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Projekt

Ökolandbau 2002 in Deutschland, wie sieht es in der Praxis aus?


Federführendes Institut OL Institut für Ökologischen Landbau

Verteilung der 218 Projektbetriebe
© Thünen-Institut

Bundesweite repräsentative Erhebung und Analyse der verbreiteten Produktionsverfahren, der realisierten Vermarktungswege und der wirtschaftlichen sowie sozialen Lage ökologisch wirtschaftender Betriebe und Aufbau eines bundesweiten Praxis-Forschungs-Netzes

Ökologisch wirtschaftende Betriebe zeichnen sich durch eine außerordentliche Vielfalt aus. Sie wird u. a. bestimmt durch die natürlichen Standortbedingungen, die konventionelle Ausgangssituation, die betriebsindividuellen Entwicklungspfade von der Umstellung bis zur Etablierung der ökologischen Wirtschaftsweise, die unterschiedlichen Richtlinien der Erzeugerverbände, die sozio-ökonomischen Rahmenbedingungen und die Fähigkeiten.

Hintergrund und Zielsetzung

Bis heute fehlt es aber an einer systemorientierten Evaluation des ökologischen Landbaus, die sowohl produktionstechnische als auch sozio-ökonomische Aspekte integriert und dem Anspruch gerecht wird, die ganzheitlichen Belange von Biobetrieben zu erfassen. Durch den Aufbau eines bundesweiten Netzes ökologisch wirtschaftender Betriebe in 2002 und 2003 und deren mehrjährige Begleitung durch die Wissenschaft soll diesem Defizit begegnet werden. Dadurch kann eine nachhaltig verfügbare und belastbare Datengrundlage geschaffen werden, deren weitere Auswertung für die Weiterentwicklung der Produktionssysteme ebenso wie für die Politikberatung sehr nutzbringend ist.

Die vorliegenden offiziellen Datensätze von ökologisch bewirtschafteten Betrieben (aus der Agrarberichterstattung und der Landwirtschaftszählung) geben zwar eine gewisse Auskunft über die Erzeugungsgrundlagen und -strukturen sowie über Kosten, Erlöse und Einkommenslage wieder. Detaillierte Daten zu einzelnen Produktionsverfahren und Haltungssystemen, zu Vermarktungswegen, zu den innerbetrieblichen Interdependenzen, Kooperationsformen und den Sichtweisen der Betriebsleiter und ihrer Familien sind in diesen Datensätzen jedoch nicht enthalten.

Ziel des Vorhabens war es deshalb, eine umfassende Struktur- und Situationsanalyse zum ökologischen Landbau in Deutschland vorzunehmen und die Grundlage für die Schaffung eines längerfristigen Praxis-Forschungs-Netzwerkes zu legen.


Vorgehensweise

Hierzu wurden in einer bundesweiten Erhebung auf 218 zufällig ausgewählten ökologisch bewirtschafteten Betrieben die verschiedenen Produktionsverfahren und Haltungssysteme, die realisierten Vermarktungswege und Kooperationsformen sowie wichtige ökonomische und sozioökonomische Daten in einem interdisziplinären Rahmen detailliert erhoben und analysiert.

Mit Hilfe der Kontrollstellen wurden im ersten Schritt eine 10-prozentige Zufallsauswahl aller nach der EU-Öko-Verordnung (VO EWG 2092/91) kontrollierten landwirtschaftlichen Betriebe gezogen (1.279 Betriebe). Im zweiten Schritt wurden Betriebe aus dem Sample aussortiert, die folgende Kriterien nicht erfüllten: Umstellungszeitpunkt vor dem 31.12.1998  (damit 2001 bereits anerkannte ökologische Ware vermarktet werden konnte), landwirtschaftlich genutzte Fläche > 1 Hektar und Betriebe deren Produktionsschwerpunkt  Sonderkulturen (wie Weinbau oder Gartenbau) darstellten wurden ausgeschlossen. Um die regionalen Spezifika der landwirtschaftlichen Produktion bei der zufälligen Stichprobenziehung hinreichend zu berücksichtigen, wurden fünf Regionen definiert, die hinsichtlich ihrer naturräumlichen und agrarstrukturellen Gegebenheiten vergleichbarer sind. Nach dem Verfahren der wurzelproportionalen Aufteilung bzw. nach diesen Regionen geschichtet, wurden nun die Untersuchungsbetriebe ermittelt.

