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Expertise

Lebensmittelabfälle belasten die Umwelt

Thomas Schmidt | 21.06.2022


MA Institut für Marktanalyse

In welcher Größenordnung belasten deutsche Lebensmittelabfälle die Umwelt? Und wie viel Treibhausgase ließen sich einsparen, wenn wir es laut dem Ziel der Vereinten Nationen bis 2030 schaffen, die Nahrungsmittelverschwendung pro Kopf auf Einzelhandels- und Verbraucherebene zu halbieren?

Um diese Fragen zu beantworten, hat das Thünen-Institut im Rahmen des Verbundprojekts REFOWAS ein Ökobilanzmodell für den gesamten deutschen Ernährungssektor entwickelt. Hiermit lässt sich berechnen, welche Umweltwirkungen die verschiedenen Lebensmittel haben, die in Deutschland verzehrt werden. Die Berechnung umfasst den gesamten Lebenszyklus eines Produkts, beginnend bei der Rohstoffgewinnung. Neben der inländischen Erzeugung werden auch im- und exportierte Lebensmittel sowie Abfälle in der gesamten Wertschöpfungskette berücksichtigt.

Das Modell umfasst zwölf Produktgruppen, die alle wesentlichen Lebensmittelbereiche abdecken:

  1. Fleisch und Fleischprodukte
  2. Eier und Eiprodukte
  3. Milch und Milchprodukte
  4. Getreide und Getreideprodukte
  5. Kartoffeln und Kartoffelprodukte
  6. Sonstige Nahrungsmittel (wie Gewürze, Soßen etc.)
  7. Öle und Fette
  8. Zucker und Süßigkeiten
  9. Gemüse und Gemüseprodukte
  10. Obst und Obstprodukte
  11. Fisch und Fischprodukte
  12. Getränke (Leitungswasser, Limonaden, Kaffee, Tee, alkoholische Getränke etc.)

Bisher wurden die Umweltwirkungen anhand von drei Wirkungskategorien beurteilt: Landnutzung (landwirtschaftlich), Treibhausgasemissionen und der kumulierte Energieaufwand.

Die Wirkungskategorie „Landnutzung“ fasst alle Flächen zusammen, die für den Anbau eines Lebensmittels inklusive etwaiger Futtermittel notwendig sind. Je größer der Wert bei der Landnutzung, desto mehr landwirtschaftliche Fläche wird von diesem Lebensmittel benötigt. Diese Fläche steht damit für andere Nutzungen (z.B. Siedlungs-, Erholungs-, Naturschutzgebiet) nicht mehr zur Verfügung. Die Landnutzung wird in der Einheit „Hektar pro Jahr (ha/a)“ berechnet.

Treibhausgasemissionen (THG) entstehen durch verschiedene Prozesse und umfassen gasförmige Emissionen (z.B. bei der Verbrennung von Treibstoffen durch Landmaschinen oder beim mikrobiellen Abbau von organischer Substanz). Je mehr THG während der Produktion eines Lebensmittels freigesetzt werden, umso größer ist die schädliche Wirkung auf unser Klima. THG werden in der Einheit Kohlenstoffdioxid-Äquivalente (CO2-Äquivalente) dargestellt.

Alle Energieträger (z.B. Treibstoffe), die für die Herstellung eines Lebensmittels erforderlich sind, werden für die Berechnung des „kumulierten Energieaufwands“ (KEA) berücksichtigt. Energieträger wie Kohle, Erdgas oder Erdöl verursachen bei ihrer Gewinnung und Verarbeitung zahlreiche negative Auswirkungen auf die Umwelt (z.B. Bergbau). Je höher der KEA, desto mehr Energie muss eingesetzt werden und desto größer sind die negativen Folgen für die Umwelt. Die Einheit für den KEA ist Gigajoule (GJ).

Mit Hilfe des Ökobilanzmodells konnte berechnet werden:

Treibhausgasemissionen pro Kilogramm Lebensmittel

Die Abbildung zeigt alle Treibhausgasemissionen der Lebensmittelherstellung und -verarbeitung für einzelne Produkte und Sektoren. Die gezeigten Werte beziehen sich einerseits auf ein Kilogramm landwirtschaftliches Rohprodukt (Hoftor) und andererseits auf die fertig zubereiteten Speisen (Verzehr).

So enthält die Produktgruppe Getreide beispielsweise auch verarbeitete Erzeugnisse wie Brot etc. Die Fleischproduktion und -verarbeitung verursacht pro Kilogramm hohe bis sehr hohe Belastungen für die Umwelt. Viele Getränke bestehen größtenteils aus Zucker und/oder Wasser, weshalb das Ausgangsprodukt (z.B. reiner Saft) je Kilogramm eine höhere Belastung verursacht als das Endprodukt. Kartoffeln weisen in der Urproduktion eine relativ geringe Belastung auf, doch wirkt sich hier die Verarbeitung (z.B. Frittieren) stark auf die Umwelt aus.

Auswirkungen des deutschen Lebensmittelkonsums auf die Umwelt

Für die Produktion von Lebensmitteln, die in Deutschland verzehrt werden, werden insgesamt 38 Mio. Hektar landwirtschaftliche Fläche pro Jahr benutzt. Gleichzeitig setzt der deutsche Ernährungssektor etwa 177 Mio. Tonnen an CO2-Äquivalenten frei. Für alle Aktivitäten wird ein Energieaufwand von 3,7 Mrd. Gigajoule benötigt.

Auswirkungen einer Abfallreduzierung auf die Umwelt

Deutschland hat sich verpflichtet, bis 2030 die Lebensmittelverschwendung pro Kopf auf Einzelhandels- und Verbraucherebene zu halbieren. Wenn dieses Ziel erreicht wird, könnten die Treibhausgasemissionen theoretisch um rund 9% gegenüber dem derzeitigen Zustand gesenkt werden (siehe gelbe Säule in der Abbildung oben).

Bei der Modellierung der Reduktionsszenarien wurde von einer gleichbleibenden Verzehrmenge ausgegangen – mit einer reduzierten Abfallmenge auf allen Stufen der Wertschöpfungskette.

Die Ergebnisse entsprechen damit dem größtmöglichen Einsparpotenzial durch vermiedene Lebensmittelabfälle. Umweltwirkungen von Vermeidungsmaßnahmen, Rebound-Effekte o.ä. werden dabei nicht berücksichtigt. Allerdings wird die gesamte Wertschöpfungskette von der Erzeugung über die Produktion bis hin zum Verzehr betrachtet.

Die Erkenntnisse aus der Umwelt- und Nachhaltigkeitsbewertung fließen in unsere Empfehlungen ein, die in Fachzeitschriften (Sustainability-Artikel nur auf Englisch verfügbar) und im Eigenverlag veröffentlicht werden.

Auf Basis einer Methode des Joint Research Centers (JRC) hat unser Team eine Methode für eine Nachhaltigkeitsbewertung entwickelt, die auf unsere Fallstudien angewandt werden kann. Die Fragestellungen decken solche zu Lebensmittelverlusten und -abfällen, aber auch zu verwandten Themen wie CO2-Abdrücke in der Lebensmittelkette oder Coplant ab.

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