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© Anja Bunge / Thünen-Institut
Institut für

FI Fischereiökologie

Projekt

Setzlinge naturnah produzieren


Federführendes Institut FI Institut für Fischereiökologie

© Thünen-Institut für Fischereiökologie/Marc Willenberg

Naturnahe Gestaltung der Haltungsumgebung in der Aufzucht juveniler Salmoniden zur Erzeugung leistungsstarker und robuster Setzlinge für die heimische Aquakultur

Immer mehr Fische kommen aus Aquakulturanlagen. Und immer häufiger wird öffentlich diskutiert, ob sie dort tiergerecht gehalten werden. Mit unserem Modell- und Demonstrationsvorhaben wollen wir zeigen, wie lachsartige Fische naturnah erzeugt und die Tiergerechtheit verbessert werden kann.

Hintergrund und Zielsetzung

Lachsartige Fische, wie etwa Forellen und Saiblinge, sind beliebte Speisefische und werden seit mehr als 100 Jahren in Teichwirtschaften gehalten. In der deutschen Aquakultur sind es vor allem Regenbogenforellen, die in Erdteichen, Fließkanälen, Netzgehegen und auch Kreislaufanlagen produziert werden. In jüngerer Zeit steigt die Nachfrage der Verbraucher aber auch für Bachforellen und Saiblinge und beide Arten gewinnen deshalb zunehmend an Bedeutung für die kommerzielle Fischzucht.

In einer Aquakultur befinden sich die Fische zu jeder Phase ihres Lebenszyklus in menschlicher Obhut und auch die künstliche Vermehrung findet unter kontrollierten Bedingungen statt. Diese Phase der Produktion ist von entscheidender Bedeutung, da die Verfügbarkeit von qualitativ hochwertigen und robusten Jungfischen, sogenannte Fingerlinge oder auch Setzlinge, die Grundlage für ein erfolgreiches Aquakulturunternehmen darstellt.

Die Erbrütung und Aufzucht im Bruthaus findet zumeist in einer artifiziellen und naturfernen Haltungsumgebung statt. Dies gilt sowohl für die konventionelle als auch für die ökologische Aquakultur. Die verwendeten Systeme erlauben zwar ein gutes Hygienemanagement sowie eine unmittelbare visuelle Kontrolle der gehaltenen Fische. Erbrütungseinsätze sowie Rinnen und Becken sind allerdings arm an Strukturen und deshalb monoton, so dass sie den Fischen nur ein eingeschränktes Verhaltensrepertoire erlauben. Eine naturnahe Gestaltung, in der die Haltungsumgebung mit strukturierenden Komponenten angereichert wird, stellt eine mögliche Gegenmaßnahme dar. Durch die Anreicherung wird eine reizreichere Umwelt geschaffen und die Komplexität der Haltungsumgebung gezielt erhöht. Hierdurch kann das Tierwohl nachhaltig verbessert werden.

Zielgruppe

konventionell und ökologisch produzierende Aquakulturbetriebe

Vorgehensweise

Wir beraten teichwirtschaftliche Modellbetriebe, auf welche Art sie die Haltungsumgebung in der Aquakultur von lachsartigen Fischen naturnah gestalten können. Hierbei konzentrieren wir uns auf die Erbrütung und Aufzucht im Bruthaus sowie auf die erste Phase der Produktion im Freiland, nach deren Ende die Setzlinge in die Mastphase übergehen. Die Maßnahmen werden mit Forellen und Saiblingen durchgeführt.  Im Bruthaus werden Unterstromkästen zur Erbrütung und Aufzucht der Dottersacklarven mit getrommeltem Kies angereichert. Parallel dazu werden Fische konventionell und ohne Anreicherung erbrütet. Rinnen und Becken werden mit einer Schicht aus gewaschenem Sand versehen und mit Haltungssystemen ohne Sandauflage verglichen. Nach Abschluss der Aufzucht im Bruthaus werden die Fische in Teiche im Außengelände umgesetzt. Dazu wird in einigen Teichen eine leichte Strömung mittels Schaufelradbelüftern oder Pumpen erzeugt. Zum Vergleich werden Fische in Teichen ohne Strömung aufgezogen. Wir begleiten die Betriebe bei der Implementierung in die Praxis und beproben die Fische in regelmäßigen Abständen, um sie auf ihren Gesundheitszustand zu untersuchen und Daten zum Wachstum zu erheben.

Ergebnisse

Auf den Modellbetrieben konnten die Maßnahmen zur Anreicherung der Haltungsumgebung im Bruthaus mit überschaubarem organisatorischen und finanziellem Aufwand realisiert werden. Voraussetzung für eine erfolgreiche Umsetzung ist eine gute Hygiene im Bruthaus sowie eine regelmäßige Pflege der Brut. In Abhängigkeit der Herkunft ist eine vorherige Desinfektion der Substrate sinnvoll.

Für die Anreicherung während der Erbrütung und Aufzucht der Dottersacklarven, hat sich getrommelter Flusskies mit einer Körnung von 4 bis 8 mm bewährt. Der Kies wird in einer einschichtigen Lage in die Erbrütungseinsätze eingebracht. Der Anteil an scharfkantigem Quarz und Hornstein sollte gering sein. Eine feinere Körnung birgt die Gefahr, dass der Wasseraustausch in den Erbrütungseinsätzen negativ beeinflusst wird. Gröbere Substrate erzeugen ggf. Bereiche, die nicht eingesehen werden können. Hierdurch bleiben abgestorbene Larven unerkannt, was die Entstehung von Verpilzungen begünstigen kann. Bei der Verwendung von Kies mit 4 bis 8 mm Körnung traten im Vergleich zur konventionellen Methodik keine Unterschiede bei Temperatur und Sauerstoffgehalt auf. Während der Erbrütung und Aufzucht in Erbrütungseinsätzen empfiehlt es sich allerdings, den Sauerstoffgehalt des Wassers regelmäßig und über die Gesamtheit der Haltungseinrichtung zu überprüfen und den Wasserdurchsatz ggf. anzupassen oder die Besatzdichte zu verringern. Dies gilt sowohl bei der Verwendung von natürlichen Substraten wie auch bei einer konventionellen Erbrütung.