In zwei mehrstündigen Interviews wurden wichtige Basisdaten für die Disziplinen Pflanzenbau, Tierhaltung, Betriebswirtschaft und Sozio-Ökonomie erhoben. Insgesamt sind rund 300 Fragen mit bis zu 15.000 Variablen erhoben und statistisch auswertbar gemacht worden.

Ergebnisse

Die 218 erhobenen ökologisch wirtschaftenden Betriebe zeichnen sich durch eine außerordentliche Vielfalt aus, die bestimmt wird u.a. durch die natürlichen Standortbedingungen, die konventionelle Ausgangssituation, die betriebsindividuellen Entwicklungspfade von der Umstellung bis zur Etablierung der ökologischen Wirtschaftsweise, die unterschiedlichen Richtlinien der Erzeugerverbände, die sozio-ökonomischen Rahmenbedingungen und die Fähigkeiten, Erwartungen sowie Präferenzen der Betriebsleiter.

Die untersuchten Betriebe bewirtschaften im Durchschnitt 103 ha LF, wovon 54 ha als Ackerland genutzt wird. 32% der erhobenen Betriebe werden im Nebenerwerb bewirtschaftet - allerdings in vergleichsweise kleinen Betrieben, so dass ihr Anteil an der erhobenen LF nur 7% beträgt.

Die Gliederung der Stichprobe nach Betriebsform zeigt den im ökologischen Landbau üblichen geringen Spezialisierungsgrad: 40% der Betriebe zählen sich zur Gruppe der Gemischtbetriebe, 39% der Betriebe ordnen sich in die Gruppe der Futterbaubetriebe ein, 19% zu den Marktfruchtbetrieben (41 Betriebe, darunter 23 viehlose Ackerbaubetriebe) und nur 2% zu den Veredelungsbetrieben. Der größte Teil der erhobenen Betriebe bewirtschaftet sowohl Acker- als auch Dauergrünland (67%). Etwa ein Viertel der Untersuchungsgruppe sind jedoch als Dauergrünlandbetriebe zu charakterisieren, und 10% der Betriebe gehören zur Kategorie der reinen Ackerbaubetriebe. In Abhängigkeit von der geographischen Lage unterscheidet sich das Acker-Grünlandverhältnis deutlich. Im deutschlandweiten Durchschnitt liegt der Dauergrünlandanteil 48% der LF. Je nach Region differiert der Grünlandanteil von 33 bis 61% der LF. Ein wichtiger Grundsatz des ökologischen Landbaus stellt das Anstreben eines möglichst geschlossenen Betriebskreislaufs dar. Unter diesem Aspekt spielt die Tierhaltung im ökologischen Landbau eine wichtige Rolle. Dieses zeigt sich auch bei den untersuchten Betrieben. Von den 218 erhobenen Betrieben hielten im Erhebungszeitraum 89% Vieh.

