen Milchkühe, sowie für 1,5 Millionen Schafe genutzt. Die Haltung von Wiederkäuern ist allerdings eine wesentliche Quelle von Treibhausgasemissionen, insbesondere durch den Ausstoß von Methan. In Trenthorst sollen nun alternative Formen der Grünlandnutzung (Dauergrünland und Wechselgrünland auf Ackerflächen) entwickelt, erprobt und auf ihre ökologischen und ökonomischen Wirkungen hin analysiert werden. Grünschnitt, der aufgrund von Naturschutzbestimmungen als Futtermittel ausfällt, könnte zum Beispiel für die Papierherstellung oder auch die Insektenzucht genutzt werden. Eine andere Möglichkeit wäre es, Weidetiere zu halten, die keine Wiederkäuer, aber dennoch für die menschliche Ernährung geeignet sind. Dazu zählen etwa Geflügel oder auch Tierarten, die bisher in Deutschland nicht gehalten werden. Für alle möglichen Nutzungsalternativen sollen ein Systemvergleich mit einheitlichen Indikatoren durchgeführt sowie die praktischen Vermarktungsmöglichkeiten der Endprodukte untersucht werden.
Beteiligte Institute: AT HF
Je vielfältiger Agrarlandschaften gestaltet werden, desto unterschiedlicher wird die anfallende Biomasse sein. Zudem wird sie jeweils in geringerer Menge anfallen. Bisher sind solche kleinen Mengen bestimmter Biomassen nicht oder nur in geringem Umfang wirtschaftlich nutzbar. Sie könnten aber als Rohstoff wertvoll sein, wenn sie direkt vor Ort in einer Hofraffinerie vorverarbeitet werden. Im Landschaftslabor Trenthorst sollen Verarbeitungsprozesse für diese unterschiedlichen Biomassen entwickelt werden. Im Idealfall entsteht eine Hofraffinerie.
Die Idee dahinter: Mit Kleinstraffinerien können resiliente, ressourceneffiziente und nachhaltige Wertschöpfungsketten aufgebaut und lokale Stoffkreisläufe in der Land- und Forstwirtschaft geschlossen werden. Wichtigstes Ziel ist es, durch möglichst einfache und flexibel einsetzbare Verfahren die Biomassen so aufzubereiten, dass sie dann hochwertig stofflich genutzt werden können. Der Plan ist es, einen Teil der Biomasse direkt vor Ort auf dem Hof weiter zu nutzen. Der andere Teil hingegen wird in Form von hochwertigen Vorprodukten an zentralere Einrichtungen zur Weiterverarbeitung geliefert.