In den angereicherten und nicht-angereicherten Erbrütungseinsätzen war der Gesundheitszustand der Fische vergleichbar gut. Es traten keine Erkrankungen auf. Das Gewichtswachstum von Forellen wurde nicht durch den Kies beeinflusst und in beiden Behandlungen zeigte sich eine vergleichbare Gewichtszunahme über die Zeit. Bei Saiblingen war die Gewichtszunahme über die Zeit signifikant höher, wenn die Erbrütungseinsätze mit Kies angereichert waren.

Für die Anreicherung von Rinnen und Becken hat sich gewaschener Flusssand von 0 bis 2 mm bewährt. Der Sand sollte vor der Verwendung ausgiebig gespült werden, um feine Partikel zu entfernen. Die Haltungssysteme sollten erst nach vollständigem Aufklaren des Wassers besetzt werden. Zusätzlich zum Sand schaffen vereinzelte Kiesel weitere Strukturen.

In den mit Sand angereicherten Rinnen und Becken sowie in den Ansätzen ohne Sand war der Gesundheitszustand der Fische vergleichbar gut. Es traten keine Erkrankungen auf. Das Wachstum von Forellen und Saiblingen wurde nicht durch die Anwesenheit einer Sandauflage beeinflusst und in beiden Behandlungen zeigte sich eine vergleichbare Gewichtszunahme über die Zeit.

Bei der Verwendung von Kies zur Anreicherung der Erbrütungseinsätze ist mit einem erhöhten Arbeitsaufwand zu rechnen. Dies betrifft zum einen die tägliche visuelle Kontrolle und Pflege der Brut sowie auch das Abfischen der Jungfische aus den Erbrütungseinsätzen. In der Praxis hat es sich bewährt, hierzu in einem angestauten Becken einen Netzbeutel aus Netzstoff (Maschenweite 1 mm) einzuhängen und den Erbrütungseinsatz horizontal einzusetzen. Eine schrittweise Neigung des Erbrütungseinsatzes fördert das selbstständige Herausschwimmen der Jungfische. Durch leichte Schwenkbewegungen werden die restlichen Jungfische herausgespült. Die Jungfische werden auf diese Weise zügig vom Kies getrennt. Der Kies verbleibt im Erbrütungseinsatz und die Jungfische können leicht aus dem Netzbeutel abgekeschert werden.

Bei der Anreicherung von Becken und Rinnen mit Flusssand ist mit keinem höherem Arbeitsaufwand zu rechnen. Der Sand sollte allerdings mittels Absperrvorrichtungen zurückgehalten werden, damit die feinen Absperrsiebe nicht verstopft werden.

Durch eine entsprechende Ausrichtung von technischen Geräten zur Belüftung und Umwälzung des Wassers, kann in den ansonsten strömungslosen Teichen eine gerichtete Strömung erzeugt und variable Strömungsbereiche geschaffen werden. Forellen und Saiblinge zeigten in durchströmten und nicht-durchströmten Teichen ein vergleichbares Wachstum, welches sich nicht-signifikant voneinander unterschied. Die Körperzusammensetzung war bei Fischen aus durchströmten Teichen jedoch signifikant unterschiedlich zu Fischen, die ohne Strömung aufgezogen wurden.

Geldgeber

  • Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL)
    (national, öffentlich)

Zeitraum

10.2014 - 7.2017

Weitere Projektdaten

Projektfördernummer: 2813MDT902
Projektstatus: abgeschlossen

Publikationen

  1. 0

    Reiser S, Pohlmann DM, Blancke T, Koops U, Trautner J (2021) Environmental enrichment during early rearing provokes epigenetic changes in the brain of a salmonid fish. Comp Biochem Physiol D Genomics Proteomics 39:100838, DOI:10.1016/j.cbd.2021.100838

  2. 1

    Reiser S, Sähn N, Pohlmann DM, Willenberg M, Focken U (2021) Rearing juvenile brown Salmo trutta (L.), and rainbow trout Oncorhynchus mykiss (Walbaum), in earthen ponds with and without an induced current. J Appl Aquacult 33(1):32-52, DOI:10.1080/10454438.2019.1678545

  3. 2

    Reiser S, Pohlmann DM, Koops U, Gröger JP, Focken U (2019) Using gravel for environmental enrichment in salmonid hatcheries: The effect of gravel size during egg incubation, endogenous and first feeding in rainbow trout. J Appl Ichthyol 35(2):465-472, DOI:10.1111/jai.13884

  4. 3

    Sähn N, Pohlmann DM, Willenberg M, Reiser S (2018) Naturnahe Gestaltung der Haltungsumgebung in der Aufzucht juveniler Salmoniden zur Erzeugung leistungsstarker und robuster Setzlinge für die heimische Aquakultur: Projektabschlussbericht FKZ: 2813MDT902 Berichtszeitraum: 01.10.2014-31.07.2017. Hamburg: Johann Heinrich von Thünen-Institut, 27 p

    https://literatur.thuenen.de/digbib_extern/dn059744.pdf

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