Pflanzenbau

Der Getreidebau hat im ökologischen Ackerbau vom Flächenumfang her die größte Bedeutung (im Durchschnitt 52% der AF). Fast alle Betriebe mit Ackerland bauen auch Getreide an, wobei die Kulturen Roggen und Weizen den größten Anteil an der Anbaufläche einnehmen. Die Getreideerträge lagen im Erntejahr 2002 im Durchschnitt 20 bis 30% unter dem 3-jährigen Mittel. Totalausfälle waren in diesem Jahr häufiger zu verzeichnen. Die durchschnittlichen Getreideerträge (mit der Anbaufläche gewichtete Durchschnitte) fallen auf den ersten Blick relativ niedrig aus. Hierbei ist allerdings zu beachten, dass dieses Ergebnis stark durch die in der Stichprobe vergleichsweise hohe Anzahl flächenstarker Betriebe in Ostdeutschland beeinflusst wird, die auf wenig ertragreichen Böden vor allem im Nordosten Deutschlands wirtschaften. Allen 218 befragten BetriebsleiterInnen wurde die Frage gestellt, welches aktuell ihre größten Probleme im Pflanzenbau seien. 132 BetriebsleiterInnen (entsprechend 61%) gaben eine Reihe unterschiedlicher Schwierigkeiten an. Bei den übrigen 39% der Betriebe kann davon ausgegangen werden, dass sich die pflanzenbauliche Produktionstechnik problemlos gestaltet. In einigen Fällen wurde auch explizit darauf hingewiesen, dass die Probleme des Betriebs auf anderen Ebenen zu finden seien.

Tierhaltung

Der Viehbesatz beträgt 0,8 GV/ha LF und 1,34 GV/ha Hauptfutterfläche.  31% der Betriebe hält Milchvieh, 45% Mutterkühe, 32% Mastschweine, 31% Legehenne und 14% Schafe. Die durchschnittlichen Bestandgrößen betragen 32 Milchkühe, 58 Mutterkühe, 41 Mastschweine, 239 Legehennen und 231 Schafe. Die ökologische Tierhaltung ist sehr vielfältig. Kleine Betriebe oder im Nebenerwerb bewirtschaftete leisten ebenfalls einen Beitrag zur Diversität und zum Erhalt alter Rassen.

In milchviehhaltenden Betrieben stellt die Milchproduktion in der Regel auch den Betriebsschwerpunkt dar (91% der 67 erfassten Betriebe). Knapp 50% der Betriebe mit Milchkühen weist Bestandsgrößen zwischen 21 und 50 Milchkühen auf. Im Mittel sind es 32 Kühe, die durchschnittliche Herdenleistung lag im Milchleistungsjahr 2001/2002 bei 5.698 kg/Kuh und Jahr (3.333-8.644 kg). Die Vielfalt der Milchviehrassen ist groß, dennoch dominieren auch im ökologischen Landbau die Rassen Deutsche Holstein (45% der Betriebe mit durchschnittlich 5.924 kg Milchleistung), Fleckvieh (33% der Betriebe mit 5.634 kg Milchleistung) und Braunvieh (15%, 5.660 kg).

Das durchschnittliche Alter bei allen erfassten Milchkühen beträgt 5,8 Jahre, das Erstkalbealter 31 Monate, die Zwischenkalbezeit 387 Tage und die Remontierungsrate lag bei 24%. In 52% der Milchviehbetriebe wird kein Futter zugekauft. Der durchschnittliche Kraftfutterverbrauch lag bei 9 dt/ Kuh und Jahr (0 – 22 kg) und es gibt Betriebe, die ohne Kraftfutterfütterung eine mittlere Milchleistung von 5.000 kg erzielen. Die aktuell größten Probleme in der Milchviehhaltung werden von den Befragten vor allem in der Tiergesundheit, insbesondere der Eutergesundheit sowie in der Vermarktung gesehen. Von 12% der BetriebsleiterInnen werden darüber hinaus Probleme mit der Umsetzung der Haltungsrichtlinien (u.a. Auslauf, Verbot der Anbindehaltung ab 2010) angegeben.

Thünen-Ansprechperson

Prof. Dr. agr. habil. Gerold Rahmann

Mobiltelefon
+49 160 94945756
Telefon
+49 4539 8880 200
gerold.rahmann@thuenen.de

Geldgeber

  • Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL)
    (national, öffentlich)

Zeitraum

3.2002 - 5.2004

Weitere Projektdaten

Projektfördernummer: 02OE061
Förderprogramm: Bundesprogramm Ökologischer Landbau und andere Formen nachhaltiger Landwirtschaft (BÖLN)
Projektstatus: abgeschlossen

Publikationen

  1. 0

    Wallenbeck A, Rousing T, Sørensen JT, Bieber A, Spengler Neff A, Fürst-Waltl B, Winckler C, Pfeiffer C, Steininger F, Simantke C, March S, Brinkmann J, Walczak J, Wojcik P, Ribikauskas V, Wilhelmsson S, Skjerve T, Ivemeyer S (2019) Characteristics of organic dairy major farm types in seven European countries. Organic Agric 9(3):275–291, DOI:10.1007/s13165-018-0227-9

  2. 1

    Ivemeyer S, Brinkmann J, March S, Simantke C, Winckler C, Knierim U (2018) Major organic dairy farm types in Germany and their farm, herd, and management characteristics. Organic Agric 8(3):231-247, DOI:10.1007/s13165-017-0189-3

  3. 2

    Ivemeyer S, Brinkmann J, March S, Simantke C, Winckler C, Knierim U (2017) Identifizierung von Bio-Milchviehbetriebstypen sowie deren Betriebs-, Herden- und Managementcharakteristika. In: Wolfrum S, Heuwinkel H, Reents HJ, Hülsbergen KJ (eds) Ökologischen Landbau weiterdenken - Verantwortung übernehmen, Vertrauen stärken : Beiträge zur 14. Wissenschaftstagung Ökologischer Landbau, Freising-Weihenstephan, 7. bis 10. März 2017. Berlin: Köster, pp 740-744

  4. 3

    Rodewald M, March S, Brinkmann J, Madsen G, Sanders J (2017) Ökologischer Landbau in Deutschland: ein aktuelles Stimmungsbild aus der Praxis. In: Wolfrum S, Heuwinkel H, Reents HJ, Hülsbergen KJ (eds) Ökologischen Landbau weiterdenken - Verantwortung übernehmen, Vertrauen stärken : Beiträge zur 14. Wissenschaftstagung Ökologischer Landbau, Freising-Weihenstephan, 7. bis 10. März 2017. Berlin: Köster, pp 632-636

  5. 4

    Rahmann G, Nieberg H (2005) New insights into organic farming in Germany : empirical results of a survey in 218 farms. Landbauforsch Völkenrode 55(3):193-202

    https://literatur.thuenen.de/digbib_extern/bitv/zi038083.pdf

  6. 5

    Rahmann G, Nieberg H, Drengemann S, Fenneker A, March S, Zurek C (2004) Datenerhebung abgeschlossen : ein Praxis-Forschungsnetzwerk - Basis für effektive Beratung. Ökologie & Landbau 32(130):54-56

  7. 6

    Nieberg H, Rahmann G, Zurek C, Drengemann S, Fenneker A, March S (2004) Erste Ergebnisse des Praxis-Forschungsnetzes Ökologischer Landbau. Landbauforsch Völkenrode SH 273:85-90

    https://literatur.thuenen.de/digbib_extern/zi035593.pdf

  8. 7

    Rahmann G, Nieberg H, Drengemann S, Fenneker A, March S, Zurek C (2004) Etablierung eines dauerhaften Praxis-Forschungs-Netzes mit 218 zufällig ausgewählten Biobetrieben und der FAL : ein Werkzeug für praxisfundierte Politikberatung und Weiterentwicklung der Produktionsverfahren. In: Bundesforschungsanstalt für Landwirtschaft (ed) Ressortforschung für den ökologischen Landbau 2004 : Statusseminar 2004 ; 5. März 2004 Biologische Bundesanstalt für Land- und Forstwirtschaft (BBA), Kleinmachnow ; Tagungsreader. pp 35-37

  9. 8

    Rahmann G, Nieberg H, Drengemann S, March S, Fenneker A, Zurek C (2002) Bundesweite repräsentative Erhebung und Analyse der verbreiteten Produktionsverfahren, der realisierten Vermarktungswege und der wirtschaftlichen sowie sozialen Lage ökologisch wirtschaftender Betriebe und Aufbau eines bundesweiten Praxis-Forschungs-Netzes. Braunschweig: FAL, 4 p

    https://literatur.thuenen.de/digbib_extern/dk038491.pdf

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